True Detective - 2x04: Alles geht nieder
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Episodenbild (c) HBO

Originaltitel: Down Will Come
Episodennummer: 2x04
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 12. Juli 2015
Erstausstrahlung D: 08. Oktober 2015
Drehbuch: Nic Pizzolatto
Regie: Jeremy Podeswa
Hauptdarsteller: Colin Farrell als Ray Velcoro, Rachel McAdams als Ani Bezzerides, Taylor Kitsch als Paul Woodrugh, Vince Vaughn als Frank Semyon, Kelly Reilly als Jordan Semyon.
Gastdarsteller: David Morse als Elliot Bezzerides, Leven Rambin als Athena Bezzerides, Ritchie Coster als Austin Chessani, Emily Rios als Betty Chessani, W. Earl Brown als Teague Dixon, Afemo Omilami als William Holloway, James Frain als Kevin Burris, Alex Fernandez als James O'Neal, Micheal Irby als Elvis Ilinca, James Christopher Baker als Blake Churchman, Chris Kerson als Nails, Andy Mackenzie als Ivar, Arthur Darbinyan als Leonid, Jack Topalian als Armin, Adria Arjona als Emily, Gabriel Luna als Miguel Gilb, Abigail Spencer als Gena Brune, Trevor Larcom als Chad Velcoro, Alain Uy als Ernst Bodine, Cesar Garsia als Ledo Amarilla u.a.

Kurzinhalt: Frank klappert nach wie vor alle möglichen Gangster, Drogendealer und sonstige frühere Geschäftspartner ab, um so rasch als möglich das nötige Geld zusammenzukratzen, um den Eisenbahndeal doch noch umsetzen zu können. Paul erlebt indes gleich mehrere, überwiegend unwillkommene, Überraschungen auf einmal. So wacht er nach einer durchzechten Nacht in Miguels Apartment auf, vor seinem Hotel löchern ihn Reporter mit Fragen ob der durch die Söldnerfirma, für die er früher gearbeitet hat, begangene Kriegsverbrechen, sein Motorrad wurde gestohlen, und in einem Café offenbart ihm seine Ex-Freundin, dass sie von ihm schwanger ist. Ani Bezzerides sieht sich mit einer internen Untersuchung wegen sexueller Belästigung eines Untergebenen sowie mit Anfragen ob ihrer Spielschulden konfrontiert. Und Ray Velcoro erhält von Frank das Angebot, der Polizei den Rücken zu kehren und direkt für ihn zu arbeiten. Doch auch im Fall rund um den Mord an Ben Caspere macht die Sondereinheit wieder große Fortschritte: Ein ortsbekanntes Gangmitglied hat dessen Uhr bei einem Pfandleiher verkauft. Daraufhin rückt man mit einem Einsatzteam aus, um dieser ersten konkreten Spur auf den Täter nachzugehen. Doch der Einsatz mündet in einem Desaster…

Review: Episodenbild (c) HBO Beginnen wir mit dem meines Erachtens nach wie vor schwächsten Handlungsstrang der zweiten Staffel, zumindest bislang: Denn alles rund um Frank konnte mich leider neuerlich nicht wirklich packen. Nach wie vor klappert er beim Versuch, das nötige Geld rechtzeitig zusammenzukratzen, einen früheren Geschäftspartner nach dem anderen ab, wirklich interessant oder gar packend fand ich jedoch keine dieser Szenen. Im Gegenteil, gerade auch sein Besuch in der Bäckerei wartete mit einer von zwei Dialogzeilen auf, die mir in dieser Episode negativ hervorstachen, nämlich seine Litanei darüber, wie er – trotz seines Zuckers im Kaffee – noch nie auch nur Karies bekommen hätte. Es sollte wohl hart rüberkommen, wirkte auf mich aber einfach nur verkrampft und bemüht. Andererseits bin ich unschlüssig, ob es nicht eben genau so rüberkommen sollte, und Frank eben deutlich mehr Möchtegern- als Gangster ist, und längst nicht so hart, wie er das selbst gern von sich glauben würde. Auch die bislang erfolglosen Fortpflanzungsversuche drücken auf sein Ego, auch wenn seine Frau hier nun meint, sich sicher zu sein, dass es an ihr liegen würde. Zumindest ich war mir dabei jedoch nicht 100%ig sicher, ob sie hier die Wahrheit sagt, oder ihren Mann nur aufmuntern will.

