Der König von Narnia
Vier Kinder, ein Löwe, eine Hexe und ein Wandschrank Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 05 Juni 2022
 
Titel: "Der König von Narnia"
Originaltitel: "The Lion, the Witch and the Wardrobe"
Bewertung:
Autor: C.S. Lewis
Übersetzung: Wolfgang Hohlbein
Umfang: 168 Seiten (D)
Verlag: Ueberreuther (D), The Bodley Head (E)
Veröffentlicht: 16. Oktober 1950 (E)
ISBN: 978-3-764-15043-3 (D), 978-0-06447-104-6 (E)
Kaufen: Gebunden (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Im Jahr 1940, mitten im Blitzkrieg, werden die vier Geschwister Lucy, Edmund, Susan und Peter aus London evakuiert. Sie kommen beim Landsitz eines Professors unter. Als sich Lucy beim Spielen in einem großen Wandschrank versteckt, findet sie sich plötzlich im magischen Reich von Narnia wieder, wo sie auf den Faun Tumnus trifft. Wieder zurück in unserer Welt, wollten ihr ihre Geschwister natürlich nicht glauben. Etwas später findet sich auch Edmund in Narnia wieder. Dieser macht allerdings die Bekanntschaft der Weißen Hexe, die sich zur Königin von Narnia ausgerufen hat, und das Land mit eiserner – und eisiger – Hand regiert, ist die Welt doch in einem ewigen Winter gefangen, in dem es nie Frühling – und auch nie Weihnachten – wird. Nach seiner Rückkehr bestreitet Edmund jedoch, in Narnia gewesen zu sein, und bezichtigt Lucy der Lüge. Kurz darauf finden sich dann jedoch alle vier Geschwister im Zauberreich wieder. Sie erfahren, dass sich die Weiße Hexe vor einer Prophezeiung fürchtet, dass zwei Söhne von Adam und Töchter von Eva ihre Herrschaft beenden werden. Noch ahnen sie nicht, dass es ihr gelungen ist, Edmund auf ihre Seite zu ziehen…

Review: Im Gegensatz zu "Das Wunder von Narnia", an den ich gänzlich unbedarft herangegangen bin, war mir von "Der König von Narnia" natürlich schon die im Fahrwasser des Erfolgs von "Harry Potter" und "Der Herr der Ringe" entstandene Verfilmung bekannt – von der ich nicht wirklich begeistert war. Damals konnte ich natürlich nicht einschätzen, inwiefern es an der Vorlage oder an der Umsetzung lag. Nachdem ich "Der König von Narnia" nun gelesen habe würde ich behaupten: Es ist ein bisschen was von beidem. So ist der mir damals nicht wirklich schmeckende martialische Ton – gerade auch im Hinblick darauf, dass hier Kinder im Mittelpunkt der Geschichte stehen – in der Vorlage deutlich weniger ausgeprägt, was nicht zuletzt daran liegt, dass viele Schlachten "off-page" stattfinden. Das wiederum sehe ich aber halt auch als ziemlich zweischneidiges Schwert, da wir bei einigen entscheidenden Momenten nicht dabei sind, oder auch diese "blinzle, und du hast es verpasst"-Charakter haben. So habe ich den Tod der Hexe beim Lesen irgendwie völlig verpeilt. Lewis beschreibt, wie sich Aslan auf sie stürzt und sie über den Boden rollen, und zu Beginn des nächsten Kapitels steht dann auf einmal etwas vom Tod der Hexe. Huh?! Wie gesagt, dass wir die Schlacht am Ende kaum direkt verfolgen, da wir bei Lucy, Edmund und Aslan sind, statt bei Susan und Peter, die sich direkt im Getümmel wiederfinden, schwächt zwar den von mir im Film doch recht kritisch betrachteten Eindruck, dass Lewis hier Kinder in den Krieg schickt. Der sehr beiläufige Eindruck der abschließenden Schlacht macht das Ende aber halt zugleich auch recht antiklimaktisch. Ebenso verkehrt wie im Film finde ich auch in der Vorlage die Szene mit dem Weihnachtsmann, der den Kindern – mit Ausnahme von Lucy – Waffen schenkt. Das ging für mich irgendwie gar nicht. Und die sehr starken christlichen Töne sind mir als überzeugtem Atheisten naturgemäß auch eher ein Dorn im Auge.

Dafür muss ich sagen, dass ich die Vorlage insgesamt als kurzweiliger empfand, als ich den Film in Erinnerung habe (wobei es mittlerweile über zehn Jahre her ist, dass ich den zuletzt sah). Generell konnte mir – wie auch schon dort – insbesondere der Einstieg noch ziemlich gut gefallen. Die Idee eines Wandschranks in eine andere Welt hat zweifellos etwas für sich, der erste Besuch von Lucy, wo sie Herrn Tumnus betrifft, strotzte vor kindlicher Fantasie und "Sense of Wonder", während Edmunds spätere Begegnung mit der Weißen Hexe als – wenn auch aus heutiger Sicht vielleicht etwas abgedroschen wirkende – Warnung fungiert, nicht mit Fremden mitzugehen, auch wenn sie einem Süßigkeiten anbieten. Generell empfand ich Edmund hier, wie schon im Film, als eine der größten Stärken der Erzählung; wobei ich wiederum fand, dass es dort besser gelang, zu zeigen, wie die Hexe seine tiefsten Sehnsüchte erkennt, und ihn damit auf ihre Seite zieht (statt nur mit Lokum). Dennoch gefällt mir, wie er hier als mahnendes Beispiel fungiert, sich nicht seinen niederen Instinkten zu ergeben, da sonst entweder man selbst oder andere den Preis dafür zahlen müssen. Was hingegen der Erzählung wie dem Film fehlt, sind die ultimativen Konsequenzen. Aslan, der sich für Edmund opfert, erwacht wieder zum Leben (weil die noch tiefere Magie vom Anbeginn der Zeit über die "nur" tiefe Magie vom Anbeginn der Zeit triumphiert – echt jetzt?!), und auch alle versteinerten Wesen werden von Aslan wieder aus dem Zauber befreit. Somit könnte man argumentieren, dass Edmunds Verrat letztendlich eigentlich nur Gutes bewirkt hat, da er eine entscheidende Rolle dabei spielte, Narnia aus dem Griff der Weisen Hexe zu befreien. So oder so fand ich jedenfalls, dass man "Der König von Narnia" die angestrebte Hauptzielgruppe doch ziemlich stark anmerkte. Zudem fand ich den Roman teilweise ziemlich sprunghaft. Vieles bleibt auch an der Oberfläche, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen – auch was die Figuren betrifft. Und generell machte der veröffentlichungstechnisch gesehen erste Band der "Narnia"-Reihe einen etwas belanglosen Eindruck. Insgesamt denke ich jedenfalls, dass "Der König von Narnia" als Märchen für Kinder deutlich besser geeignet ist, denn als Fantasy-Erzählung für Erwachsene.

Fazit: Nachdem ich "Das Wunder von Narnia" echt faszinierend und – eben angesichts meiner mäßigen Meinung zu den Filmen auch überraschend – gelungen fand, entsprach "Der König von Narnia" nun eher dem, was ich im Vorfeld erwartet hatte, weshalb ich auch zögerlich war, mir die Bücher vorzuknöpfen. Wobei der Fairness halber natürlich erwähnt werden muss, dass sich diese vornehmlich an Kinder richtet, und ich somit nicht wirklich die Hauptzielgruppe bin. Andererseits gibt es eben durchaus auch viele (Fantasy-)Kinderbücher, die auch Erwachsene noch zu verzaubern verstehen; was ich in diesem Fall doch eher in Abrede stellen würde. Zwar fand ich die Grundidee sehr faszinierend, konnte mir die Charakterisierung der Kinder – wobei "König" in erster Linie sehr auf Lucy und Edmund fokussiert ist – durchaus gut gefallen, gibt es einige faszinierende, fantasievolle Ideen, und hat der Roman auch die eine oder andere wertvolle Moral mit im Gepäck. Allerdings fand ich die Geschichte recht sprunghaft erzählt, verfolgen wir bestimmte nicht unwichtige Ereignisse aufgrund der strikt nur Lucy und Edmund folgenden Erzählperspektive nur am Rande, hatte ich auch hier (wie im Film) mein Problem mit der Weihnachtsmann-Szene (der Waffen als Geschenke bringt), und liegt mir als Atheisten halt die sehr an den christlichen Glauben angelehnte Geschichte nicht so wirklich. Was die Weltanschauung betrifft, macht der Roman teilweise einen etwas angestaubten Eindruck. Vor allem aber wirkte "Der König auf Narnia" für mich inhaltlich doch irgendwie ziemlich dünn. Zwar liest er sich flüssig, und ist grundsätzlich – gerade auch im Hinblick auf die angestrebte Zielgruppe – sprachlich hochwertig geschrieben. Ähnlich faszinieren wie die Schöpfungsgeschichte "Das Wunder von Narnia" wollte mich der zweite Band der Reihe aber leider (bei weitem) nicht.

Bewertung: 2/5 Punkten
Christian Siegel
(Cover © 2014 Ueberreuther)





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