Odyssee 2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen
Romanfortsetzung zum Film, nicht dem Buch Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 21 Oktober 2023
 
Titel: "Odyssee 2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen"
Originaltitel: "2010: Odyssey Two"
Bewertung:
Autor: Arthur C. Clarke
Übersetzung: Irene Holicki
Umfang: 335 Seiten (E, inkl. Vor- und Nachwort)
Verlag: Heyne (D), Ballantine Books (E)
Veröffentlicht: Dezember 1982 (E)
ISBN: 978-3-641-11681-1 (D), 978-0-345-30306-6 (E)
Kaufen: Sammelband (D), Kindle (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Ein paar Jahre nach der gescheiterten Discovery-Mission wendet sich ein Wissenschaftler der russischen Raumfahrtbehörde an Dr. Heywood Floyd. Die Russen haben herausgefunden, dass der Orbit der Discovery nicht mehr stabil ist, und das Schiff in die Atmosphäre von Jupiter stürzen wird. Die Rettungsmission der Amerikaner – mit der Discovery II – wird jedoch erst in Monaten startbereit sein. Die Russen wiederum haben das Problem, die Discovery zwar rechtzeitig erreichen zu können, ihnen aber das nötige Wissen fehlt, um das Schiff wieder in Betrieb zu nehmen. Man einigt sich daraufhin auf eine gemeinsame Mission, und drei Amerikaner – Floyd, der Ingenieur Dr. Walter Curnow, sowie Dr. Chandra, der Schöpfer von HAL – werden dazu auserkoren, die russische Mannschaft auf ihrem Flug zu begleiten. Im Orbit von Jupiter angekommen gilt es, herauszufinden, warum die Discovery-Mission gescheitert ist, wieso HAL einen Großteil der Crew getötet hat, und was mit dem Astronauten David Bowman – dem einzigen Überlebenden von HALs Mordserie – geschah…

Review: Zugegeben, "2001: Odyssee im Weltraum" (gemeint ist in diesem Fall der Film) ist sicherlich nicht für jedermann bzw. -frau. Er ist ein extrem eigenwilliger, langsam erzählter, stellenweise unangenehmer, und vor allem höchst geheimnisvoller Film. "Der ultimative Trip", wie es damals beworben wurde. Doch auch wenn es jene gibt, die mit ihm nicht viel anfangen können, so hat er sowohl zum Kinostart als auch in den folgenden Jahren (und Jahrzehnten) unzählige Menschen fasziniert. Wohl auch mehr, als dies Arthur C. Clarkes parallel veröffentlichten Romanversion verdankt war. Dies ist dann auch der Grund, warum Clarke bei seiner Fortsetzung zu "2001" eine doch ziemlich seltsame Entscheidung traf: Obwohl im gleichen Medium wie sein Vorgänger erzählt, knüpft sein "2010"-Roman letztendlich nicht an diesem, sondern vielmehr an den Film an. Da die beiden im Wesentlichen die selbe Geschichte erzählt haben, ist das grundsätzlich kein großes Drama. Dennoch: Wenn man die Bücher wo sie ich hintereinander liest ist es doch ziemlich irritierend, hier auf einmal Momente referenziert zu sehen, die nur im Film, nicht jedoch im Roman stattgefunden haben. Der größte Unterschied ist aber natürlich, dass die Discovery im Buch Richtung Saturn, im Film jedoch gen Jupiter aufgebrochen ist. Auch hier folgt Clarke der Erzählung aus Stanley Kubricks Film. All dies macht deutlich, dass sich "Odyssee 2010" letztendlich mehr an die Kenner des Films denn des Buchs richtet. Clarke wollte hier eine deutlich größere Leserschaft als bei seinem Vorgänger erreichen, und all jene, die vom Film zwar fasziniert, zugleich aber auch verwirrt waren, Antworten auf ihre größten Fragen liefern (wobei er auch einzelne Details wiederholt, die bereits aus seinem "2001"-Roman, nicht jedoch dem Film, hervorgegangen sind; wie z.B. der Grund für HALs Verhalten). Ob er damit Erfolg hatte, darf insofern bezweifelt werden, als es nicht lange dauerte, bis auch "2010" fürs Kino umgesetzt wurde (wobei es diesmal, im Vergleich zum Vorgänger, kein paralleler – und kooperativer – Prozess war, weil das Buch zu dem Zeitpunkt schon fertig und auf dem Markt war). Man darf davon ausgehen: Jene, die schon nach "2001" trotz all ihrer offenen Fragen das Buch scheuten, dürften wohl auch bei "2010" eher dem Film den Vorzug gegeben haben.

