Together We Will Go
Ein Roadtrip in den Freitod Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 24 Juli 2021
 
Titel: "Together We Will Go"
Bewertung:
Autor J. Michael Straczinsky
Umfang: 304 Seiten (E)
Verlag: Gallery/Scout Press (E)
Veröffentlicht: 06. Juli 2021 (E)
ISBN: 978-1-982-14258-8 (E)
Kaufen: Gebunden (E), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Mark Antonelli, ein entmutigter, gescheiterter Autor, gibt eine Anzeige für einen ungewöhnlichen Roadtrip aus: Er will mit einem Tourbus quer durch die USA reisen, und dabei Menschen, die sich ihm anschließen wollen, aufnehmen. In Kalifornien – in mehreren Sinnen des Wortes am Ende ihrer Reise angekommen – wollen sie sich bei Sonnenuntergang von einer Klippe stürzen, und so gemeinsam ihrem Leben ein Ende setzen. Die Gründe, warum sich die Menschen, die sich auf seine Anzeige melden, sich ihm bei diesem Roadtrip in den Freitod anschließen wollen, sind dabei vielfältig. Auf der mehrtägigen Reise lernen sie sich langsam kennen und schätzen – und erleben so in ihren letzten Tagen einen Zusammenhalt und eine Geborgenheit, die ihnen Zeit ihres Lebens überwiegend fremd war…

Review: Für seinen ersten Roman seit über zwanzig Jahren hat sich der doch eher für seine Drehbuch- und Comic-Arbeit bekannte "Babylon 5"-Schöpfer J. Michael Straczinsky ein denkbar schwieriges und problematisches Thema ausgesucht: Selbstmord ist in der gesellschaftlichen Diskussion nach wie vor ein Tabuthema. Ob die vorherrschende Ansicht, dass allein die Diskussion und/oder Berichterstattung darüber jemanden, der entsprechende Gedanken hegt, dann endgültig dazu bringen kann, den letzten, entscheidenden Schritt zu unternehmen, wage ich nicht zu beurteilen (das überlasse ich anderen – geschulteren – Personen). Ich für meinen Teil kann nur festhalten, in der glücklichen Lage zu sein, noch nie in einem Leben entsprechende Gedanken gehegt zu haben – was jedoch zugleich nicht heißen soll, dass ich die persönliche, individuelle Entscheidung von jemandem, der diesen Schritt setzt, nicht respektiere. Ich hoffe halt lediglich, dass eben diese Entscheidung in allen Fällen auch wirklich rational und wohlüberlegt war, und nicht aus einer augenblicklichen Stimmung heraus fiel. Denn grundsätzlich bin ich schon ein Anhänger des schönen alten Grundsatzes "Wo Leben ist, ist Hoffnung". Und da ich den Roman aufgrund seines Autors quasi blind vorbestellt hatte, und praktisch überhaupt nichts darüber wusste, musste ich zugegebenermaßen auf den ersten Seiten schon erstmal schlucken. Wovon ich zugegebenermaßen auf den ersten Seiten auch noch nicht ganz überzeugt war, war die gewählte Erzählweise. Denn statt einer objektiven Perspektive oder auch einem Erzähler hat sich JMS hier dazu entschieden, die Geschichte über persönliche Tagebucheinträge, Anzeigen, E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und so weiter zu erzählen. Es dauerte zugegebenermaßen ein bisschen, ehe ich hier so richtig reingekommen bin. Schon bald war mir jedoch der Grund für die Herangehensweise klar: Denn gerade auch die Journaleinträge der Personen erlauben es uns, an ihren intimsten Gedanken und Gefühlen teilhaben zu lassen. Was eben gerade auch bei dieser herausfordernden Thematik von essentieller Bedeutung ist.