Insgesamt ist mir jedenfalls nach wie vor nicht klar, warum Nick Pizzolatto meint, uns – quasi als Gegenstück zur Ermittlung der Cops – in Franks Gangsterwelt eintauchen zu lassen. Wenn wir parallel, im Columbo-Stil, die Erlebnisse des Täters im von ihnen ermittelten Fall verfolgen würden, könnte dies einen bestimmten Reiz haben, doch Frank ist ja letztendlich ebenfalls Opfer jener Kriminellen, die sie verfolgen. Ich vermute mal, dass die Handlungsstränge der Cops sowie von Frank spätestens in der letzten Folge zusammenlaufen werden. Vielleicht verbündet man sich ja sogar gegen die Drahtzieher der Verschwörung. Noch kann ich aber nicht wirklich absehen, wo sich das ganze hinbewegen wird, und vor allem auch, warum mich Franks Handlungsstrang kümmern sollte. Den Cop-Stories ergeht es da schon wesentlich besser. Anis Besuch bei ihrer Schwester wartete zwar mit dem zweiten Augenroll-Dialogzitat der Folge auf ("Those moments, they stare back at you. You don’t remember them, they remember you." – Lebensweisheiten auf nichtssagendem Glückskeks-Niveau), umso besser gefiel mir dafür die Szene bei ihrem Chef, wo sich herausstellt, dass der Polizist dem sie in der letzten Folge einen Korb gegeben hat sich für diese ihn in seiner Männlichkeit verletzenden Zurückweisung nun dafür rächt, in dem er offiziell Beschwerde wegen sexuellem Fehlverhalten eingereicht hat – immerhin ist er ihr Untergebener. Und auch der Bürgermeister scheint, wie angedroht, zurückzuschlagen, soll es doch eine Untersuchung wegen ihrer Spielschulden geben. Ray Velcoro rückt im Vergleich zu den letzten Folgen wieder etwas stärker in den Hintergrund, bekommt jedoch zumindest eine kurze, versöhnliche Szene mit seinem Sohn spendiert. Und Franks Angebot an ihn, die Polizeimarke in die Schublade zu legen und in Zukunft lieber für ihn zu arbeiten, könnte angesichts der Ereignisse am Ende schon bald nochmal große Bedeutung zukommen.

Episodenbild (c) HBO Der interessanteste Nebenstrang gehörte aber Paul, der in "Alles geht nieder" keinen guten Tag erwischt. So unangenehm es für ihn auch war, von der Presse verfolgt zu werden (Rays darauffolgendes Zitat eines Journalisten ihm gegenüber – "I'd rather be wrong and first than right and second" – macht aus Nic Pizzolattos Abneigung gegenüber Teile dieser Profession keinen Hehl), und so sehr ihn der Diebstahl seines Motorrads auch geärgert haben mag, am schlimmsten war für ihn wohl, dass er sich, nachdem er in Miguels Apartment aufwacht, neuerlich der von ihm verdrängten homosexuellen Neigung stellen muss. Da kommt ihm die Offenbarung seiner Exfreundin, sie sei schwanger, gerade recht. Wie ein nach einem Grashalm greifender Ertrinkender klammert er sich an diese vermeintlich letzte Chance auf das, was er für ein normales Leben hält. Er stürzt sich förmlich auf diese Neuigkeit, und macht ihr sofort einen Antrag. Natürlich aus den völlig falschen Gründen, und als Zuschauer ist einem bewusst, wie fehlgeleitet – und potentiell fatal – diese Entscheidung ist. Und auch seine nun Verlobte wirkt alles andere als begeistert. Für Paul bot diese vermeintliche Normalität jedoch einen Anker, und das just zu einer Zeit (bzw. einem Tag), wo sein Leben zunehmend außer Kontrolle zu geraten schien.

