Indiana Jones und der Tempel des Todes
James Kahn adaptiert das Indy-Prequel Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 02 September 2023
 
Titel: "Indiana Jones und der Tempel des Todes"
Originaltitel: "Indiana Jones and the Temple of Doom"
Bewertung:
Autor: James Kahn
Übersetzung: Tony Westermayr
Umfang: 216 Seiten (E)
Verlag: Blanvalet (D), Del Rey (E)
Veröffentlicht: 1984 (E)
ISBN: 978-3-4423-7089-2 (D, Sammelband), 978-0-435-31457-4 (E)
Kaufen: Taschenbuch (D, Sammelband), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Shanghai 1935: Bei einem Handel mit dem Gauner Lao Che kommt Dr. Henry "Indiana" Jones (Jr.) gerade noch so mit dem Leben davon. Mit dem Straßenjungen Short Round sowie der Sängerin Willie Scott im Schlepptau, landet er nach einem Flugzeugabsturz in einem abgelegenen Dorf in Indien. Dessen Bewohner sind davon überzeugt, verflucht zu sein, seitdem ihr heiliger Stein vom nahegelegenen Pankhot-Palast gestohlen wurde. Seither leiden sie unter Dürre; zudem sind ihre Kinder verschwunden. Als einer von ihnen extrem geschwächt und völlig abgemagert zurückkehrt, erkennt Indy, dass die Kinder zu Sklavenarbeit verpflichtet werden – und das ist etwas, dass er definitiv nicht dulden kann und will. Und so bricht er – sehr zum Missfallen insbesondere von Willie – zum Pankhot-Palast auf, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen, dass der menschenverachtende Thuggee-Kult – der die Göttin Kali anbetet – dorthin zurückgekehrt ist…

Review: So ca. im ersten Drittel machte James Kahns Adaption von "Tempel des Todes" einen überaus guten, und insgesamt sogar stärkeren Eindruck als Campbell Blacks Romanversion des ersten Indy-Abenteuers. Nicht nur erklärt er die Musical-Einlage – Willie stellt sich halt einfach vor, sie wäre in einem Hollywood-Film – er baut auch sehr gut auf den Ereignissen aus dem Film auf, und gibt ihnen mehr Tiefe. Zudem fand ich insbesondere die Einblicke ins Innenleben von Willie und Short Round (zu diesem Zeitpunkt noch) sehr interessant. Mit eben diesen schafft er es, den im Film doch etwas eindimensionalen Charakteren mehr Profil zu geben. Und auch zusätzliche Informationen im Vergleich zum Film, z.B. was die Vergangenheit von Willie und Short Round (bei letzterem unter anderem auch, wie dieser Indy kennengelernt hat), bereichern die Filmvorlage für mich. Und dann ist da noch James Kahns sehr gewitzter Schreibstil, der mir insbesondere in diesem Teil des Romans noch ausgesprochen gut gefallen konnte. Leider aber beginnt es ab der Ankunft in Indien langsam zu drehen. Ein Aspekt ist sicherlich, dass die Story von Tempel des Todes zwar grundsätzlich durchaus interessant ist (und man es nicht zuletzt als Pluspunkt sehen kann, dass man sich von "Jäger des verlorenen Schatzes" stark abgewandt hat, und in eine gänzlich andere Richtung geht – und damit auch den Eindruck einer simplen Kopie zu vermeiden), sie aber halt nicht ganz so zu packen versteht wie der Kampf gegen die Nazis im ersten Film. Generell merkt man vor allem in der zweiten Hälfte es Romans, wie dünn die Story eigentlich ist. James Kahn tut zwar sein möglichstes, um die Ereignisse aus den Film immer wieder mal zu vertiefen und zu erweitern; dies gilt insbesondere für jenen Teil, wo Indys von Kalis Blut besessen ist. Bedauerlicherweise lässt er eben damit aber dann just im letzten Drittel nach. Hier belässt er es größtenteils bei einer Nacherzählung der Filmereignisse, und hier reckt dann auch das Problem all dieser Adaptionen von Action- oder Abenteuerfilmen zunehmend sein Haupt, dass Action immer auf der Leinwand packender sein wird, als auf dem Papier.