Was JMS hier jedenfalls wieder einmal gelungen ist, ist sehr vielschichtige und abwechslungsreiche Figuren zu schaffen, die trotz – oder vielleicht auch wegen – ihrer Unterschiede (wenn sich auch natürlich durch die Absicht die sie teilen zumindest eine entscheidende Gemeinsamkeit ergibt) zu einer Gemeinschaft werden. Dies erinnert nicht zuletzt sehr an die von ihm zusammen mit den Wachowski-Schwestern geschaffene Serie "Sense8", wo acht Fremde plötzlich miteinander verbunden waren. Und letztendlich ist es auch genau diese Gemeinschaft, die "Together We Will Go" trotz der tragischen Thematik seinen doch irgendwie hoffnungsvollen und (so paradox das auch klingen mag) lebensbejahenden Charakter verleiht. Vor allem aber dauert es nicht lange, bis man das Gefühl bekommt, man selbst wäre ein Teil der Reisegruppe – da man zumindest einige von ihnen mit der Zeit sehr gut kennen und auch schätzen lernt. Eben dies steigert sich dann zu einem – überraschend frühen – emotionalen Höhepunkt, der mir doch tatsächlich die Tränen in die Augen trieb. Doch JMS beweist hier nicht nur wieder einmal sein Talent als Geschichtenerzähler, sondern auch seinen Hang zu wunderschön formulierten Dialogen, sowie interessanten Gedanken, die einem in Erinnerung bleiben. Beispielhaft sei diese Textstelle zitiert: "I don't think it's the fear of death that makes us believe in an afterlife. It's our love for everybody we ever lost." Einfach nur wunderschön. Zudem werden jene, die seinem Werk schon länger folgen, sowohl einige thematische Ähnlichkeiten zu früheren Arbeiten (man merkt einfach, dass es bestimmte Dinge/Aussagen gibt, die ihm sehr wichtig sind, weshalb sie immer wieder in seine Werke einfließen) entdecken, als auch die eine oder andere ironische Meta-Referenz (ich sage nur "grün" und "purpur"), die das Geschehen auflockert. Wie mir generell gefiel, dass der Roman trotz der ernsten Grundthematik auch immer wieder einiges an Humor zu bieten hat.

Allerdings gab es auch ein paar Aspekte, die dafür sorgten, dass ich "Together We Will Go" zwar wirklich mochte, aber mich nicht ganz so darin verliebte, wie z.B. in "Babylon 5" oder "Sense8". So drohte die Gemeinschaft im Mittelteil des Romans fast schon etwas zu groß zu werden, weshalb wir einzelne Leute nur mehr sehr oberflächlich kennenlernten. Da sich einige von ihnen eh rasch wieder verabschiedeten, bin ich nicht sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, sie von vornherein einzusparen. Das Ende kann zudem an den zuvor erwähnten emotionalen Höhepunkt, der ca. nach zwei Dritteln des Romans eintritt, nicht mehr wirklich anknüpfen, und erhält nicht zuletzt auch deshalb einen etwas bitteren Nachgeschmack, als JMS auf den Seiten davor nicht zuletzt auch ein Statement für Selbstbestimmung setzen wollte, man aber argumentieren kann, dass den Protagonisten an dieser Stelle die Entscheidung abgenommen wurde. Natürlich war das Absicht, und soll zeigen, wie oftmals bestimmte Maßnahmen genau den gegenteiligen als den gewünschten Effekt haben können, trotzdem war ich eben deshalb mit diesem Ausgang nicht ganz glücklich, und schien er mir ein bisschen im Widerspruch zur zuvor vermittelten Aussage zu stehen. Aber auch mit der Art und Weise, wie hier einem von ihnen für eine frühere schlimme Tat Absolution erteilt wird, tat ich mir ein bisschen schwer. Vor allem aber halte ich einen bestimmten Twist zum Ende hin für entbehrlich. Ich denke, diese Wendung hatte "Together We Will Go" nicht nötig, und mir persönlich war nicht klar, was JMS damit bezwecken/aussagen wollte. Trotz dieser Kritikpunkte überwiegt aber ganz klar das positive Gefühl, hier eine berührende Geschichte gelesen, vor allem aber ein paar sympathische wie vielschichtige Charaktere kennengelernt und auf ihrer letzten (?) Reise begleitet zu haben.

Fazit: "Together We Will Go" ist schon allein aufgrund der schwierigen Thematik zweifellos keine leichte Kost – und doch irgendwie unterhaltsamer, hoffnungsvoller und ja, auch lebensbejahender, als man aufgrund des Grundkonzepts denken mag. Vor allem der Einstieg hat mich doch ziemlich hart getroffen (da mir eben im Vorfeld noch nicht bewusst war, worum es geht) – auch wenn ich zugegebenermaßen etwas gebraucht habe, um mich auf die gewählte Erzählweise einzulassen. Danach genoss ich es vor allem, diese vielschichtigen, sympathischen Figuren kennenzulernen. Nach rund zwei Drittel erreicht "Together We Will Go" dann einen frühen emotionalen Höhepunkt – an den der Rest für mich dann leider auch nicht mehr ganz herankam. Wie sich im letzten Drittel dann generell ein paar kleinere Kritikpunkte eingeschlichen haben. Und auch mit dem Ausgang des Geschehens war ich nicht ganz glücklich – wobei genau das zugegebenermaßen auch der Punkt dahinter gewesen sein mag. Insgesamt ist dem "Babylon 5"-Schöpfer J. Michael Straczinsky hier jedenfalls ein so herausfordernder wie berührender, und vor allem auch überaus lohnenswerter, Roman gelungen.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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