Sherlock: Ein Fall in Pink
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Originaltitel: A Study in Pink
Episodennummer: 1x01
Bewertung:
Erstausstrahlung UK: 25.07.2010
Erstausstrahlung D: 24.07.2011 (ARD)
Drehbuch: Steven Moffat
Regie: Paul McGuigan
Kamera: Steve Lawes
Musik: David Arnold und Michael Price
Hauptdarsteller: Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes, Martin Freeman als Dr. John Watson
Gastdarsteller: Rupert Graves als Inspektor Lestrade, Una Stubbs als Mrs. Hudson, Mark Gatiss als Mycroft Holmes, Louise Brealey als Molly Hooper, Vinette Robinson als Sergeant Sally Donovan, Philip Davis als Jeff, Jonathan Aris als Anderson, Lisa McAllister als Anthea, Tanya Moodie als Ella, Siobhan Hewlett als Helen, William Scott-Masson als Sir Jeffrey Patterson, Victoria Wicks als Margatet Patterson, Sean Young als Gary, James Duncan als Jimmy

Kurzinhalt: Der Militärarzt Dr. Watson ist mit einer Kriegsverletzung aus Afghanistan zurückgekehrt, und nun auf der Suche nach einer Wohnung. Ein Freund weißt ihn darauf hin, dass zufälligerweise eine andere Person gerade einen Mitbewohner für sein Apartment in 221b Baker Street sucht: Sherlock Holmes. Dieser entpuppt sich bereits beim ersten Zusammentreffen als schräger und eigenwilliger, aber genialer Detektiv, der für die Polizei bei besonders kniffligen Fällen in beratender Funktion tätig ist. Schon bald hat Inspektor Lestrade eine neue Aufgabe für ihn: Eine Reihe geheimnisvoller Selbstmorde gibt der Polizei Rätsel auf – da es zwischen den Personen, von der Todesart abgesehen, keine Verbindung zu geben scheint. Gemeinsam mit Dr. Watson macht sich Sherlock Holmes auf, Licht in die mysteriösen Todesfälle zu bringen…

Review: ImageMit Sherlock Holmes hat Sir Arthur Conan Doyle einen der beliebtesten – und dienstältesten – Detektive der Literatur-, Film- und Fernsehgeschichte erschaffen. Ich selbst zähle mich bereits seit meiner Kindheit zu seinen Fans, und habe die Neuauflagen des Haffmanns-Verlags mit werksgetreuer Übersetzung als Jugendlicher verschlungen. Zwar schätze ich auch die Krimis von Agatha Christie sehr und mag vor allem auch ihren Hercule Poirot (während ich mich mit moderneren Krimi-helden zugegebenermaßen noch nicht so wirklich beschäftigt habe), doch an Holmes kam und kommt für mich nach wie vor nichts heran (ja nicht mal der herrlich schrullige und von mir ebenfalls hochgeschätzte Columbo). Sowohl auf der kleinen als auch der großen Leinwand gab es bereits einige Interpretation der Figur und ihrer Fälle. Erst vor etwa 1-1/2 Jahren sorgte Guy Ritchie mit seiner Version für Furore – und klingende Kinokassen.

Mein persönlicher Favorit wird wohl immer die englische Serie mit Jeremy Brett bleiben, die ab Mitte der 80er entstanden ist. Die Inszenierung holte zwar schon damals keine alte Oma mehr vor dem Ofen hervor, aber die schauspielerischen Leistungen – vor allem von Brett – waren grandios; zudem waren es extrem werkgetreue Verfilmungen. Allerdings gibt es auch viele, die auf die Verfilmungen aus den späten 30ern/frühen 40ern des vorangegangenen Jahrhunderts schwören, in denen Basil Rathbone in die Rolle des schrullig-genialen Detektivs geschlüpft ist. Rathbone ist toll, keine Frage, aber zwei Dinge haben mich an den damaligen Filmen schon immer gestört. Erstens begann man leider dort mit der Darstellung von Dr. Watson als stümperhaften Pausenclown (was spätere Verfilmungen leider maßgeblich geprägt und das Bild der Figur in den Augen der Öffentlichkeit lange Zeit erfolgreich verfälscht hat), andererseits verlagerte man das Geschehen ab dem 3. Film der Reihe in die – damalige – Gegenwart. Ein Schritt, mit dem ich mich nie so recht anfreunden konnte – und das nicht nur, weil am Ende des Falls oftmals eine aufdringliche Message zum 2. Weltkrieg platziert wurde. Sherlock Holmes gehört für mich einfach in das viktorianische London. Dachte ich zumindest…