Generell schlugen für mich einige Aspekte, die noch als Stärken begonnen haben, mit der Zeit zu Schwächen um. So passt Kahns gewitzt-ironischer Schreibstil zwar noch zu Beginn, ab der Zeremonie im Tempel des Todes spießt es sich aber mit den durchaus düsteren Vorgängen. Darüber hinaus fällt ihm irgendwann nichts mehr an neuen Facetten im Hinblick auf die Figuren ein, weshalb er einfach vieles immer wieder wiederholt; dies gilt insbesondere für Short Round. Keine Ahnung, wie oft dieser daran denkt, dass ihn Indy nach Amerika bringen wird; oder, für mich noch störender, wie häufig er irgendeinem Gott für etwas dankt. Das wurde mit der Zeit doch eher mühsam. Angesichts der Tatsache, wie sehr er sich dem Innenleben von Willie und Short Round widmet, fällt zudem zunehmend unangenehm auf, dass uns just die Gedanken und Gefühle der Hauptfigur selbst größtenteils verborgen bleiben. Dies ist im vorliegenden Fall insofern ganz besonders schade, als Indiana Jones in "Tempel des Todes" die wohl größte Entwicklung aus allen Filmen durchmacht. Er beginnt die Reise nach Pankhot ja eigentlich als Suche nach Reichtum und Ruhm; nur um den Stamm am Ende eben doch den Sankara-Stein zu überlassen. Gerade auch diese Entwicklung hätte viel Potential besessen – welches Kahn leider ungenutzt verstreichen lässt. Wie gesagt, es gibt Ausnahmen: So widmet er sich wie schon erwähnt dem besessenen Indy ziemlich ausführlich – aber das ist eben wiederum nicht der echte Indy, weshalb es keine Einblicke/Erkenntnisse im Hinblick auf seine Persönlichkeit gibt. Und an jenen anderen Stellen, wo er uns an seinen Gedanken teilhaben lässt – wie beim Hin- und Her rund um Willie und allfällige nächtliche Aktivitäten, kennen wir diese aufgrund der Selbstgespräche der beiden eh schon. Und so bleibt Indiana Jones selbst letztendlich das größte Mysterium des "Tempel des Todes"-Romans, und das noch weit vor der Macht der Sankara-Steine.

Fazit: James Kahns Romanversion von "Indiana Jones und der Tempel des Todes" beginnt äußerst vielversprechend. Auf den ersten Seiten lässt er nämlich in meinen Augen sowohl den (literarischen) Vorgänger, als auch den Film, hinter sich. Zu verdanken ist dies insbesondere der Art und Weise, wie er uns hier Willie und Shorty näher vorstellt, und wir auch mehr über ihre Vorgeschichte erfahren. Im Verlauf des Romans drängen nicht nur diese Aspekte vermehrt in den Hintergrund, es wiederholt sich leider auch einiges, insbesondere im Hinblick auf Short Rounds Anbetung verschiedenster Götter. Schade zudem, dass er der Hauptfigur selten die gleiche Aufmerksamkeit schenkt. Ja, die Einblicke in den vom Blut von Kali besessenen Indy waren durchaus spannend, allerdings war eben genau das wiederum nicht Indiana Jones selbst. Vor allem im Hinblick auf seine Charakterentwicklung im Verlauf der Geschichte wäre ein tieferer Einblick in Indy selbst schon sehr schön gewesen. Last but not least hetzt er im letzten Drittel dann verhältnismäßig durch die Story – und leidet er zudem darunter, dass Action auf der Leinwand halt immer packender sein wird, als auf dem Papier. Und so bleibt "Indiana Jones und der Tempel des Todes" – so wie eben auch der Film – letztendlich doch hinter den Vorgänger (also William Blacks Adaption von "Jäger des verlorenen Schatzes"), und so wie dieser auch hinter der Vorlage, zurück.

Bewertung: 3.5/5 Punkten
Christian Siegel
(Cover © 2008 Del Rey)





Artikel kommentieren
RSS Kommentare

Kommentar schreiben
  • Bitte orientiere Deinen Kommentar am Thema des Beitrages.
  • Persönliche Angriffe und/oder Diffamierungen werden gelöscht.
  • Das Benutzen der Kommentarfunktion für Werbezwecke ist nicht gestattet. Entsprechende Kommentare werden gelöscht.
  • Bei Fehleingaben lade diese Seite bitte neu, damit ein neuer Sicherheitscode generiert werden kann. Erst dann klicke bitte auf den 'Senden' Button.
  • Der vorgenannte Schritt ist nur erforderlich, wenn Sie einen falschen Sicherheitscode eingegeben haben.
Name:
eMail:
Homepage:
Titel:
BBCode:Web AddressEmail AddressBold TextItalic TextUnderlined TextQuoteCodeOpen ListList ItemClose List
Kommentar: