Straczynski Unplugged
Elf Kurzgeschichten vom B5-Schöpfer Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 18 Juni 2022
 
Titel: "Straczynski Unplugged"
Bewertung:
Autor J. Michael Straczynski
Umfang: 214 Seiten (E)
Verlag: ibooks (E)
Veröffentlicht: 01. Mai 2004 (E)
ISBN: 978-0-7434-7956-4 (E)
Kaufen: Taschenbuch (E)
 



Inhalt & Review (kann Spoiler enthalten): "Straczynski Unplupped" versammelt insgesamt elf Kurzgeschichten von "Babylon 5"-Schöpfer J. Michael Straczynski. Sieben davon wurden zuvor bereits als Teil der "Tales From the New Twilight Zone" veröffentlicht: "Dream Me A Life", "Rendezvous in a Dark Place", "The Call", "Acts of Terror", "Special Service", "The Wall" sowie "The Mind of Simon Fister". Dies sind genau jene Geschichten, die von JMS allein und ohne Beteiligung eines anderen Autors geschrieben wurden. Im Vergleich zu "Tales" fehlt hier allerdings die "Twilight Zone"-typische Kommentierung; vor allem aber muss man auf den dort abgedruckten, interessanten Einblick hinter die Kulissen verzichten. Vielmehr finden sich die Novellen hier in ihrer "puren" Form wieder. Jedenfalls: Damit ihr jetzt nicht extra zum anderen Review wechseln müsst, will ich meine Meinung zu ihnen nochmal ganz kurz aufrollen; für eine genauere Besprechung verweise ich allerdings auf meine Rezension zu "Tales From the New Twilight Zone": "Dream Me A Life" erzählt eine nette Geschichte, die dann vom emotionalen Ausklang nochmal deutlich aufgewertet wird. Mit "Rendezvous in a Dark Place" konnte ich hingegen nicht wirklich viel anfangen. "The Call" ist eine interessante, fantastische und überraschend romantische Geschichte. "Acts of Terror" ein packendes Drama über häusliche Gewalt mit einer übersinnlichen Komponente. "Special Service" eine unterhaltsame Version des "Truman Show"-Konzepts – die allerdings einige Jahre vor dem Film geschrieben wurde. "The Wall" ist eine faszinierende, waschechte Science Fiction-Story mit packendem moralischen Dilemma. Und "The Mind of Simon Foster" zählt sowohl hier wie dort (sprich, "Tales") zu den absoluten Höhepunkten der Anthologie. Was für eine faszinierende, erschreckende, mit- und zugleich auch herzzerreißende Geschichte!

Doch nun zu den vier neuen Novellen: Mit "Say Hello, Mister Quigley" legt "Straczynski Unplugged" einen wirklich starken Start hin – allerdings leider in meinen Augen "nur" auf rund 15 der 19 Seiten, welche die Geschichte lang ist. Wie schon bei "Acts of Terror" verarbeitet er auch hier seine eigenen Erfahrungen mit häuslicher Gewalt, und über drei Vierteln der Story gelingt ihm dies auch hervorragend. Er beschreibt ein Horrorszenario auf höchst eindringliche Art und Weise, und man kommt nicht umhin, mit Liz mitzufühlen. Leider aber war ich mit dem Ende der Geschichte dann nicht wirklich glücklich. JMS vermittelt hier den Eindruck, dass Liz ihrem Vater vergeben müsste, um selbst weiterziehen und die Vergangenheit hinter sich lassen zu können – und sorry, aber das sehe ich überhaupt nicht so. Opfer jeglicher Form von Gewalt – egal ob häuslich oder sonst wo – schulden ihren Peinigern genau gar nichts. Hier war mir JMS deutlich zu versöhnlich unterwegs, was mich gerade auch im Hinblick auf seine eigenen Gefühle bezüglich seines Vaters (wie aus seiner Autobiographie "Becoming Superman" hervorgeht) mindestens so irritierte wie überraschte. Schade, weil davon abgesehen war die Story wirklich stark. "The Salvation of Lyman Terrell" stellt dann sowohl die Hauptfigur wie auch den Leser vor ein moralisches Dilemma. Darin unterzieht sich Lyman Terrell, der unheilbar an Krebs erkrankt ist, einer experimentellen Behandlung. Diese kann ihn heilen – aber nur, wenn er den Krebs binnen 24 Stunden an eine andere Person weitergibt. Die Geschichte lädt den Leser dazu ein, sich in Lyman Terrells Lage zu versetzen, und zu fragen, ob man selbst das tun könnte, was er tun muss, um zu überleben. Das fand ich enorm spannend.

"Cold Type" geht auf JMS' Erfahrungen mit Zensur zurück, und präsentiert einen Mann, der über eine ganz besondere, unerklärliche Fähigkeit verfügt: Wenn er ein Buch verbrennt, verschwindet es aus der Welt, so als hätte es nie existiert. Er selbst geht mit dieser Macht sehr zurückhaltend und aus seiner Sicht verantwortungsvoll um, doch angesichts seines Alters hält er es für angemessen, einen Nachfolger auszubilden – und der hat längst nicht solche Skrupel, Bücher gänzlich auszulöschen. Auch dies eine spannende Geschichte, wenn ich auch vermute, dass hier die wenigstens auch nur eine Sekunde lang auf der Seite der beiden "Bücherverbrenner" stehen werde, und JMS am Ende der Mut zur allerletzten Konsequenz fehlte. "We Killed Them in the Ratings" ist dann nicht nur die letzte neue, sondern generell die letzte hier versammelte Geschichte. Auch diese hat wieder eine starke moralische Komponente: Der Showrunner der Live-Doku-Sendung "Street Scene" wird von einem Serienkiller kontaktiert, der ihm sagt, wann und wo sein nächster Mord stattfinden wird. Zuerst hält er es für einen Hoax, doch als die Sendung dann tatsächlich einen Mord live ausstrahlt – und die Quoten erwartungsgemäß in die Höhe schießen – und sich der Killer ein paar Tage darauf wieder bei ihm meldet, muss er entscheiden, wie er damit umgeht. Auch wenn das mit der Kommunikation zwischen Killer und Reporter an seinen Roman "Tribulations" erinnert, zeichnet JMS hier in jedem Fall ein sehr kritisches Bild von sensationsgeilen, ausbeuterischen Reality TV-Sendungen – und transportiert dabei eine Message, der ich definitiv vorbehaltlos zustimme. Somit erweist sich "We Killed Them in the Ratings" als starker, gefälliger Ausklang der Anthologie.

Fazit: Mittlerweile ist "Straczynski Unplugged" ähnlich schwer zu bekommen wie "Tales From the New Twilight Zone" – was die Frage, welche Sammlung man sich als Fan seiner Arbeit eher zulegen sollte, nicht leichter zu beantworten macht. Auf der einen Seite fand ich die dortigen kleinen Einblicke in die Produktion schon interessant. Andererseits würde ich beim Vergleich zwischen den "exklusiven" Kurzgeschichten beider Sammlungen jene aus "Straczynski Unplugged" doch etwas stärker einschätzen. Mein persönliches Highlight "The Mind of Simon Foster" ist allerdings ohnehin in beiden enthalten. Letztendlich muss somit die Antwort wohl lauten: Im Idealfall, wenn ihr sie zu einem vernünftigen Preis bekommt – und natürlich vorausgesetzt, ihr mögt seine Arbeit – legt ihr euch am besten beide zu. Müsst ihr wählen, würde ich "Straczynski Unplugged" aber doch knapp den Vorzug geben.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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