Die Entstehung von Babylon 5 - Teil 3: Die Erschaffung eines Mythos

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Vom Pilotfilm zur Serie Promo-Bild zur ersten Staffel von 'Babylon 5'. Im Gegensatz zur Konkurrenz von "Star Trek" ging "Babylon 5" ja nicht gleich in Serie; vielmehr wurde zuerst einmal nur der Pilotfilm gedreht, von dessen Erfolg (mehr noch was das Budget und die Produktion, denn die Quoten an sich betrifft) abhing, ob Warner auch eine Serie in Auftrag geben würde – was dazu führte, dass einige im Science Fiction-Fandom annahmen, dass "Babylon 5" von "Deep Space Nine" abgekupfert sei, und nicht umgekehrt. Zumal es der Paramount-Konkurrenz gelungen war, auch den Pilotfilm der dritten "Star Trek"-Serie eineinhalb Monate vor "Die Zusammenkunft" auszustrahlen. Und bis "Ragesh 3" über den TV-Schirm flimmerte, hatte man bei "Deep Space Nine" überhaupt schon mehr als eine komplette Staffel über die Bühne gebracht. So unerfreulich dieser Umstand aus JMS' Sicht auch gewesen sein mag, in mancher Hinsicht sollte sich die Pause zwischen der Produktion des Pilotfilms und der Serie aber auch als Segen erweisen. So gab ihm dies die Gelegenheit, "Die Zusammenkunft" auch aus produktionstechnischer Sicht als Piloten zu betrachten, und sich anzusehen, was dabei funktioniert hat, und was nicht, und in manchen Bereichen nachzubessern. Dies gilt unter anderem für die Musik: Nachdem Stewart Copeland, seines Zeichens Schlagzeuger von "The Police", den Soundtrack zu "Die Zusammenkunft" beisteuerte, entschied JMS, sich für die Serie nach einem anderen Sound umzusehen – bzw. -hören. Als großer Fan des Synthesizer-Musikprojekts Tangerine Dream wandte er sich an Christopher Franke, dessen Komposition für "Babylon 5" seitdem derart untrennbar mit der Serie verbunden ist, dass JMS für die neue Schnittfassung des Pilotfilms nachträglich von ihm auch einen neuen Soundtrack anfertigen ließ. In weiterer Folge sollte seine Musik maßgeblich dafür verantwortlich sein, der Serie jene Epik zu verleihen, die zwar in der Story steckt, in den Bildern jedoch mangels Budgets allzu oft nicht angemessen wiedergegeben werden konnte.

Eine weitere Änderung betraf den Alien-Sektor, mit dessen an einem Zoo erinnernden Aussehen JMS nicht wirklich glücklich war. Dies war somit einer der ersten Aspekte, die nach dem Pilotfilm gleich wieder verworfen wurden (und die entsprechende Szene wurde in der von JMS neu geschnittenen "Special Edition" aufs Notwendigste heruntergekürzt). Aber auch einige der Masken überzeugten ihn nicht, weshalb z.B. vom Alien-Barkeeper in der Serie nichts mehr zu sehen war. Generell wendete er sich für das Makeup der Serie an die von John Vulich und Everett Burrell gegründete Firma Optic Nerve, die einerseits einzelne Designs – wie z.B. die Maske von G'Kar – leicht überarbeiteten, dabei aber vor allem die Zeit, die zum Anbringen von diesen notwendig war, deutlich reduzierte, was es für die betreffenden Schauspieler*innen um einiges leichter machte. Die größte Änderung betrifft aber natürlich die Maske von Delenn. Die Figur hätte nämlich ursprünglich maskulin sein sollen; im Zuge der Transformation von der ersten auf die zweite Staffel hätte sich Delenn dann zugleich in eine Frau verwandelt. Dies erklärt auch die kantigen Züge der Maske im Pilotfilm. Allerdings bekam man die Verzerrung von Mira Furlans Stimme nicht überzeugend hin; und JMS wollte ihre Performance nicht durch einen männlichen Darsteller übersprechen lassen. Daher wurde dieser Plan verworfen, und die Zeit zwischen Pilotfilm und Serie genutzt, um Delenn beginnend mit "Ragesh 3" von vornherein ein weiblicheres Aussehen zu geben.

