The Orville: Sympathy for the Devil
Die verlorene Episode als Novelle Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 25 Juli 2022
 
Titel: "The Orville: Sympathy for the Devil"
Bewertung:
Autor Seth MacFarlane
Umfang: 108 Seiten (E)
Verlag: Hyperion Avenue (E)
Veröffentlicht: 19. Juli 2022 (E)
ISBN: 978-1-3680-9263-0 (E)
Kaufen: Hörbuch (E) (die Kindle-Ausgabe ist im deutschen Store noch nicht erhältlich)
 



Kurzinhalt: Es ist der 4. September 1904 in New York: Eine verstörte Frau stürmt mit einem Baby in der Hand ein Hotel, und übergibt es dem Pagen, mit der Bitte auf ihn aufzupassen. Kurz darauf ist die spurlos verschwunden. Der Page erinnert sich an ein deutsches Ehepaar, dass gerade auf Besuch ist, und erst kürzlich ihr Kind verloren hat, und bietet es ihnen zur Adoption an. Und so wächst das Waisenkind als Otto Vogel im Deutschland heran. Dort erlebt er dann auch die Nachkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg – und gerät so wie viele damals zunehmend unter dem Einfluss der Nazi-Partei und ihrer hasserfüllten Ideologie. Er schließt sich den Braunhemden an, und steigt als der Zweite Weltkrieg ausbricht in den Rängen des Militärs auf – bis man ihm schließlich das Kommando über ein Arbeitslager überträgt. Dort erhält er eines Tages den Brief, sich auf zwei Beobachtern vom Roten Kreuz vorzubereiten. Diese stellen sich ihm dann schließlich als Ed Mercer und Kelly Grayson vor…

Review: "Sympathy for the Devil" wäre eigentlich als neunte Episode der dritten Staffel geplant gewesen. Allerdings hätten die Szenen, die im Deutschland der Nachkriegszeit angesiedelt sind, nicht in einem Studio in den USA gedreht werden können. Aufgrund der Pandemie wäre es jedoch aufgrund der strengen COVID-Vorschriften des Studios nicht möglich (und/oder rentabel) gewesen, die Produktion für einige Tage für die benötigten Außenaufnahmen nach Europa zu verlagern – und so wurde die Folge verworfen, und die Staffel auf zehn Episoden heruntergekürzt. Um die Geschichte – auch im Wissen ob der ungewissen Zukunft der Serie – dennoch erzählen zu können, entschied sich Seth MacFarlane, aus seinem Drehbuch eine Novelle zu machen. Und wie die Inhaltsangabe schon verrät, wäre das Endergebnis definitiv eine sehr ungewöhnliche und eigenwillige Episode gewesen. Wie es sich in der Laufzeit ausgedrückt hätte, ist schwer zu sagen, im eBook dauert es aber jedenfalls bis zur 50%-Marke, ehe mit Ed und Kelly zwei Figuren von der Orville auftauchen. Die restliche Zeit verbringen wir mit Otto, und erleben, wie er heranwächst, und schließlich auch von den Nazis rekrutiert wird. Sprich, einige Zeit lang ist man sich nicht ganz sicher, ob man sich im richtigen eBook befindet. Für die weitere Entwicklung ist es aber eben wichtig, Ottos Leben bis zu seiner schicksalhaften Begegnung mit Ed und Kelly näher zu verfolgen, und es nicht einfach nur in einem kurzen Prolog abzuhandeln. Da er zum Nazi wird, tue ich mir zwar mit der Einschätzung schwer, dass wir in dieser Zeit eine Verbindung zu ihm aufbauen oder er uns gar sympathisch werden würde; denn spätestens, wenn er die Nazi-Ideologie voll und ganz aufgesaugt hat und ohne erkennbare Reue Gefangene erschießt, sollte es mit eben dieser vorbei sein. Und doch ist eben dies dann nicht nur für die zweite Hälfte von essentieller Bedeutung, sondern zeigt Seth MacFarlane hier auch sehr "schön", wie sich viele junge Menschen in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg von den Nazis einnehmen ließen, und ihrer hasserfüllten Ideologie verfielen. Insofern hält die erste Hälfte von "Sympathy for the Devil" eine mahnende Message für uns alle bereit.

Neben dieser bereits ansprechenden Handlung rund um die Banalität des Bösen kommt dann noch der zusätzliche Reiz hinzu, dass man sich natürlich von Beginn an fragt, was genau es hiermit auf sich hat, und inwiefern das eigentlich in Verbindung mit "The Orville" steht. Eben dies ist dann auch der eigentliche Clou an "Sympathy for the Devil". Die Auflösung hatte es mir dabei enorm angetan, und gibt der Story – und auch dem Leben von Otto Vogel – nochmal eine ganz besondere Tragik. MacFarlane bedient sich hier wieder einmal eines aus "Star Trek" schon bekannten Konzepts, und schafft es, ihm durch diese originelle Idee neue Aspekte abzugewinnen. Ich fand das jedenfalls wirklich fantastisch. Allerdings: Bei der Umsetzung hat er aus meiner Sicht doch ein bisschen etwas an Potential liegen gelassen. Denn nachdem er sich in der ersten Hälfte ausführlich Otto Vogels Leben widmet, verliert er ihn dann nach der Auflösung was hier vor sich ging für meinen Geschmack doch etwas zu sehr aus den Augen. Auf der einen Seite natürlich logisch, dass man die Handlung u.a. auch aus der Sicht der Orville-Crew betrachtet. Andererseits konnte "Sympathy for the Devil" somit aus der langen Vorarbeit nur bedingt Kapital schlagen. Mir haben da jedenfalls doch noch ein paar Szenen bzw. Seiten rund um ihn – bzw. aus seiner Sicht – gefehlt. Und auch der Epilog wirkte ein bisschen aufgesetzt; ich verstehe, warum er da ist, und es passt sehr gut zum optimistischen Ton der Serie. Aber Otto zumindest auf dem ersten Schritt dieser Reise begleiten zu können (und eben diesen Eindruck hatte ich nicht, da er mir bis zuletzt festzustecken schien), und damit den Epilog quasi vorzubereiten, wäre nett gewesen. Zuletzt sei als Randnotiz noch erwähnt, dass sich beim Deutsch leider ein paar Fehler eingeschlichen haben. Ist natürlich kein großes Drama, aber manchmal fragt man sich schon, was daran so schwer wäre, einem muttersprachlichen Lektor die betreffenden Passagen – egal welcher Fremdsprache – zu schicken, damit er kurz drübergeht. Insgesamt war das aber eine sehr interessante Geschichte, die sich – so ungewöhnlich sie auch war – auch gut in die dritte Staffel eingefügt hätte (vielleicht mit Daniel Brühl als Otto?).

Fazit: Aktuell ist die Zukunft der Serie noch ungewiss (dass sie Anfang August in den USA neben Hulu auch auf Disney+ verfügbar ist, wird ihr bei den Zugriffszahlen hoffentlich helfen) – und Seth MacFarlane wollte, als sie sich für die dritte Staffel aufgrund der COVID-Einschränkungen nicht umsetzen ließ, sich nicht darauf verlassen, die Gelegenheit zu bekommen, sie dann in einer allfälligen vierten Staffel nachzuholen. Stattdessen schrieb der Serienschöpfer selbst das erste offizielle Buch – wenn auch eher Novelle als Roman – zu "The Orville". Keine Frage: "Sympathy for the Devil" wäre die bisher ungewöhnlichste und experimentellste Folge der Serie geworden – funktioniert jedoch auch in geschriebener Form sehr gut; ja vielleicht sogar besser, da das Format erlaubt, tiefer in die innere Welt der Figuren vorzudringen. Die erste Hälfte kann dabei durchaus irritierend sein; auch mir kamen zunehmend Zweifel, ob man mir vielleicht irrtümlich das falsche eBook geschickt hätte. Dann jedoch wird aufgeklärt, was es hiermit auf sich hat – und in eben dieser Auflösung sehe ich eine der größten Stärken des Romans. Die andere ist, wie er die Mechanik dahinter aufzeigt, dass damals ein Großteil der deutschen und österreichischen Bevölkerung in den Sog des Nationalsozialismus geriet. Zwar holte man aus meiner Sicht aus dem faszinierenden Grundkonzept in der zweiten Hälfte dann nicht ganz das Optimum heraus. Dennoch wäre "Sympathy of the Devil" eine sehr gute Episode geworden, die sich sowohl inhaltlich als auch qualitativ gut in die dritte Staffel eingefügt hätte.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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