ImageAufgrund dieser Einstellung war ich lange Zeit sehr skeptisch, was diese Neuinterpretation des Stoffes betrifft. Sherlock Holmes in der Gegenwart? Kann das denn überhaupt funktionieren? Es half zugegebenermaßen sicherlich nicht, dass ich vor Ewigkeiten mal zufällig über eine Komödie gestolpert bin, in der der Sherlock Holmes aus dem späten 18. Jahrhundert – aus welchem weit hergeholten Grund auch immer – in "unserer" Zeit (die 80er) gelandet ist; denn die war absolut grauenhaft. Doch selbst davon abgesehen konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie eine solch "historische" Figur wie Sherlock Holmes in unserer modernen Welt funktionieren soll. Als jedoch die Stimmen, welche die BBC-Serie in höchsten Tönen lobten immer lauter und zahlreicher wurden, und sich auch immer mehr alteingesessene und eingefleischte Holmes-Fans diesem Jubelschrei anschlossen, beschloss ich, dass es dann doch einmal an der Zeit ist, dieser Serie eine Chance zu geben und mir die englische Blu Ray zu bestellen. Und sie da: Sie hatten recht. Es funktioniert tatsächlich!

Hauptgrund dafür ist sicherlich, dass sich hier eine Reihe von talentierten Leuten sowohl vor als auch hinter der Kamera zusammengefunden haben, welche Sherlock Holmes zwar einerseits eine Frischzellenkur verpassen, dabei jedoch andererseits darauf achten, den Figuren treu zu bleiben, und diese nicht einfach nur als Werbeschilder und/oder Quotenfänger zu missbrauchen. Trotz des Settings im modernen London ist diese Interpretation von den "Doctor Who"-Autoren Mark Gatiss (der auch selbst in einer kleinen Rolle zu sehen ist) und Steven Moffat werksgetreuer als so manche Version zuvor – unter anderem (meines Erachtens) auch jene von Guy Ritchie, so gelungen und unterhaltsam ich sie grundsätzlich auch finden mag. Denn was die beiden erkannt haben ist, dass der Kern der Geschichte nicht in der Umgebung steckt, in der sie spielt, sondern in den Figuren, von der sie erzählt. Der in unseren Breiten bisher eher unbekannte Benedict Cumberbatch brilliert als zwar brillanter, aber ebenso problemgebeutelter und richtiggehend getriebener Sherlock Holmes. Und wie schon Jude Law zuvor so lässt auch Martin Freeman bei seinem Dr. Watson die in vielen früheren Verfilmungen erfundene, tollpatschig-verblödete Seite der Figur dankenswerterweise hinter sich, und spielt ihn genau so wie er sein soll: Ein fähiger Doktor, der sich nach Abenteuern sehnt, und ein treuer Gefährte…

ImageDie anderen Schauspieler und –innen sind ebenfalls gut ausgewählt, aber es sind in erster Linie diese beiden, welche die schwere Last auf ihren Schultern tragen, diese wohlbekannten Figuren erfolgreich und glaubwürdig ins neue Jahrtausend zu befördern. Hilfe erhalten sie dabei vom flotten und gewitzten Drehbuch, das mit zahlreichen grandiosen Dialogen und Szenen gespickt ist und ihnen die Gelegenheit gibt, ihre Figuren so richtig zum Leben zu erwecken. Die Handlung entwickelt sich angenehm schnell und wendungsreich, jedoch ohne dabei überhastet zu wirken. Eine der größten Stärken ist aber definitiv die ungemein hochwertige Inszenierung. "Ein Fall in Pink" sieht meines Erachtens teilweise sogar besser aus als der Kinofilm von Guy Ritchie. Vor allem eines der hervorstechendsten Merkmale, nämlich die eingeblendeten Hinweise, die uns einen Einblick in Holmes Gedanken ermöglichen, sind ein wahrer Geniestreich. Hier wird endlich nicht einfach nur die Geschichte in Bildern erzählt, stattdessen reizt man die Möglichkeiten des optischen Mediums Film (bzw. Fernsehen) so richtig aus und wertet die Handlung damit ungemein auf.