Darüber hinaus gab es noch ein paar weitere produktionstechnische Änderungen. So war JMS z.B. auch mit den doch ziemlich großen Laserwaffen nicht zufrieden, weshalb diese mit den aus der Serie bekannten PPG-Pistolen und -Gewehren ersetzt wurden. Aber auch an der Belichtung wurde noch herumgeschraubt. Zwar wollte JMS von vornherein – wohl auch, um sich von der "Star Trek"-Konkurrenz abzuheben – ein deutlich dunkleres Bild, musste dann jedoch einsehen, es diesbezüglich bei "Die Zusammenkunft" übertrieben zu haben. Die Serie sah dann doch um einiges heller aus. Apropos Sets: Mit eine der größten Änderungen war zweifellos auch der Drehort. Während "Die Zusammenkunft" noch ganz klassisch auf dem sogenannten "Warner Lot", also dem Studiogelände von Warner Bros., gedreht wurde, verlagerte man die Produktion der Serie in eine am Rand von Los Angeles gelegene, ehemalige Produktionsstätte von Badewannen (!), die in ein Filmstudio umfunktioniert wurde. Dies bedeutete zwar, dass Cast & Crew auf einige Annehmlichkeiten des Warner-Geländes verzichteten mussten, sorgte aber zugleich dafür, dass diese enger zusammengeschweißt wurde; nicht zuletzt, als JMS darauf Wert lag, dass die Mittagspause auch wirklich von allen, egal ob Star oder Crewmitglied, auf dem Parkplatz vor dem Filmstudio gemeinsam verbracht wurde, statt dass sich alle in ihre kleinen Grüppchen – oder gar ihre Wohnwagen – zurückzogen. Vor allem aber sorgte die relative Abgeschiedenheit dafür, dass nur relativ selten höhere Verantwortliche von Warner Bros. hereinschneiten, um nach dem Rechten zu sehen, und sich dementsprechend auch die Einmischung von oben sehr in Grenzen hielt.

Die Besetzung der ersten 'Babylon 5'-Staffel. Am Auffälligsten sind aber natürlich die Änderungen im Hinblick auf die Besetzung. So führte die Produktionspausche zwischen dem Pilotfilm und der ersten Staffel dazu, dass JMS gleich drei Rollen austauschen musste. Johnny Sekka hatte damals bereits einige medizinische Probleme, und während dem Dreh von "Die Zusammenkunft" wurde zunehmend deutlich, dass die Strapazen einer Serie für ihn wohl zu viel werden würden. Und so wurde Dr. Kyle zur Erde berufen, und durch Dr. Stephen Franklin – gespielt von Richard Biggs – ersetzt. Gegen den Willen von JMS wurde zudem Patricia Tallman – für die er, nachdem er sie im Remake von "Die Nacht der lebenden Toten" gesehen hatte, die Rolle der Lyta Alexander extra geschrieben hatte – ausgewechselt. Diese vermutet in ihrer Biographie "Pleasure Thresholds", dass hier wohl ein hoher Verantwortlicher von Warner Bros., dessen Avancen sie nach der Produktion des Pilotfilms zurückwies, in dieser Hinsicht interveniert hatte. Letztendlich sollte es für sie aber insofern ein Happy End geben, als ihr Ersatz Andrea Thompson nach der zweiten Staffel aussteigen wollte, was es JMS wiederum ermöglichte, Patricia Tallman/Lyta Alexander zurückzuholen. Am meisten hat ihn damals aber das Hickhack rund um Tamlyn Tomita geärgert. Diese hatte ihre Rolle sehr kraftvoll angelegt, einige Verantwortliche bei Warner fanden die Figur jedoch unsympathisch, und ordneten an, dass sie ihre Dialogzeilen im Tonstudio noch einmal einspielen sollte. Nun hingegen warf man ihr jedoch – anhand dieser neuen, von ihnen gewünschten Aufnahmen – wiederum vor, in der Rolle von Laurel Takashima zu schwach zu sein, weshalb man JMS anwies, auch ihre Figur zu ersetzen (Randnotiz: Wer sowohl die ursprüngliche Fassung des Pilotfilms – im deutschsprachigen Raum nach wie vor die einzige, die auf DVD oder online verfügbar ist – als auch die Special Edition sein eigen kennt, kann beide Performances insofern direkt vergleichen, als JMS für seine Schnittfassung wieder zu den Original-Tonaufnahmen zurückgegangen ist).

