Die Entstehung von Babylon 5 - Teil 2: Ein Traum wird Wirklichkeit |
![]() Der erste Schritt Alles beginnt mit einer Idee. Oder, wie im Fall von Babylon 5, mit zwei. Im Sommer 1988 musste JMS, damals für die Neuauflage der SF-Anthologie-Serie "Twilight Zone" tätig, aufgrund eines Streiks der Gewerkschaft der Drehbuchautoren (ein solcher droht übrigens aktuell auch gerade wieder) die Arbeit an der besagten Serie einstellen. Er nutzte diese kreative Pause, um einige andere Ideen für Serien, die schon seit längerem in seinem Kopf herumschwirrten, weiterzuentwickeln. Dabei kristallisierten sich schon bald zwei Favoriten heraus, die ihm besonders interessant erschienen. Eine davon war eine Science Fiction-Serie auf einer Raumstation, der er den vorläufigen Titel "Babylon 5" gab. Diese sollte mit verhältnismäßig kleinem Cast und geringem Budget auskommen. Das Problem: Wie sollte man eine solche, auf einen einzigen Handlungsort und nur wenige Figuren beschränkte Serie auf Dauer interessant gestalten? Die zweite Idee war deutlich gewagter: Eine groß angelegte Weltraumsaga über einen interstellaren Krieg zwischen verschiedenen Spezies, die mehrere Jahre benötigen würde, um sie zu erzählen. Heutzutage wäre dies zwar aufgrund der deutlich höheren Budgets für TV-Serien kein grundsätzliches KO-Kriterium (vorausgesetzt, man findet jemandem, der stark genug an das Projekt glaubt, um es zu finanzieren), Ende der 80er/Anfang der 90er wäre eine solche groß angelegte Serie aber undenkbar gewesen. Die Lösung für dieses Dilemma sollte sich JMS dann schließlich offenbaren, als er eines Morgens in der Dusche stand (im Allgemeinen wohl grundsätzlich nicht der erste Ort, an dem man mit einer solchen Erleuchtung rechnen würde – für JMS aber tatsächlich nicht ungewöhnlich; wann auch immer er sowohl davor als auch danach kreativ in der Sackgasse steckte, schlief er gerne mal eine Nacht darüber, woraufhin ihm sich dann am nächsten Morgen in der Dusche nicht selten die Lösung für das Problem offenbarte): Denn als er dort über die angesprochenen Probleme der beiden Serienkonzepte nachdachte, erkannte er auf einmal, dass es sich dabei um ein und dieselbe Geschichte handelt. Plötzlich sah JMS, wie von einem Blitz getroffen, das Grundgerüst der Story vor sich, und stürmte – ohne sich mit unwesentlichen Details wie sich abzutrocknen aufzuhalten – aus der Dusche, um die wesentlichen Eckpfeiler des fünfjährigen Handlungsrahmens aufzuschreiben. Eben dieser Moment der Erkenntnis war die Geburtsstunde von "Babylon 5". Die Zukunft nimmt Gestalt an ![]() Eben dieses Konzept gefiel den beiden Produzenten sehr gut. Neben dem groß angelegten Handlungsrahmen überzeugte sie vor allem die Idee, die Geschichte auf einer Raumstation anzusiedeln – was im Vergleich zu einer Serie, wo Woche für Woche ein neuer Planet besucht wird, natürlich entsprechende Kosteneinsparungen mit sich bringen würde. Sofort erklärten sie sich dazu bereit, als ausführende Produzenten zu fungieren. Sie rieten JMS, ein Drehbuch zu einem sogenannten "Backdoor"-Pilotfilm zu schreiben, bei dem dessen Ratings darüber entscheiden, ob diesem eine Serie nachfolgt oder nicht. Zudem boten sie an, JMS dabei zu unterstützen, einen Käufer für die Serie zu finden – ein Prozess, der sich jedoch als deutlich schwieriger und langwieriger erweisen sollte, als es sich alle Beteiligten je hätten träumen lassen. Der erste Entwurf des Drehbuchs zum zweistündigen Pilotfilm wurde von JMS am 26. März 1989 fertig gestellt. Die offizielle Ankündigung, dass der Pilotfilm in Produktion gehen würde, kam am 20. November 1991. Die 2-1/2 Jahre dazwischen waren geprägt von schweren Verhandlungen, vielen Gesprächen, zahlreichen Ablehnungen und auch dem einen oder anderen gerissenen Geduldsfaden. Ein langer, steiniger Weg, der oftmals nur mehr wegen JMS' sturer Überzeugung weiterbeschritten wurde – und wo er und seine Mitstreiter immer wieder vor den drei gleichen Hürden standen. Unendliche Einfalt in unendlichen Variationen Der erste große Stolperstein beim Versuch, "Babylon 5" an ein TV-Studio zu verkaufen, war das Konzept an sich, bzw. das mangelnde Vorstellungsvermögen jener, denen er dieses präsentierte. Denn damals wie heute werden die Entscheidungen in Hollywood nicht von den kreativen Köpfen getroffen, sondern von den viel gescholtenen "Suits", also den Geschäftsleuten ("Anzugträgern"), denen es in erster Linie darum geht, aus einer Serie (oder einem Film) Profit zu schlagen. Eben diese hatten oftmals Schwierigkeiten, die Idee einer so großen Raumstation zu begreifen. Wann immer JMS das Wort "Raumstation" in den Mund nahm, dachten sie unweigerlich an die damalige russische Raumstation MIR, die im Vergleich zu "Babylon 5" nichts anderes ist als eine Tonne im Weltall. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen und den Geschäftsleuten ein besseres Bild davon vermitteln zu können, was genau er sich unter dieser Raumstation mit dem ominösen Namen "Babylon 5" vorstellte, beauftragte JMS den Designer Peter Ledger, der daraufhin einige Entwürfe für ihn anfertigte. Diese zeigten nicht nur eine erste Version des Babylon 5-Logos und einige der Figuren, sondern vor allem auch die Station selbst – sowohl von außen als auch von innen. Leider jedoch waren selbst diese netten Bilder nicht immer ein Garant dafür, dass die Anzugträger die Idee dahinter behirnten. Als Beweis dient vor allem eine Geschichte, die von JMS schon vielerorts erzählt wurde – und die ein gutes Bild davon abgibt, mit welcher Ignoranz er sich teilweise herumschlagen musste: Nachdem man bereits minutenlang über das Konzept der Station, die künstliche Schwerkraft etc. gesprochen hatte und JMS sein bestes tat, um die Idee und die Technik dahinter zu erklären, meldete sich plötzlich einer der Männer zu Wort. Sein Blick fiel gerade auf jenes Bild, das das Innere der Station zeigt, und auf die Menschen, welche die Station bevölkern – und sich im Innern über 360° verteilen. "Was hält sie da oben?", fragte der Mann. JMS, zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich genervt, rutschte daraufhin folgende Antwort heraus: "Superkleber". Nun sollte man meinen, der Geschäftsmann hätte ihn daraufhin erzürnt dazu aufgefordert, den Raum zu verlassen und sich nie wieder blicken zu lassen, stattdessen wendete er ernsthaft ein: "Na, das kann aber nicht funktionieren. Wie sollen sie sich denn bewegen, wenn sie alle an der Decke festgeklebt sind?" Ich denke, es erübrigt sich zu erwähnen, dass auch dieser Termin nicht den erhofften Erfolg brachte. Eine Frage des Geldes ![]() Seine Erfahrung im TV-Geschäft hatte ihm aufgezeigt, dass viele dieser Budgetüberschreitungen auf mangelnde Planung und Vorbereitung zurückzuführen war. Hauptverursacher war hier zumeist ein viel zu spät eintreffendes (oder im schlimmsten Fall sogar noch während der Dreharbeiten laufend umgeschriebenes) Drehbuch, was dazu führte, dass sämtliche Abteilungen – Setgestalter, Kostümbildner, Casting, Darsteller usw. – unter Zugzwang kamen, und die jeweilige Produktion dann entweder den dafür vorgesehenen Zeitrahmen überschritt, oder aber viele Überstunden anfielen; was beides den ursprünglich vorgesehenen Kostenrahmen unweigerlich sprengt. Eben diesem Problem wollte JMS durch eine sorgfältige Planung im Vorfeld – und vor allem: Drehbüchern, die konstant zwei bis drei Wochen vor Beginn der Dreharbeiten fertiggestellt sind – einen Riegel vorschieben. Auch die Idee, die Handlung auf einer Raumstation anzusiedeln, sollte