Doctor Who - 14x07: Boom
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Episodenbild (c) Disney+

Originaltitel:Boom
Episodennummer: 14x07
Bewertung:
Weltweite Internet-VÖ: 18. Mai 2024 (Disney+)
Drehbuch: Steven Moffat
Regie: Julie Anne Robinson
Besetzung: Ncuti Gatwa als The Doctor, Millie Gibson als Ruby Sunday, Joe Anderson als John Francis Vater, Caoilinn Springall als Splice Alison Vater, Varada Sethu als Mundy Flynn, Majid Mehdizadeh-Valoujerdy als Carson, Bhav Joshi als Canterbury James Olliphant, Susan Twist als Ambulance u.a.

Kurzinhalt: Die TARDIS materialisiert auf dem Planeten Kastarion 3. Dort finden sich der Doktor und Ruby Sunday auf einem futuristischen Schlachtfeld wieder. Dort tritt der Doktor schließlich auf eine Landmine. Er kann gerade noch so verhindern, dass diese ausgelöst wird, darf sich nun allerdings weder bewegen, noch aufregen, da sowohl eine Beschleunigung des Herzschlag als auch ein erhöhter Adrenalinlevel zur Explosion führen würde. Und angesichts der Energie des Timelords würde dies nicht nur den Tod des Doktors bedeuten, sondern auch den halben Planeten zerstören. Mit Rubys Hilfe gelingt es ihm zwar immerhin, sein zweites Bein wieder auf den Boden zu bekommen, dabei verliert er aber nicht nur einiges an Spielraum im Hinblick auf die Zündung, man kommt zudem allein damit einer Lösung des eigentlichen Problems keinen Schritt näher. Als man kurz darauf auf eine Soldatin trifft, wird klar, dass dem Doktor selbst wenn er Ruhe bewahrt nicht viel Zeit bleibt, da eine Automatik spätestens in wenigen Minuten zur Explosion führen würde. Unter engstem Zeitdruck versucht der Doktor mit Hilfe von Ruby, sowie einem kleinen Mädchen, das gerade erst im Krieg ihren Vater verloren hat, einen Weg aus der Misere zu finden…


Review (kann Spoiler enthalten): Episodenbild (c) Disney+ Wow. Gerade als ich dabei war, meinen Glauben an die neueste Inkarnation von "Doctor Who" zu verlieren, kommt mit "Boom" eine Episode daher, die für mich jetzt schon zu den Klassikern von "New Who" zu zählen ist. Der kleine Haken an der Sache: Für diese zeichnete sich nicht etwa der aktuelle Showrunner Russell T. Davies (der "New Who" eins begründete) verantwortlich, sondern vielmehr Steven Moffat, der bereits für dessen erste Ära einzelne Drehbücher beigesteuert hatte, und schließlich von diesem als Showrunner übernahm. Mit "Boom" ist ihm eine – weitere – großartige Episode gelungen, die für mich jetzt schon mit zum besten zählt, dass man uns bei "New Who" beschert hat. Was dabei von Anfang an hervorsticht (und auch besticht) ist, wie düster die Folge geraten ist. Der Kontrast zu den überwiegend knallbunten und quietschvergnügten letzten drei Episoden (wobei mit der Tristesse der Welt ohne Musik zuletzt eh auch schon einzelne dunklere Elemente Einzug erhielten) ist derart stark, dass man sich fast schon in einer anderen Serie wähnen könnte.

Bereits die ersten Szenen auf dem Schlachtfeld sind extrem bedrückend. Wir sehen die beiden Soldaten, von denen einer an den Augen schwer verletzt wurde. Sein Kamerad versucht ihn ins Schiff zu schaffen, dabei müssen sie jedoch vermeiden, sowohl dem (vermeintlichen) unsichtbaren Feind, als auch den Sanitäterdroiden in die Hände zu fallen. Letzteres wirkt im ersten Moment ziemlich unlogisch – bis sein Kamerad auf eine Mine tritt (womit man deren Funktionsweise auch perfekt für den Rest der Episode etabliert), und John Francis Vater nach einem letzten Gespräch mit seiner Tochter Splice von einer ebensolchen Ambulanzdroiden entdeckt und – aufgrund der negativen Kosten-Nutzen-Rechnung im Hinblick auf die Zeit und die Ressourcen, die man in seine Heilung stecken müsste – von dieser in den "Ruhestand" geschickt wird. Bedeutet in diesem Fall, dass sein Körper auf einen kleinen Stab komprimiert wird, auf dem neben seiner Dienstakte auch eine von ihm vor dem Einsatz aufgezeichnete Nachricht an seine nächsten Angehörigen – eben seine Tochter – gespeichert wird. Begleitet wird der Prozess von "thoughts and prayers", dem klassischen (und zuletzt – in meinen Augen zurecht – zunehmend als leere Geste verhöhnten) Motto insbesondere aus dem konservativen Eck, wenn es wieder mal zu einer vermeidbaren Tragödie (wie z.B. ein Schulmassaker) kommt. Allein in diesem Teaser steckt mehr an (Gesellschafts-)Kritik und Ideen, als in den ersten drei Episoden (wo Davies nicht über ein banales "Die Welt braucht Musik" nicht hinausgekommen ist) zusammengenommen – und dabei stehen wir da erst noch am Anfang. So richtig dreht "Boom" dann nämlich eigentlich erst auf, wenn der Doktor auf die Mine tritt, und dieser durch Inaktivität vorzugaukeln versucht, dass sich kein Lebewesen auf ihr befindet.