Doch es gab nicht nur solche Umbesetzungen, für die Serie sollten auch noch ein paar neue Rollen hinzustoßen; dies betrifft in erster Linie die Gehilfen der Botschafter, die wohl in erster Linie den Zweck erfüllten, dass Londo, Delenn und G'Kar jemanden hatten, mit dem sie sich austauschen konnten. Als Lennier stieß der "Lost in Space"-Veteran Bill Mumy zur Besetzung hinzu, der, obwohl ein knappes Jahr älter als Mira Furlan, Delenns jungen Assistenten spielte. Dass Stephen Furst als Vir besetzt wurde, verdankte dieser wiederum einem Malheur beim Vorsprechen. Denn: Als es sah, dass alle außer ihm die Haare hochfrisiert hatten, ging er schnell auf die Toilette, um zu versuchen, seine eigenen Haare mit Seife irgendwie nach oben stehen zu lassen. Damit erreichte er letztendlich aber nur, dass ihm die Seife in die Augen lief – unmittelbar, bevor er auf die Bühne gerufen wurde. Als er schließlich sein Missgeschick erläuterte, und sich gestammelt zu entschuldigen begann, sah JMS zu seiner Casting-Direktorin hinüber, und meinte nur: "Das ist Vir". Während Bill Mumy und Stephen Furst die Serie über alle fünf Staffeln hinweg begleiten sollten, tat sich JMS vergleichsweise schwer, die Rolle von G'Kars Gehilfin zu besetzen. Seine erste Wahl war Mary Woronov, die jedoch allergisch auf das Makeup reagierte, weshalb Ko'Dath nach nur einer Folge wieder aus der Serie herausgeschrieben wurde. Als Ersatz kam Na'Toth an Bord. Julie Caitlin Brown hielt etwas länger durch, doch auch sie hatte zunehmend Sorge, welche Auswirkungen der Klebstoff der Maske auf ihr Gesicht haben könnte, weshalb auch sie die Rolle schließlich zurücklegte. Ihre Nachfolgerin Mary Kay Adams erwies sich in der Rolle allerdings als überaus glücklos, und wurde nach nur zwei Auftritten nicht wieder zurückgebeten; weshalb Na'Toth in weitere Folge in der Versenkung verschwand. Schließlich sollte Julie Caitlin Brown – nachdem sie in "Minbari lügen nicht" bereits ein Zwischenspiel als Anwältin Guinevere Corey gab – in der fünften Staffel noch ein letztes Mal als Na'Toth zurückkehren, um die Geschichte der Figur abschließen, und zugleich ihre lange Abwesenheit erklären zu können. Etwas, dass bei "Babylon 5" zu diesem Zeitpunkt bereits nicht zum ersten Mal geschah.


Wachablöse(n) Heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, mit Serienverantwortlichen, Schauspielern usw. mit Hilfe verschiedener sozialer Medien direkt in Kontakt zu treten. Anfang der 90er steckte das Internet jedoch noch in den Kinderschuhen. Auch diesbezüglich war JMS insofern absoluter Vorreiter, als er sich über Usenet laufend mit den Fans der Serie austauschte. Dort hatte er auch immer wieder laut verkündet, dass "Babylon 5" eine durchgehende Geschichte erzählen würde, die auf fünf Jahre ausgelegt sei. Eben deshalb war die Verwunderung groß, als zwischen der ersten und zweiten Staffel bekannt wurde, dass Michael O'Hare die Serie verlassen würde. JMS hielt sich ursprünglich im Hinblick auf die Hintergründe seines Ausstiegs bedeckt – wies jedoch immer darauf hin, dass O'Hare nicht etwa gefeuert wurde, sondern die Entscheidung im beidseitigen Einvernehmen gefallen sei. Der wahre Grund wurde von ihm schließlich erst nach Michael O'Hares Tod 2012 im sogenannten "Promise Panel" auf der Phoenix ComiCon 2013 – wo das 20. Jubiläum von "Babylon 5" gefeiert wurde – öffentlich gemacht: So sollte sich im Verlauf der Produktion der ersten Staffel zunehmend zeigen, dass O'Hare unter paranoiden Wahnvorstellungen litt. Schließlich wurde es so schlimm, dass JMS ihn zu sich ins Büro rief, woraufhin O'Hare ihn im Hinblick auf seine psychischen Probleme einweihte. JMS bat an, die Produktion zu unterbrechen, damit Michael Hilfe in Anspruch nehmen konnte. Doch O'Hare wollte nicht, dass wegen ihm auf einmal alle an der Serie Beteiligten ohne Job dastehen. Daraufhin einigte man sich darauf, dass JMS ihn beim Wechsel von der ersten zur zweiten Staffel aus der Serie schreiben würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte JMS noch die Hoffnung, den Wandel langsam(er) vollziehen zu können; so kam Sinclair ursprünglich auch noch in der ersten Folge der zweiten Staffel vor (die eigentlich direkt an "Chrysalis" hätte anknüpfen sollen), und hätte Sheridan erst in der dritten Episode auftauchen sollen. Als jedoch klar wurde, wie sehr sich Michael O'Hare damit plagte, zumindest die Produktion der ersten Staffel noch durchzuhalten, wurde nur noch rasch die Nachricht für Michael Garibaldi in "Schatten am Horizont" aufgenommen, und dafür gesorgt, dass O'Hare jene Hilfe erhielt, die er brauchte – und die es ihm schließlich ermöglichen sollte, im Zweiteiler "Ranger Eins"/"Tausend Jahre durch die Zeit" zurückzukehren, um die Geschichte von Jeffrey Sinclair abzuschließen.

Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan. Die Rolle seines Nachfolgers John Sheridan wollte JMS ursprünglich mit Michael York besetzen. Da jedoch Warner unbedingt wieder einen amerikanischen Schauspieler in der Hauptrolle haben wollten, fiel die Wahl schließlich auf Bruce Boxleitner – was sich für beide Seiten als wahrer Glücksgriff erweisen sollte. Für Boxleitner bedeutete es die Rolle seines Lebens (er ist mittlerweile für "Babylon 5" bekannter als damals für "Agentin mit Herz"), wobei er sich als lebenslanger Genre-Fan vor allem auch darüber freute, die Hauptrolle in einer Science Fiction-Serie übernehmen zu können. Die Produzenten wiederum konnten sich nicht nur im Hinblick auf seine schauspielerische Leistung freuen, sondern vor allem auch darüber, dass Boxleitner schon immer eine ziemliche Rampensau war, und sobald er die Rolle inne hatte damit begann, für "Babylon 5" in verschiedensten Interviews sowie mit Auftritten bei zahlreichen Conventions die Werbetrommel zu rühren. Etwas, womit er bis zum heutigen Tag nicht aufhörte, was wohl nicht zuletzt auch daran liegen dürfte, dass John Sheridan eine der besten, interessantesten und vielschichtigsten Rollen seiner Karriere war, und es ihm die vier Jahre an Bord der Station erlaubten, die Entwicklung der Figur vom Sonnyboy zum zunehmend düsteren Charakter zu spielen. Eine Gelegenheit, die er am Schopf packte, und über vier Staffeln und mehrere TV-Filme hinweg immer wieder nur zu gern auskostete.

Doch der Wechsel von Jeffrey Sinclair zu John Sheridan war nicht das einzige Mal, dass JMS auf eine seiner "Falltüren" zurückgreifen musste, die er bei praktisch jeder Figur eingebaut hat, falls das wahre Leben seinen Fünfjahresplan durchkreuzen sollte. Wie zuvor schon erwähnt, stieg Andrea Thompson zum Ende der zweiten Staffel auf eigenen Wunsch aus. Sie hatte aus ihrer Sicht einfach zu wenig zu tun gehabt, und trotz aller Versicherungen, dass ihre Zeit noch kommen würde, wollte Thompson schließlich nicht länger warten, und stattdessen andere Karriereoptionen verfolgen. Dies zwang JMS dazu, sowohl den Verräter-Plot (der für sie grundsätzlich schon immer geplant war, und den sie von Laurel Takashima geerbt hatte) vorzuziehen, und es im Hinblick auf die von vornherein geplante lesbische Beziehung zwischen Talia Winters und Susan Ivanova bei einer zarten Andeutung zu belassen. Immerhin bot dies aber Patricia Tallman die Gelegenheit, wieder zur Serie zurückzukehren. Nicht wirklich glücklich ist auch die Sache mit Draal verlaufen. So stand Louis Turenne für die Rückkehr der Figur in der zweiten Staffel nicht mehr zur Verfügung, weshalb JMS kurzerhand die Ausrede mit dem verjüngten Draal erfand, und die Rolle mit John Schuck neu besetzte. Als es dann jedoch auch mit ihm was weitere Auftritte betrifft Terminkollisionen gab, warf JMS den Hut drauf, und Draal verschwand zunehmend in der Versenkung – weshalb auch die große Maschine in weiterer Folge kaum mehr eine Rolle spielte, und in Fankreisen gerne auch "nicht-so-großartige-Maschine" genannt wird. Von Claudia Christian – der wende ich mich später zu – abgesehen gab es dann vor allem noch einen Fall, wo die mangelnde Verfügbarkeit eines Schauspielers JMS' Pläne durchkreuzte: So hätte General Hague grundsätzlich bei "Die Strafaktion" schon noch selbst in Erscheinung treten sollen, allerdings drehte Robert Foxworth zu dieser Zeit – von allen möglichen Projekten natürlich just – den "Deep Space Nine"-Zweiteiler "Die Front"/"Das verlorene Paradies". Und so wurde General Hague kurzerhand abseits des Fernsehschirms ins Reich der Toten geschickt, und durch Bruce McGills Major Ryan ersetzt (was insofern wiederum einem Irrtum geschuldet war, als JMS eigentlich Everett McGill für die Rolle wollte, aber die Namen verwechselt hatte). Dieser sorgte dann für eine der berühmtesten (absichtlich) verpatzte Szenen der Serie, als er die Frage, wo General Hague sei, mit "General Hague… dreht Deep Space Nine" beantwortete.