dazu beitragen, dass die Serie mit vertretbarem Budget produziert werden kann; denn da man nicht Woche für Woche einen neuen Planeten besuchen wollte, mussten auch nicht ständig neue Sets produziert werden. Das letzte Ass im Ärmel waren dann schließlich die computergenerierten Effekte, mit denen JMS bereits bei "Captain Power" Erfahrung sammeln konnte. Diese steckten zwar erst in den Kinderschuhen und waren Ende der 80er noch keinesfalls so weit, um für einen vernünftigen Preis groß angelegte Effekte fürs Kino zu erschaffen, doch JMS war davon überzeugt, dass die Technologie für den Einsatz am TV-Schirm, wo im Vergleich zur Kinoleinwand natürlich eine viel geringere Auflösung benötigt wird, bereit war. Eine Person, die diese Ansicht teilte, war Ron Thornton, Chef der Firma "Foundation Imaging", die auch bereits die Effekte zu "Captain Power" beigesteuert hatte. Dieser setzte sich hinter seinen Amiga mit angeschlossenem Videotoaster und animierte mit Hilfe des Programms Lightwave 3D eine 30-sekündige Sequenz mit der fertigen Station, die selbst JMS Erwartungen bei weitem übertraf. Und obwohl es sich bei CGI um eine noch relativ neue Technologie handelte, die noch in den Kinderschuhen steckte, war es entschieden billiger, die Effekte auf diese Art und Weise zu produzieren, als auf die gute alte Methode mit Modellen, Kameras etc. zurückzugreifen. Mit seinem Kosteneinsparungskonzept und den CGI-Effekten im Gepäck, konnte JMS zumindest einige Bedenken bezüglich des Budgets zerstreuen – doch damit verblieb immer noch ein großer Stolperstein, der sich fast als unüberwindbare Hürde erwiesen hätte. Der Weltraum, endliche Weiten… ![]() Viele dieser Probleme waren auch hausgemacht. So fehlte es manchen der Produzenten dieser Serien am nötigen Respekt gegenüber dem Genre bzw. dessen Fans. JMS selbst wunderte sich immer wieder über Aussagen, die im Endeffekt darauf hinausliefen: Zeige den SF-Fans Strahlenpistolen, Raumschiffe und Roboter, und sie sind glücklich. Die Handlung muss nicht anspruchsvoll sein und auch nicht Sinn ergeben – bei Science Fiction ist ja ohnehin alles möglich. Eine Fehleinschätzung, die dazu führte, dass viele Fans der jeweiligen Serie rasch den Rücken kehrten; für die TV-Bosse waren all diese Fälle letztendlich aber nur weitere Belege dafür, dass Science Fiction Nischenunterhaltung ist, deren eingeschränkter Zuschauerkreis durch "Star Trek" bereits ausreichend bedient sei. Und so tingelten JMS, Doug Netter und John Copeland mit ihrem Konzept einer neuen, groß angelegten Weltraumserie mit den Titel "Babylon 5" von Studio zu Studio, versuchten sie davon zu überzeugen, dass sie es anders und besser machen würden als die Leute zuvor, und dass der mangelnde Erfolg von Science Fiction im Fernsehen abseits von "Star Trek" nicht an den Fans, sondern an den Serien an sich liegt. Lange Zeit war eben dies vergeblich. Die lange Liste der Fernsehsender bzw. Fernsehstudios, die ihnen eine Absage erteilten, umfasst unter anderem ABC, HBO, CBS, Fox und auch die Star Trek-Heimat Paramount. Danach wurde JMS von seinem Agenten förmlich angefleht, sich von dieser fixen Idee zu trennen, hätte er doch in der Zwischenzeit schon locker 3 Mainstream-Serien verkaufen können, doch JMS bliebt hart. Eine Sturheit, die sich zuletzt doch noch bezahlt machen sollte. Die unter Schmerzen geborene Zukunft ![]() Da sich JMS diese möglicherweise letzte Chance nicht entgehen lassen sollte, biss er – diesmal nur im sprichwörtlichen Sinne – die Zähne zusammen, und packte ein paar Eiswürfel in seinen Mund, um die Schmerzen zumindest ein bisschen zu dämpfen. Das Eis führte dann zwar dazu, dass Mund und Zunge teilweise taub wurden, weshalb er sich dem versammelten Team nur schwer verständlich machen