Sei's wie's sei: So wie auch die ziemlich werkgetreue Verfilmung von Peter Hyams erweist sich auch der Roman als dem Original zwar unterlegene, aber nichtsdestotrotz gelungene Fortführung. Der größte Haken im Vergleich zum Film-Vorgänger ist dabei sicherlich, dass dieser nicht zuletzt vom Unerklärlichen und dem Mysterium gelebt hat, während hier alles bis ins kleinste Detail erklärt wird. Trotzdem weiß die Geschichte grundsätzlich zu gefallen. "Odyssee 2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen" dringt dabei vor allem auch tiefer in die Mythologie rund um den Monolithen ein, und lässt die Menschen vor allem auch einen dessen Hauptzwecke – nämlich intelligentem Leben im All auf die Sprünge zu helfen – unmittelbar erleben. Aber auch die Konstellation rund um die gemischte Leonov-Crew führt zu einigen gelungenen Momenten; wobei im Vergleich zum Film die politischen Spannungen zwischen Russland und den USA auf der Erde fehlen, und dadurch auch an Bord der Leonov einiges an Druck herausgenommen wird. Generell muss ich gestehen, dass mir gerade auch der politische Aspekt – Peter Hyams nutzte die Geschichte für eine warnende Message rund um eine mögliche Eskalation des Kalten Krieges – doch ein bisschen abgegangen ist (dementsprechend fehlen hier bei der abschließenden Nachricht auch die Worte "Use them together, use them in peace", die bei mir als ich den Film als Jugendlicher das erste Mal gesehen habe enormen Eindruck hinterlassen hatten). Zusammen mit den hier natürlich fehlenden Spezialeffekten (die sich meines Erachtens bis heute enorm gut gehalten haben) ist dies der Hauptgrund, dass mir auch hier der Film eine Spur besser gefällt als der Roman. Trotzdem weiß die Geschichte zu gefallen, unterhalten, und stellenweise auch zu faszinieren. Mein Lieblingsteil kam dabei ziemlich genau in der Mitte, nämlich rund um die Rückkehr von David Bowman, der sich Clarke hier deutlich ausführlicher widmet, als dies im Film der Fall ist. Und auch den Epilog, der 20.000 Jahre später auf Europa angesiedelt ist (was im Film nur ganz zart angedeutet wird), fand ich enorm faszinierend. Trotzdem: An seinen Vorgänger kam Arthur C. Clarke mit "2010" nicht mehr ganz heran.

Fazit: "Odyssee 2010" ist keine Fortsetzung von Arthur C. Clarkes Roman, sondern vielmehr des Films "2001 – Odyssee im Weltraum". Eine zweifellos recht kuriose Entscheidung, die einen vor allem wenn man die Bücher hintereinander liest doch etwas irritiert. Davon abgesehen gilt beim Buch grundsätzlich das gleiche wie bei seiner Verfilmung von Peter Hyams: An den einzigartigen, faszinierenden Vorgänger kommt "2010" zwar nicht mehr heran, dennoch ist er eine gelungene, interessant und würdige Fortsetzung. Im direkten Vergleich zum Film vermisste ich allerdings die politische Ebene rund um einen drohenden Krieg zwischen USA und Russland; dafür geht Clarke rund um Bowmans Rückkehr mehr ins Detail – was zusammen mit dem faszinierenden Epilog 20.000 Jahre in der Zukunft mein Lieblingsteil des Buchs war. Jedenfalls: Wer Arthur C. Clarkes Vorgänger mochte – der ja ebenfalls schon nicht mehr so geheimnisvoll war, wie der Film – den sollte auch "Odyssee 2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen" ansprechen.

Bewertung: 3.5/5 Punkten
Christian Siegel
(Cover © 2014 Heyne)





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