Streiche, Bär und Pannen… 'Medlab, this is Sinclair.' Da wir gerade bei verpatzten Szenen sind: So wie bei jeder Arbeit kommt es natürlich auch in Film- und Fernsehen vor, dass Fehler passieren. Zumeist sind diese harmlos und amüsant – und landen dann gerne mal in sogenannten Gag Reels, die in erster Linie Cast und Crew bei Feiern wie z.B. zum Abschluss der Dreharbeiten einer Staffel zur Unterhaltung dienen. Seit dem Einzug der DVD erhielten solche Ausschnitte auch zunehmend Einzug ins Bonusmaterial – so auch bei "Babylon 5", zumindest ab der zweiten Staffel. Die kompletten, rund zehnminütigen Gag Reels zu jeder Staffel sind darüber hinaus nach wie vor auf YouTube zu finden. Aber, natürlich: Einige Patzer sind, auch wenn zum Glück alles glimpflich ausgeht, im ersten Moment alles andere als amüsant. So kam es eines Morgens während der Produktion der zweiten Staffel in Los Angeles zu einem heftigen Erdbeben, das die Dreharbeiten für einige Tage unterbrach. Als man diese wieder aufnahm, drehte man eine Szene mit Ivanova in der Starfury, als ein Nachbeben auftrat. In der Panik vergas jedoch die komplette Crew, dass Claudia Christian im Cockpit festgeschnallt war – und sich aus diesem auch nicht aus eigener Kraft befreien konnte – und traten die Flucht an. Mittlerweile kann Christian darüber lachen, damals war es aber natürlich alles andere als witzig, und wurden im Anschluss einige ernste Worte mit den verantwortlichen Crewmitgliedern gewechselt.

Eine der prominentesten verpatzten Szenen passierte während der Dreharbeiten zu "Drei Frauen für Mollari". Nachdem Londo beim Bankett zusammengebrochen ist, aktiviert John Sheridan seinen Kommunikator, um das Medlab zu verständigen. In der verpatzten Szene sagte Bruce Boxleitner dann allerdings: "Medlab, hier ist Sinclair." Doch war es wirklich ein Patzer? Peter David, der für die Episode das Drehbuch beisteuerte, hat da so seine Zweifel. Er erinnert sich daran, dass dies die erste Episode war, in der John C. Flinn III, seines Zeichens Stamm-Kameramann von "Babylon 5", Regie führte. Aus Gründen, die nicht in seinem Einflussbereich lagen, war man mit dem Zeitplan im Rückstand. Am letzten Drehtag nahmen die Verantwortlichen von Warner Bros. ausnahmsweise doch den langen Weg zur ehemaligen Badewannen-Fabrik auf sich, um mit ihrer Anwesenheit sicherzustellen, dass die Dreharbeiten plangemäß um Mitternacht abgeschlossen sein würden, und keine teuren Überstunden anfallen. In den wenigen verbleibenden Minuten wäre es John C. Flinn III jedoch nie gelungen, alle noch notwendigen Einstellungen der Szene in den Kasten zu bekommen. Peter David ist deshalb überzeugt, dass Bruce Boxleitner seine Großaufnahme absichtlich vermasselt hat – denn ihrem Hauptdarsteller konnten sie einen solchen Fauxpas ja schwer vorwerfen. Und durch eben diesen Versprecher bekam John C. Flinn III die eine (Über-)stunde, die er brauchte, um die restlichen Aufnahmen abzuschließen.