Episodenbild (c) Disney+ Was daraufhin entbrennt, war einfach nur famos. Angefangen bei der Kritik an sinnlosen Kriegen (und wie dabei Leben verheizt werden), die hier vor allem dann laut wird, wenn sich herausstellt, dass auf Kastaroin 3 gar kein Feind existiert, den man kämpfen könnte, sondern man nur einem KI-Algorithmus folgt. Damit sind wir eben auch schon beim nächsten Thema, denn auch mit künstlicher Intelligenz setzt sich "Boom" sehr kritisch auseinander. Dann kommt alles rund um die Firma Villengard, ein Waffenproduzent, der an diesem inszenierten Krieg sehr gut verdient. Und dann sind da noch die religionskritischen Töne, die mich (wie regelmäßige Leser:innen meiner Reviews wohl nicht überraschen sollte) ebenfalls enorm angesprochen haben. Schon allein, wenn Ruby meint, "Since when was the Church an army?" und der Doktor das kalt mit "Since most of your history. You've been living in a blip." quittiert. Aber auch gegenüber blindem Glauben und/oder Gehorsam äußert man sich kritisch ("Faith! The magic word that keeps you never having to think for yourself." – Wow!) – jedoch zugleich mit dem Glauben des Doktors am Ende einen solchen auch nicht vollends verteufelt.

Vor allem aber war "Boom" ungemein dramatisch und spannend. Letzteres ist umso beachtlicher, als uns natürlich rationaler Ebene bewusst ist, dass die Mine nicht explodieren wird/kann; trotzdem gelingt es der Regisseurin "Julie Anne Robinson" (die hier deutlich glücklicher agiert als bei "Weltraumbabys") zusammen mit Komponist Murray Gold, für eine düster-bedrückende Stimmung zu sorgen. Vor allem aber ist es der Wahnsinnsperformance von Ncuti Gatwa zu verdanken, dass sich die Anspannung des Doktors 1:1 auf die Zuschauer:innen überträgt. Bereits in den letzten Episoden war der aktuelle Doktor für mich ja der größte Lichtblick, was Gatwa hier zeigte, war aber einfach nur phänomenal. Mit seinem ungemein intensiven Schauspiel lässt er uns an sämtlichen Emotionen die der Doktor durchlebt – Angst, Verzweiflung, Trauer, Zorn, aber auch Sorge und Mitgefühl – teilhaben. Es ist vor allem seine Performance, die "Boom" so mitreißend macht. Trotz allen Lobs gibt es auch ein paar Punkte zu kritisieren, die für mich dann auch knapp die Höchstwertung verhindert. So waren die Effekte nicht immer ganz makellos, und sah der Planetenhintergrund teilweise etwas künstlich aus. Unsicher bin ich mir auch, ob man das die Staffel dominierende Mysterium rund um Rubys Herkunft in dieser ohnehin schon thematisch sehr vollgepackten Episode auch nochmal ansprechen musste (auch wenn mir die Art und Weise, wie dies hier geschah, durchaus gefiel). Vor allem aber bin ich mir nicht sicher, ob mich die Lösung für das Problem – mit den mentalen Überresten des Vaters, der die KI wie ein Virus befällt– 100%ig überzeugt hat. Und auch für seinen Gruß hätte man sich etwas besseres einfallen lassen können als "kiss kiss". Mit der wunderschönen letzten Szene – mit dem optisch netten Sonnenaufgang, sowie den berührenden Worten von Splice über ihren Vater ("He's just dead, he's not gone"; ein wirklich schöner Gedanke), und dem Phillip Larkin-Zitat, verabschiedet sich "Boom" dann aber wieder "on a high note".

Fazit: Episodenbild (c) Disney+ Nach drei sehr coolen Jubiläumsspecials, danach jedoch den drei (mich) doch eher enttäuschenden ersten regulären Abenteuern des jüngsten Doktors eilt der ehemalige Showrunner Steven Moffat dem sowohl ehemaligen als auch aktuellen Showrunner Russell T. Davies zur Rettung. Und das auf deutlich bessere Art und Weise, als dies in der Folge selbst im Hinblick auf die "Ambulanz" geschieht. "Boom" war – man verzeihe mir das Wortspiel – einfach nur ein Knaller, und die beste "Doctor Who"-Folge seit langem. Extrem düster, hochdramatisch, ungemein packend, und getragen von einer unheimlich intensiven Performance von Ncuti Gatwa. Neben der bedrückenden Stimmung hatte es mir aber vor allem auch der Inhalt der Episode angetan, nutzt Moffat die Gelegenheit doch für einige sehr kritische Töne rund um Krieg, Künstliche Intelligenz, und Religion/Glauben. "Boom" hat deutlich mehr zu sagen, als die bisherigen von Davies beigesteuerten Episoden zusammengenommen – und macht dies vor allem auch deutlich besser, als es zu 99% der Chibnall-Ära der Fall war. Trotz kleinerer Kritikpunkte, welche die Höchstwertung knapp verhindern, zählt "Boom" für mich jetzt schon zu den ganz großen Klassikern von "New Who".

Wertung: 4.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2024 Disney+)







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