Außer Kontrolle geraten ist dann auch genau das richtige Stichwort, um sich der größten Stärke dieser Episode und der bislang wohl beeindruckendsten Szene der zweiten "True Detective"-Staffel zuzuwenden. Zwar nicht ganz so technisch eindrucksvoll wie die 10-minüte Einstellung ohne (erkenntlichen) Schnitt am Ende von "Who Goes There", der vierten Folge der ersten Staffel, die doch noch etwas mehr Punch und Wow-Effekt mitbrachte, war das nichtsdestotrotz eindrucksvolle Sequenz, die neben ihrer Brutalität und dem "Heat"-Gedächtnis-Flair in erster Linie damit bestach, wie sie die Entwicklung der drei Hauptfiguren vorantreibt bzw. etwas über sie aussagt. Ani macht als Teamleiterin das Beste aus einer zunehmend beschissenen Situation. Man merkt, dass ihr die Tatsache, wie hier alles außer Kontrolle gerät, nahegeht, doch sie nimmt sich zusammen und zeigt sich der Situation gewachsen. Zugleich ist davon auszugehen, dass sie nach diesem Debakel – für das man ihr wohl nur zu gerne die Schuld in die Schuhe schieben wird – wenn schon nicht gänzlich suspendiert so doch zumindest die Leitung über die Sondereinheit verlieren wird (außer natürlich, die Interne, die es ja auf Ray Velcoro abgesehen hat, macht ihr ein Angebot, ihn als Sündenbock hinzustellen, indem sie behauptet, er habe die Information weitergegeben). Ray wiederum zeigt sich von den Ereignissen hier erschüttert, und dürfte, nachdem er dem Tod hier nun in kurzer Zeit zum zweiten Mal ein Schnippchen geschlagen hat, Franks Jobangebot ernstlich in Betracht ziehen. Am interessantesten war es jedoch, Pauls Wandel zu beobachten: Denn so souverän und mit sich im Reinen wie am Ende, wo er sich quasi neuerlich in Kriegsgebiet befand, haben wir den Straßenpolizisten bislang innerhalb der Serie noch nie gesehen. Etwas irritiert war ich einzig und allein davon, dass "Alles geht nieder" den Eindruck vermittelte, dass just die drei Hauptfiguren die einzigen Überlebenden des Massakers waren, während alle anderen Polizisten wie die Fliegen – oder Rothemden – gestorben sind. Das darf man dann ruhig etwas konstruiert und unglaubwürdig finden. Davon abgesehen war die Schießerei am Ende für mich aber der bisherige Höhepunkt der Staffel.

Fazit: Episodenbild (c) HBO Die ersten 45 Minuten boten wieder einen soliden Mix aus Ermittlungen und Charakterszenen; noch nicht sonderlich begeisternd, aber soweit ganz unterhaltsam. Neben zwei etwas aufgesetzt wirkenden Szenen bzw. Dialogen fiel für mich in erster Linie wieder einmal alles rund um Frank ab; der Sinn seines Handlungsstrangs erschließt sich mir jedenfalls nach wie vor nicht wirklich. Alles rund um Ani und Ray war soweit gut, besonders angetan war ich aber von der Handlung rund um Paul, dem hier – durch seine schwangere Ex-Freundin – eine weitere Chance auf jenes "normale" Leben, dass er seiner Ansicht nach führen sollte, geboten wird. Letztendlich wurde all dies jedoch von der wilden, brutalen und teils schockierenden Schießerei in den letzten 10 Minuten – die wohl nicht von ungefähr an eine ähnliche Szene aus "Heat" erinnerte – überschattet. Zwar nicht ganz so eindrucksvoll und technisch brillant wie der Single Take-Überfall aus Staffel 1, war das eine ungemein energiegeladene Sequenz, die mich vor allem auch dadurch begeisterte, da sie nicht nur oberflächliche Action bot, sondern über die Art und Weise, wie die drei Hauptfiguren damit umgehen, einiges über sie als Charakter verriet. Und die Frage, ob bzw. wie es nach diesem Debakel mit den Ermittlungen nun weitergehen wird, lässt mich die nächste Folge schon wieder neugierig erwarten.


Wertung: 3.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2015 HBO)




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