Apropos Peter David: Dieser war auch maßgeblich am ebenfalls erwähnenswerten Zwischenfall mit dem Bären verantwortlich. Natürlich kein echter, sondern ein Plüschbär mit Baseballkappe, auf dessen Shirt die Initialen JS gestickt waren. Dieser war ein Geschenk von Peter David an J. Michael Straczynski, der sich so dafür bedanken wollte, ein Drehbuch zur Serie beisteuern zu dürfen – nicht wissend, dass JMS niedliche Dinge hasst. Die Rache folgte auf dem Fuße: Im von Peter David geschriebenen Drehbuch zu "Minbari lügen nicht" gibt es ja die Nebenhandlung rund um den Souvenirshop, der auf Babylon 5 eröffnet. JMS fügte dem Drehbuch dann schließlich die Szene hinzu, wo Ivanova Sheridan den Bären (mit den Initialen JS für John Sheridan) zeigt, woraufhin dieser ihn in die Luftschleuse wirft, wo er dann schließlich von Keffer in seiner Starfury gefunden wird. Dies war jedoch noch nicht das Ende der Geschichte: Jahre später arbeiteten Peter David und Lennier-Darsteller Bill Mumy gemeinsam an der Serie "Space Cases". Dort stößt man in einer Episode auf einen ebensolchen Teddybären (aus lizenzrechtlichen Gründen allerdings ohne Shirt und Kappe), und in weiterer Folge klärt sich auf, dass die bösen Straczyn dahinterstecken. JMS wiederum versuchte daraufhin zurückzuschlagen, in dem er Peter David ein singendes Telegramm von einer Frau in einem Bärenkostüm zu einer Convention bestellte – was jedoch dadurch vereitelt wurde, dass dieser Auftritt letztendlich nicht vor Publikum, sondern nur in einem verlassenen Gang stattfand. Als dann jedoch zunehmend Gerüchte aufkamen, dass sich Peter David und J. Michael Straczynski nicht ausstehen könnten, und eine Convention sogar David nicht einladen wollte, da JMS ihr Stargast war, beschlossen schließlich beide, die scherzhafte Fehde zu beenden.

 Immer noch eine bessere Liebesgeschichte als 'Twilight' – auch ohne Sexszene.' Da wir gerade bei Scherzen und Conventions waren: Ein eben solcher sollte zum wohl bemerkenswertesten (Revanche-)Streich der Serie führen. Als sehr schüchtern-introvertierter Mensch tat sich JMS schon immer schwer, vor großem Publikum zu sprechen. Mittlerweile hat er sich zwar notgedrungen zunehmend daran gewöhnt, wirklich wohl fühlt er sich in solchen Situationen aber nach wie vor nicht. In den 90ern, wo er wegen Babylon 5 mehrere Auftritte absolvierte, war dies allerdings noch ungleich schlimmer. Man kann sich also seine Anspannung vorstellen, als er bei einer Convention auf die Bühne trat – und Totenstille herrschte. Kein Applaus, kein Jubel – gar keine Reaktion. So, als wäre gerade ein Mitarbeiter hochgekommen, um die Bühne für den nächsten Gast vorzubereiten. Er trat ans Mikrofon und stellte sich vor – immer noch nichts. Nervös begann er vor sich hinzuplappern – als auf einmal Peter Jurasik und Andreas Katsulas hinter der Bühne hervorkamen, und die Sache aufklärten: Sie hatten das Panel direkt davor, und dem Publikum aufgetragen, still zu sein, wenn JMS auf die Bühne kommt. In diesem Fall ließ sich Straczynski für die Rache ein paar Monate Zeit. Er wollte die beiden in Sicherheit wiegen, und sie der – falschen – Hoffnung hingeben lassen, er hätte in seinem Stress den Vorfall mittlerweile vergessen. Bis Anfang 1997 auf einmal alle das Drehbuch zu "Hinter den Kulissen" erhielten. Neben der bekannten Garibaldi/Edgars-Story gab es dort einen Handlungsstrang, in dem G'Kar eine – für sein Volk normale – Geschlechtsumwandlung durchlebt, woraufhin er und Londo schließlich zusammen im Bett landen. Eine der bekanntesten Textstellen daraus: "Du hast meine Welt erobert, Mollari. Doch mich hast du noch nicht erobert – bis jetzt!" Natürlich glaubten Katsulas und Jurasik sofort an einen Scherz, allerdings ging das Drehbuch eben nicht nur an sie beide, sondern an die gesamte Crew hinaus. Zudem versicherte JMS ihnen glaubhaft, dass er nicht die Zeit hätte, etwas zu schreiben, was sie dann nicht drehen würden. Erst in letzter Minute – als die Makeup-Abteilung begann, sich im Hinblick auf den weiblichen G'Kar Gedanken zu machen – schickte er die überarbeitete Version des Drehbuchs, ohne diesen Subplot, aus. Und was lernen wir daraus? Legt euch nie mit JMS an!


Rettung in letzter Sekunde Drei Jahre lang lief die Produktion von "Babylon 5" wie am Schnürchen. Trotz der sowohl örtlichen, als teilweise sogar wöchentlichen Unterschiede, was den genauen Ausstrahlungstermin auf dem Zusammenschluss mehrerer Lokalsender PTEN betraf, war die Serie erfolgreich genug, um in Verbindung mit dem stets eingehaltenen Budget Jahr für Jahr problemlos die Bestellung für die nächste Staffel zu erhalten. Zu Beginn des vierten Jahres erreichte JMS dann jedoch eine Hiobsbotschaft: Der Sender PTEN würde sich am Ende der kommenden TV-Saison wieder auflösen. Damit war "Babylon 5" seine Heimat los (um die Brücke zum Anfang des Artikels zu schlagen: Somit sollte sich die einjährige Pause zwischen Pilotfilm und erster Staffel eben doch wieder rächen; weil sonst wäre JMS mit der Serie noch problemlos fertig geworden). JMS und sein Produktionsteam mussten somit davon ausgehen, dass die vierte Staffel die letzte sein würde. Um die Fangemeinde für ihre langjährige Treue nicht mit einem Cliffhanger zu bestrafen, musste JMS somit seinen Fünfjahresplan ein bisschen komprimieren. Um jedoch ein für alle Mal mit einem sich bis zum heutigen Tag hartnäckig haltenden Irrglauben aufzuräumen: Nein, das bedeutet nicht, dass der Schattenkrieg ursprünglich die gesamte vierte Staffel eingenommen hätte. Es war schon immer geplant, dass dieser im ersten Drittel von Jahr vier sein Ende nehmen würde; eine Zäsur, die mit "Schatten am Horizont" (Staffel zwei, Episode neun) bzw. "Die Strafaktion" (Staffel drei, Episode zehn) vergleichbar gewesen wäre. "Das dritte Zeitalter" wäre wohl ein Zweiteiler geworden, und möglicherweise hätte es noch eine zusätzliche Episode gegeben, um den Handlungssträngen etwas mehr Luft zum Atmen zu lassen. Grundsätzlich war das Ende des Schattenkrieges jedoch immer schon in etwa zu diesem Zeitpunkt geplant. Der Rest der Staffel wäre dann sehr ähnlich abgelaufen, wobei sich JMS wohl nicht zuletzt für den Minbari-Bürgerkrieg etwas mehr Zeit genommen hätte. Zudem hätten ein bis zwei Einzelfolgen das Geschehen ein bisschen aufgelockert. In jedem Fall sah sein ursprünglicher Plan vor, die Staffel mit "Das Verhör" zu beenden. Somit wurde die für die Season geplante Handlung lediglich um vier Episoden gekürzt (bzw. komprimiert).

 Die von TNT für die fünfte Staffel erstellten Promo-Karten.' Dass die Serie letztendlich doch nicht direkt von "Die neue Allianz" in "Der Weg ins Licht" überging, und "Babylon 5" somit bereits nach vier Staffeln beendet gewesen wäre, ist TNT zu verdanken. Diese suchten damals nach jüngeren, hipperen Programmen, um ihr Angebot aufzulockern, und neue Zielgruppen anzusprechen. Die Entscheidung, "Babylon 5" weiterzuführen – und dabei JMS zugleich mit zwei neuen TV-Filmen zu beauftragen, sowie ihm die Möglichkeit zu geben, den Pilotfilm nochmal zu überarbeiten – fiel dann erst, nachdem die Dreharbeiten zur vierten Staffel bereits abgeschlossen waren. Da "Der Weg ins Licht" immer als Serienfinale gedacht war, wurde schließlich nach den beiden TV-Filmen zuerst gleich noch das neue Finale der vierten Staffel, "In hundert Jahren, in tausend Jahren", gedreht. Dieses nutzte JMS dann auch schon dazu, die Entwicklung rund um die Telepathen vorzubereiten, trotzdem hat letztendlich unter dieser späten Entscheidung wohl die fünfte Staffel mehr gelitten, als die vierte. Der noch laufende Erdbürgerkrieg hätte für einen deutlich flotteren und dramatischeren Einstieg in die Staffel gesorgt. Dieser hätte sich wohl ein bisschen länger hingezogen, parallel dazu hätte man den Handlungsstrang rund um die Telepathen gestartet. Das hätte einen deutlich überzeugenderen Auftakt ergeben, als so, wo JMS keine offenen Handlungsstränge mehr hatte, die er weitererzählen konnte, und somit die Geschichte nach der Vollbremsung mit Ende der vierten Staffel erst wieder von neuem zum Laufen bringen musste.

Doch die späte Rettung von "Babylon 5" war nicht der einzige Grund, warum die Serie zu Beginn der fünften Staffel etwas ins Straucheln geriet. So war insbesondere auch ein Malheur während JMS die Blackpool-Convention in England besuchte alles andere als hilfreich. Eben dorthin nahm er zur Vorbereitung auf die Produktion der fünften Staffel all seine Notizen mit, um abseits der Panels an dieser – und den Drehbüchern – zu arbeiten. Eine besonders motivierte Reinigungskraft hielt sein Gekritzel jedoch für Müll, und entsorgte die Unterlagen. Sämtliche Versuche, diese vielleicht doch noch irgendwo im Abfall aufzutreiben, blieben vergeblich. Und dann ist da natürlich auch noch der zu zuvor bereits erwähnte Ausstieg von Claudia Christian. Diesbezüglich gab es in all den Jahren, ja mittlerweile Jahrzehnten, einige widersprüchliche Aussagen. In etwa dürfte es sich damals allerdings so zugetragen haben: Alle Mitglieder der Hauptbesetzung hatten Verlängerungen ihrer Optionen für die fünfte Staffel unterzeichnet – nur nicht Claudia. Eine große Rolle dürfte dabei wohl nicht zuletzt die Tatsache gespielt haben, dass ihr die Rolle in einem TV-Film angeboten wurde. Zwar gab ihr JMS die mündliche Zusage, sie für die betreffende Zeit freizuspielen, der Sender wollte bzw. brauchte dies allerdings schriftlich. Zugleich wollte Claudia aber wie in den Vorjahren einen Vertrag für alle zweiundzwanzig Episoden, und nicht nur für achtzehn. Ihr dieses Zugeständnis zu machen, hätte jedoch eine höhere Gage pro Folge bedeutet, die man aufgrund der SGA-Vorschriften anteilig auch an den Rest der Stammbesetzung hätte weitergeben müssen, und eben dies hätte das Budget gesprengt. Bis zuletzt versuchte man während eben dieser gerade erwähnten, vermaledeiten Blackpool-Convention, sämtliche Darsteller bis zum Ablauf der Deadline, die just auf genau dieses Wochenende fiel, zur Unterschrift zu bewegen, doch im Falle von Claudia blieb dies erfolglos. Warner/TNT, die fix damit gerechnet hatten, dass die komplette Stammbesetzung zurückkehren würde, waren fuchsteufelswild, und zu keinen weiteren Verhandlungen bereit. Und so verlor JMS quasi in letzter Sekunde eine Figur, die insbesondere in der ersten Hälfte der fünften Staffel, genauer gesagt dem diese dominierenden Handlungsstrang rund um die Telepathen, eine entscheidende Rolle hätte spielen sollen. Welche genau, das wird – unter anderem – Thema des vierten Teils dieser Artikelreihe zur Entstehung von "Babylon 5" sein.


Quellen:
"Becoming Superman" (@ 2019 Synthetic Worlds)
Archive of American Television - Interview mit JMS
The Babylon Podcast
"Babylon 5: Season by Season - Vol. 1-5" (@ 1998-1999 Del Rey)
"Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski – Vol. 1-15" (@ 2005-2008 B5Books.com)
"Babylon 5: Other Voices - Vol. 1-3 (@ 2008 B5Books.com)

Bildquellen:
Bilder 1-5 @ Warner Television
Bild 6 @ Turner Broadcasting System


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