konnte. Letztendlich sollten sich die jahrelange Vorbereitung, die Erfahrung aus den ganzen früheren (vergeblichen) Meetings, die Konzeptzeichnungen von Peter Ledger, die 30-sekündige CGI-Demo von Ron Thornton, das angedachte Produktionsmodell, die Tatsache, wie weit fortgeschritten die Planung zur Serie im Vergleich zu anderen "pitches" war (lagen doch schon ein Pilotfilm und eine grobe Fünfjahresplanung vor) und eben auch JMS Sturheit und Einsatz (gerade auch im Hinblick auf den gebrochenen Zahn) doch noch auszahlen. Wohl nicht zuletzt auch deshalb, als sich unter den Anwesenden auch eine Person befand, die an der gescheiterten "V"-Serie beteiligt war, und erkannte, dass JMS sich für viele der Probleme, welche diese Produktion plagten und zur Kostenexplosion und schließlich auch der Absetzung führten, vernünftige Lösungen überlegt hatte. Und so wurde von Warner/PTEN die Produktion des Pilotfilms mit dem Titel "Die Zusammenkunft" offiziell in Auftrag gegeben, und "Babylon 5" dazu auserkoren, neben der – kurzlebigen und damit die Vorurteile gegenüber Science Fiction-Serien abseits von "Star Trek" eben doch wieder bestätigenden – Zeitreise-Serie "Time Trax" die Speerspitze des Unterhaltungsprogramms dieser Vereinigung von Lokalsendern zu bilden. "Babylon 5", der langgehegte Traum, schien endlich Wirklichkeit zu werden. Bis eine Hiobsbotschaft aus dem Hause Paramount fast doch noch das Ende der Geschichte von "Babylon 5" bedeutet hätte, bevor diese so richtig begonnen hat. Das Imperium schlägt zurück ![]() Auch Warner waren die Ähnlichkeiten nur allzu bewusst. Kurz stand sogar eine Klage im Raum, allerdings warnte man JMS davor, dass sich ein solcher Prozess rund um einen Plagiatsvorwurf Jahre hinziehen, und dabei zumindest das vorläufige Ende für beide Projekte bedeuten würde. Angesichts des ungewissen Ausgangs einer solchen Klage, vor allem aber der möglicherweise einmaligen und letzten Gelegenheit, seinen Traum doch noch zu verwirklichen, schluckte JMS schließlich seinen Ärger (und Stolz) hinunter, und beschloss, einfach weiterzumachen. Etwas, dass ihm nicht zuletzt auch deshalb in weiterer Folge nicht gerade leicht gefallen sein dürfte, als die Ähnlichkeiten zwischen beiden Serien nicht beim Pilotfilm aufhörten, sondern sich letztendlich durch die gesamte Serie zogen. So kommt es in beiden zu einem großen Krieg verschiedener Fraktionen, der letztendlich auf die Intervention zweier mächtiger Gruppen (Schatten und Vorlonen auf der einen, Pah-Geister und Propheten auf der anderen Seite) zurückgehen. Mit am Auffälligsten ist aber sicherlich, dass man sich bei "Deep Space Nine" in weiterer Folge zunehmend vom Vorbild einer fortlaufenden Handlung inspirieren ließ (etwas, dass es bei TNG zwar in rudimentärer Form mit einzelnen Storylines auch schon gegeben haben mag, aber eben nie in dieser Intensität). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die kreativen Köpfe hinter DS9 bis heute jegliche Beeinflussung abstreiten – und selbst JMS diese nicht für verantwortlich hält. Er ist jedoch davon überzeugt, dass die Entscheidungsträger über ihnen DS9 ganz bewusst so nah wie möglich an B5 heranführten, um dem Konkurrenten das Wasser abzutragen – wobei es dabei letztendlich weniger um den Wettstreit zwischen "Babylon 5" und "Star Trek", als vielmehr den Networks PTEN und UPN, ging. ![]() Quellen: "Becoming Superman" (@ 2019 Synthetic Worlds) Archive of American Television - Interview mit JMS Wikipedia The Wertzone Tor.com Bildquellen: Bild 1 @ Landmark Entertainment Group Bild 2 @ Peter Ledger Bild 3 @ Warner Television Bild 3 @ Warner Television Bild 5 @ Paramount Bild 6 @ Warner Television << 30 Jahre Babylon 5 - SPECiAL
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