Trotz meiner Begeisterung kann ich den Machern – insbesondere Drehbuchautor Steven Moffat – einen Kritikpunkt nicht ersparen. Denn wenn es einen Schwachpunkt gibt, dann ist es die Auflösung der Motivation des Täters. Während er in der Vorlage in der Tat auf Rache aus ist (daher auch das entsprechende mit Blut geschriebene Wort, welches im Roman an der Wand, und nicht am Boden, geschrieben ist), und es auf ganz bestimmte Personen abgesehen hat, sucht er seine Opfer hier willkürlich aus, wodurch das große "Aha!"-Erlebnis am Ende fehlt. Auch das mit dem Hinweis rund um Rache bzw. Rachel (der im Vergleich zur Vorlage genau verdreht wurde; dort meint Lestrade, das Opfer wollte wohl Rachel schreiben, und wird von Sherlock ob seiner Einfalt gescholten; hier ist's genau umgekehrt) fand ich nur bedingt überzeugend. Dadurch, dass die Motivation des Täters hier etwas konstruiert erscheint und man diese wohl nur bedingt nachvollziehen kann (in der Vorlage erleben wir in einer langen Rückblende, was ihn zu dieser Tat getrieben hat, und empfinden am Ende sogar richtiggehend Mitleid mit ihm), verliert das ganze doch etwas an emotionaler Wirkung. Dies ist aber wirklich nur ein kleiner Kritikpunkt und soll niemanden davon abschrecken, dieser höchst innovativen und einfallsreichen Neuinterpretation der Figur Sherlock Holmes eine Chance zu geben!

Fazit: ImageIch gebe unumwunden zu, ich war ungemein skeptisch, ob die Figur Sherlock Holmes im modernen London funktionieren kann – doch "Ein Fall in Pink" hat mich eines besseren belehrt. Benedict Cumberbatch ist es praktisch auf Anhieb gelungen, sich in meiner Holmes-Skala auf den dritten Platz (nach Jeremy Brett und Basil Rathbone) zu setzen, und ich schließe nicht aus, dass er sich bis zum Ende der Serie noch auf den 2. Platz vorgearbeitet hat. Martin Freeman ist als Watson nicht minder grandios, und trifft meines Erachtens den Charakter wirklich perfekt. Neben den beiden perfekt gecasteten Hauptdarstellern bzw. generell der bis zur kleinsten Rolle gelungenen Besetzung sticht vor allem die hochwertige Inszenierung von Paul McGuigan überaus positiv hervor. Nicht nur fängt er das moderne London sehr gut ein und sorgt für eine temporeiche, jedoch nie überhastete Erzählung der Geschichte, vor allem auch der Einfall, Holmes' Gedankengänge durch Einblendungen darzustellen, war ein Geniestreich. Originell, witzig, temporeich, innovativ… der moderne "Sherlock" hat mich jetzt schon überzeugt!


Wertung: 4.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © BBC One / ARD)




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Kommentare (2)
RSS Kommentare
1. 25.07.2011 12:09
 
Hallo Christian, 
Der Rachel-Hinweis wurde schon aufgeklärt, wirkte aber leider auf mich sehr konstruiert. 
Rachel war das Passwort des Opfers zu irgendeinem online-dingens mit dem man ihr Handy, das sie absichtlich im Wagen gelassen hatte, verfolgen konnte. 
Beste Grüße 
Chris
 
2. 25.07.2011 20:56
 
Hi Hawks!
Danke für den Hinweis. Hab mir "Ein Fall in Pink" gestern auch nochmal auf Deutsch angesehen, und hatte es nun auch endlich kapiert (und das Review entsprechend überarbeitet). Mir gehts da so wie dir: Sonderlich überzeugend fand ich das nicht. Weniger, dass man ihr Handy damit finden kann (einen ähnlichen Dienst habe ich im Falle eines iPhone-Verlustes nämlich auch eingerichtet), als dass sie diesen Hinweis mit ihren Fingernägeln in den Boden kratzt und sich darauf verlässt, dass a) der Täter das Handy bei sich behält und b) jemand ihre E-Mail-Adresse in Erfahrung bringt und checkt, dass es sich bei Rachel wohl um das Passwort zur Ortung des Handys handeln muss. Wäre ein "cab" nicht ein deutlich verlässlicherer Hinweis gewesen? Egal... mich konnte "Sherlock" auch bei der Zweitsichtung (und auf Deutsch) wieder begeistern :)
 

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