Silentium!
Brenners Kreuz mit dem Kreuz Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 17 Juni 2023
 
Titel: "Komm, süßer Tod"
Bewertung:
Autor Wolf Haas
Umfang: 224 Seiten
Verlag: Rowohlt
Veröffentlicht: 1999
ISBN: 978-3-4992-2830-0 (D)
Kaufen: Taschenbuch (D)
 

Kurzinhalt: Der Salzburger Pfarrer Schorn soll demnächst zum Bischof geweiht werden. Da kommen sowohl ihm, als auch dem Marianium, wo er lange Zeit als Spiritual fungierte, Gerüchte über den Kindesmissbrauch eines gewissen Gottlieb Meller, höchst ungelegen. Dieser meint sich nämlich in seinen Therapiestunden bei Dr. Prader auf einmal wieder daran erinnert zu haben, dass ihn der Schorn vielleicht doch etwas gar zu lieb gehabt hat. Simon Brenner, nach seinem kurzen Ausflug in den Rettungsdienst nun wieder als Privatdetektiv tätig, nimmt die Ermittlungen auf. Doch nur kurz, nachdem er begonnen hat, sich umzuhören, wird die Leiche von Gottlieb Meller zerstückelt in einem Fußballtisch im Marianium gefunden. Das wiederum kommt der Kirche, aber auch dem aktuellen Internatsleiter Regens, wiederum verdächtig gelegen. Andererseits gibt es da auch die Gerüchte, dass seine Frau in der Ehe alles andere als glücklich war. Diese wiederum ist die Tochter des Vizepräsidenten der Salzburger Festspiele. Der wiederum steht im Verdacht, eine Heiratsagentur dazu missbraucht zu haben, Festspielgäste und – Künstler mit doch eher kurzfristigen sexuellen Bekanntschaften zu versorgen. Und der Ehemann der aktuellen Sekretärin der Agentur ist dann wiederum der Psychiater Dr. Prader. An Verdächtigen mangelt es dem Brenner somit nicht…

Review: Ich kenne vorerst nur die ersten sechs (oder sieben?) Brenner-Krimis, insofern muss man immer etwas vorsichtig sein mit so einer Aussage, aber "Silentium!" mag gut und gerne der bisher beste Roman der Reihe sein. Mit dem Setting im Marianium, und der ersten Befragung der Zeugen, ist man praktisch von Beginn an drin; und der Leichenfund lässt ja auch nicht lange auf sich warten. Danach offenbart sich vor unseren Augen ein verzwickter Fall, der längst nicht so klar ist, wie es zu Beginn vielleicht noch den Anschein haben mag, und in dem man neben dem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche unter anderem auch illegale Prostitution, sowie die moralisch manchmal fragwürdigen (und teilweise schlicht illegalen) sexuellen Vorlieben von Künstlern – und wie diese von einer Branche, die von ihnen profitiert, nicht einfach nur geduldet, sondern sogar aktiv gefördert werden. Es erstaunt, dass Wolf Haas diesen Roman bereits 1999 geschrieben hat, aber gerade auch dieser Teil von "Silentium!" angesichts der Vorwürfe gegenüber Rammstein-Sänger Till Lindemann so aktuell wirkt wie nie. Und es macht leider zugleich deutlich, wie wenig sich in der dazwischenliegenden Zeit getan hat (wobei in den letzten Jahren solche Vorwürfe zumindest öffentlich gemacht werden, statt dass man die betreffenden Vorfälle unter den Tisch kehrt; zumindest das ist ja mal schon was. Wenn es jetzt dann auch noch Folgen für die Täter geben würde…).

Sei's wie's sei: Ich fand den Fall, obwohl ich den Roman bereits vor Jahren gelesen hatte, und natürlich auch die Verfilmung schon mehrmals gesehen habe (im Übrigen ist, wohl nicht zufälligerweise, "Silentium" von den vier Brenner-Filmen ebenfalls mein Favorit), auch diesmal wieder sehr packend und mitreißend. Die neuen Erkenntnisse sind gut platziert, und sorgen dafür, dass man ständig das Gefühl hat, dass etwas weitergeht. Und vor allem auch mit der Offenbarung rund um den Prostitutionsring schlägt der Roman in weiterer Folge eine Richtung ein, die man zu Beginn – wo der Schwerpunkt auf dem Missbrauch in der katholischen Kirche liegt – nicht unbedingt erwarten würde. Die weiteren Pluspunkte – Simon Brenner als doch eher untypischer Held/Ermittler, sowie der ganz eigene Schreibstil – teilt er sich dann mit den anderen Romanen der Reihe, wobei ich selbst da finde, dass "Silentium!" im Vergleich zu den vorangegangenen Teilen noch mal eins draufsetzt. Der vierte Brenner-Roman strotzt nur so vor amüsanten Kommentaren, aber durchaus auch wahren Beobachtungen. Als Beispiel für letzteres sei der Absatz darüber herausgegriffen, wie oftmals wenn man in einer Unterhaltung ist, und zugleich das Gespräch am Nebentisch so halb mithört, man das untrügliche Gefühl bekommt, dass letzteres eigentlich um einiges spannender und interessanter wäre. Ähnliche Bemerkungen finden sich in "Silentium!" wieder zuhauf – und machten für mich eben, zusammen mit dem plaudernden Erzählstil, mit den größten Reiz des Romans aus.

Fazit: In "Silentium!" laufen sowohl Simon Brenner als auch Autor Wolf Haas zur Höchstform auf. Wieder einmal gespickt mit den für die Reihe so typischen Kommentaren – mal witzig, mal erhellend, und gar nicht selten beides zugleich –, einem herrlich verzwickten Fall, den ausgeprägten gesellschaftskritischen Tönen, und nicht zuletzt auch dem hervorstechenden Ausgang, zählt der vierte Roman der Brenner-Reihe für mich zu den besten österreichischen Krimis, die je geschrieben wurden. Selbst allen, denen vielleicht ein früherer/anderer Brenner-Fall nicht ganz so zugesagt haben mag, sei demnach empfohlen, ihm mit "Silentium!" nochmal eine Chance zu geben.

Bewertung: 5/5 Punkten
Christian Siegel





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