Projekt Morgenröte
Eine Geschichte über die Eroberung des Mars Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 30 Januar 2024
 
Titel: "Projekt: Morgenröte"
Originaltitel: "The Sands of Mars"
Bewertung:
Autor: Arthur C. Clarke
Übersetzung: Herbert Roch
Umfang: 245 Seiten
Verlag: Heyne (D), Gateway (E)
Veröffentlicht: 1951 (E, Erstauflage)
ISBN: 978-3-641-11627-9 (D), 978-1-4732-2236-6 (E)
Kaufen: Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Die Menschheit hat damit begonnen, das Weltall zu erobern. Der Science Fiction-Autor Martin Gibson wird dazu eingeladen, die Crew des Raumschiffs Ares auf ihrer Reise zum Mars – auf dem mittlerweile eine Kolonie der Menschheit eingerichtet wurde – zu begleiten, und der Welt von seinem Abenteuer zu berichten. Der dreimonatige Flug zum roten Planeten verläuft dabei – von wenigen Ausnahmen abgesehen, welche die Langeweile unterbrechen – sehr unspektakulär und eintönig. Umso begeisterter ist er dann, als das Schiff endlich landet, und er seine ersten Fußspuren in den Sand vom Mars setzt. In den darauffolgenden Wochen lernt er einige wichtige Personen der Kolonie kennen – nicht zuletzt deren Leiter Warren Hadfield – und beginnt als Teil einer Expedition auch, die Geheimnisse des Mars zu erkunden. Dabei stößt man nicht nur auf einheimische Pflanzen, sondern auch Lebewesen, die an Kängurus erinnern. Schließlich fühlt sich Martin auf dem roten Planeten derart heimisch, dass er erwägt, für immer auf dem Mars zu bleiben. Nur eins bereitet ihm Kopfzerbrechen: Denn zunehmend hat er das untrügliche Gefühl, dass Hadfield und seine Getreuen ein großes Geheimnis vor ihm verbergen…

Review: Nachdem ich im letzten Jahr "Rendezvous mit Rama" (sowie die drei Nachfolgebände, die zwar auch Arthur C. Clarke angerechnet werden, wo für mich aber sehr eindeutig war, dass diese in erster Linie dem Geist von Gentry Lee entstammten – und die ich als absolut minderwertige und unwürdige Fortsetzungen betrachtete) und die "Odyssee"-Quadrilogie gelesen habe – ersteren zum ersten, letztere zum zweiten Mal – möchte ich heuer meine Reise durch die Bibliographie dieses visionären Science Fiction-Autors fortsetzen. Den Anfang macht sein allererster Roman "Projekt Morgenröte", in dem er von der Besiedelung des Mars erzählt. Was ich an solchen älteren Science Fiction-Romanen, die eine aus heutiger Sicht veraltete Zukunftsvision schildern, unter anderem so schätze, ist es, die phantastischen Vorstellungen der Autoren mit der Realität zu vergleichen. Das gilt für die betreffenden Werke von Jules Verne und H.G. Wells ebenso, wie eben für Arthur C. Clarke, der sich Mitte des vorangegangenen Jahrhunderts anschickte, in ihre Fußstapfen zu treten. Im Vergleich zu seinen literarischen Vorgängern hatte Clarke dabei den Vorteil, dass wir zu diesem Zeitpunkt immerhin schon etwas mehr über unseren Nachbarplaneten wussten. Zugleich ist sein Roman aber zu einem Zeitpunkt entstanden, als es uns noch nicht gelungen war, diesen zu besuchen, und so die Oberfläche näher zu erkunden. Daraus ergeben sich ein paar eindeutige Widersprüche zu dem, was wir seither über den roten Planeten gelernt haben; am auffälligsten ist dabei zweifellos die Entdeckung von Pflanzen und sogar tierischem Leben auf dem Mars. Mich persönlich stören solche Widersprüche allerdings nicht im Geringsten; im Gegenteil, denn selbst mit dem heutigen Wissen erfreue ich mich an der Phantasie, welche die Autoren zu einem Zeitpunkt, wo sie auf nicht viel anderes zurückgreifen konnten als auf eben diese, an den Tag legten. So wie bei seinen Vorgängern waren die Schilderungen von Arthur C. Clarke rund um den roten Planeten jedenfalls dazu geneigt, die Phantasie seiner Leserinnen und Leser anzuregen.

Davon abgesehen ist in erster Linie offenkundig, dass Arthur C. Clarke, so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und dem damit einhergehenden hoffnungsvollen Gefühl – noch dazu an einem Punkt, wo die Menschheit langsam begann, ihre Fühler in Richtung Weltraum auszustrecken – im Hinblick auf die Zukunft der Raumfahrt doch etwas zu optimistisch war (gleiches gilt natürlich auch für den rund fünfzehn Jahre später in Zusammenarbeit mit Stanley Kubrick entstandenen "2001 - Odyssee im Weltraum"). Mindestens so spannend wie jene Aspekte, wo Clarke zu optimistisch war, finde ich aber auch jene, wo er im Hinblick auf den technologischen Stand wiederum zu pessimistisch war – da bestimmte technologische Fortschritte selbst für einen Visionär wie Clarke zur Mitte des letzten Jahrhunderts nicht absehbar waren. So werden in "Projekt Morgenröte" z.B. noch klassische Schreibmaschinen und Fotokameras mit Filmrollen verwendet. Die digitale Revolution war Anfang der 50er – im Vergleich eben zum vermeintlich kurz bevorstehenden Aufbruch zu den Sternen – eben noch nicht absehbar. In jedem Fall finde ich es immer enorm spannend und reizvoll, zu lesen, wie sich Science Fiction-Autor:innen vor Jahrzehnten die Zukunft vorgestellt haben. Aber auch von diesem Aspekt abgesehen hat mich "Projekt Morgenröte" gut unterhalten. Dass der Flug zum Mars selbst relativ ereignislos verläuft, fand ich dabei angenehm erfrischend; zumal Clarke mit einzelnen Ereignissen wie der Rettung der Rakete dann doch für Abwechslung sorgt. Zudem nutzt er die Gelegenheit – während handlungstechnisch noch nicht so viel passiert – uns die Figuren vorzustellen. Und nicht zuletzt dadurch, dass er die ereignislosen Passagen überspringt, sorgt er dafür, dass sich die Langeweile, die Passagier Gibson bei einem Großteil des Flugs verspürt hat, nicht auf den Leser überträgt.

So richtig dreht "Projekt Morgenröte" dann aber nach Gibsons Ankunft auf dem Mars auf. Wie gesagt, die seither gewonnenen Erkenntnisse rund um unseren Nachbarplaneten strafen Clarkes Phantasie teilweise Lügen, das machte seine Vision des roten Planeten für mich aber um nichts weniger faszinierend. Zudem sorgt Clarke dann auch mit dem offenkundigen Geheimprojekt – welches auch den deutschen Titel lieferte – zwischendurch immer wieder für Spannung. Wenn er dann am Ende schließlich offenbart, worum es sich genau handelt, war dies von Clarke wohl als triumphaler Moment gedacht (spannend ist in dieser Hinsicht zweifellos auch die Parallele zu "2010"). Mich ließ die Idee, dass die Menschheit – und genau genommen ja nicht einmal die Menschheit an sich, als vielmehr die autokratische Elite der Kolonie – einen derartigen Eingriff in die Natur des Sonnensystems tätigt, nur um den Mars für sich schneller bewohnbar zu machen, aber eher erschaudern. Zu Clarkes Verteidigung muss man aber natürlich festhalten, dass die Zeit, in der er den Roman geschrieben hat, im Hinblick auf die Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf die Umwelt noch eine sehr unschuldige war, und die Schilderung hier letztendlich auch einfach seinem offenkundigen optimistisch-fortschrittlichen Weltbild geschuldet ist. So oder so gelang es diesem Moment in meinem Fall aber halt nicht, die von Clarke gewünschte Wirkung zu entfalten. Mein zweiter Kritikpunkt betrifft eine bestimmte Wendung, die derart offensichtlich war, dass ich mich beim entsprechenden Gespräch zwischen Gibson und Spencer noch wunderte, wie entspannt Clarke damit umgeht. Nur um erst viele Seiten später zu bemerken, dass der Leser es zu diesem Zeitpunkt eigentlich – so wie auch die Figuren – noch gar nicht schnallen sollte. Für meinen Geschmack hätte er auch damit anders umgehen sollen. Und auch die Liebesgeschichte, die wir noch dazu ohnehin nur am Rande mitverfolgen, empfand ich als doch eher überflüssig. Dafür fand ich es im Vergleich zu seinen mir bislang bekannten späteren Werken erstaunlich, wie ausführlich und teilweise fast schon liebevoll er sich den Figuren widmet – wirkten diese bei "Rendezvous mit Rama" sowie der "Odyssee"-Reihe auf mich doch eher wie ein Mittel zum Zweck. Hier hingegen halten sich die Charaktermomente und die Science Fiction- und Mystery-Elemente ziemlich die Waage.

Fazit: Nachdem er bereits einige Kurzgeschichten verfasst hatte, veröffentlichte Arthur C. Clarke anno 1951 schließlich seinen ersten Roman. "Projekt Morgenröte" erweist sich dabei als wunderbar optimistischer und phantasievoller Ausblick in die Zukunft des Sonnensystems und der Menschheit. So wie schon bei seinen Vorgängern im Geiste (u.a. Jules Verne und H.G. Wells) fand ich dabei nicht zuletzt die Unterschiede zwischen der hier präsentierten Vision und der tatsächlichen Zukunft – bzw. Gegenwart – sehr spannend. Aber auch zu sehen, wie sich Arthur C. Clarke mit dem damaligen Stand der Wissenschaft den Mars vorgestellt hat, war faszinierend. Und im Vergleich zu seinen späteren Werken geht hier auch die Betrachtung einer möglichen Zukunft der Menschheit bzw. des Sonnensystems – und der Wunder, die uns dort erwarten – auch nicht auf Kosten der Figuren. Die Offenbarung des titelspendenden Projekts hat mich dann zwar eher in Schrecken statt (wie von Clarke gedacht) ins Staunen versetzt. Die Romanze zwischen Spencer und der Tochter von Hadfield fand ich doch eher unnötig. Vor allem aber war eine bestimmte Offenbarung derart offenkundig, dass ich nicht glauben konnte, wie lange Clarke braucht, bis er die diesbezüglichen Karten endlich auf den Tisch legt. Insgesamt hat mich "Projekt Morgenröte" aber durchwegs gut unterhalten, und stellenweise richtiggehend fasziniert.

Bewertung: 3.5/5 Punkten
Christian Siegel
(Cover © 2019 Gateway)





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