Nachrichten aus Mittelerde
Unvollendete Geschichten aus Númenor und Mittelerde Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 27 März 2021
 
Titel: "Nachrichten aus Mittelerde"
Originaltitel: "Unfinished Tales of Númenor and Middle-earth"
Bewertung:
Autor: J.R.R. Tolkien (herausgegeben und bearbeitet von Christopher Tolkien)
Übersetzung: Hans J. Schütz
Umfang: 720 Seiten (D)
Verlag: Klett-Cotta (D), Harper Collins (E)
Veröffentlicht: 21. August 1980 (E)
ISBN: 978-3-608-98458-5 (D), 978-0-0083-8795-8 (E)
Kaufen: Gebunden (D), Kindle (D), Gebunden (E), Kindle (E)
 

Inhalt & Review: Sowohl "Der Hobbit" als auch "Der Herr der Ringe" gewannen in den Jahren nach ihrer Veröffentlichung immer mehr an Popularität – eine Entwicklung, die nach dem Tod von J.R.R. Tolkien im Jahr 1973 sogar noch zunehmen. Sein Sohn Christopher machte sich angesichts der steigenden Nachfrage zuerst daran, das wichtigste noch unveröffentlichte Werk seines Vaters, das Silmarillion, soweit als möglich fertigzustellen – doch auch danach riss die Nachfrage nach mehr Material rund um Mittelerde nicht ab. Und so folgte im August 1980 die (erste) Veröffentlichung der "Unfinished Tales", die hierzulande als "Nachrichten aus Mittelerde" auf den Markt gebracht wurden. Hierin finden sich einzelne, teils nicht abgeschlossene, Geschichten und Essays aus allen drei Zeitaltern Mittelerdes. Den Anfang machen die zwei längsten bis dahin unveröffentlichten Texte, die in weiterer Folge dann auch nochmal als Einzelbände neu aufgelegt (und von mir mittlerweile ja auch schon gelesen und besprochen) wurden. Es beginnt mit "Of Tuor and his Coming to Gondolin", welches erzählt, wie Tuor sich auf die Suche nach Gondolin machte, und diese letzte Zuflucht der Elben dann schließlich fand. Ich habe die beiden Texte jetzt nicht genau verglichen (wenn ich sie mir auch noch einmal von vorne bis hinten durchgelesen habe), aber im Wesentlichen schien mir die Version hier mit der zweiten längeren in "Der Fall von Gondolin" abgedruckten Geschichte identisch zu sein. Dementsprechend passt die Geschichte zwar grundsätzlich sehr gut zu Tolkiens bekanntem Schreibstil – hört aber halt auch eben genau dort auf, wo es am Interessantesten werden würde, und bietet dementsprechend auch keine Schilderung des Fall Gondolins (weshalb Christopher Tolkien den Namen der Geschichte eben auch dahingehend abänderte). Dennoch lässt einen die Story zweifellos wieder sehr schön in der von Tolkien geschaffenen, faszinierenden Welt von Mittelerde versinken.

Die zweite hier präsentierte Story ist dann jene der Kinder Hurins. Hier fällt auf, dass die im Einzelband abgedruckte Geschichte umfangreicher war (nicht zuletzt fehlt der schöne, traurige Epilog rund um Hurin selbst), weshalb ich empfehlen würde, wenn man sich "Nachrichten aus Mittelerde" zur Hand nimmt, statt dem entsprechenden Kapitel lieber zur Einzelveröffentlichung zu greifen. Von diesem Manko abgesehen war die Geschichte aber auch in dieser Sammlung mein Favorit, nicht zuletzt aufgrund des herrlich tragischen Verlaufs, den sie nimmt; aber auch, da der fehlbare, immer wieder an sich selbst scheiternde Turin, für mich zu den interessantesten von Tolkien geschaffenen Protagonisten zählt. Insofern hat es mir – trotz einzelner Textstellen, die ich vermisste – Spaß gemacht, die Geschichte (nachdem ich mir erst kürzlich zum ersten Mal den Einzelband vorgeknöpft hatte) noch einmal zu lesen. An dieser Stelle sei noch kurz erwähnt, dass von "Beren und Luthien" hier jede Spur fehlt. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die erste Version der Geschichte nicht wirklich in die Welt von Mittelerde passt, und die zweite (unvollendete) nur in Reimform vorliegt. So oder so, es bedeutet in jedem Fall, dass man sich zumindest diese Einzelveröffentlichung der "Great Tales" unbedingt zulegen sollte. Doch zurück zu "Nachrichten aus Mittelerde". Nach den ersten beiden Geschichten vollzieht der Erzählband einen Sprung ins zweite Zeitalter, und das war dann auch jener Teil, der mich mit am meisten faszinierte, da es für mich (da mir das Silmarillion ja erst noch bevorsteht) Neuland war. Hierbei sticht in erster Linie die lange Erzählung rund um Aldarion, den "Seefahrer", hervor. Nicht nur war das für sich genommen eine interessante (und tragische) Geschichte, sie bot vor allem auch einen faszinierenden Einblick in das zweite Zeitalter. Abgerundet wird dieser Teil von einer (der Geschichte von Aldarion vorangestellten) Beschreibung der Insel Númenor, einer Art Ahnenforschung zu ihren Königen, sowie der Geschichte von Galadriel und Celeborn. Letztere war dann, aufgrund der direkten Verbindung zu "Der Herr der Ringe", ebenfalls sehr interessant; litt jedoch ein bisschen darunter, dass hier verschiedene Varianten ihrer Vergangenheit präsentiert werden, die sich teilweise auch ein bisschen widersprechen. In jedem Fall bot dieser Teil, aufgrund der erkennbaren Entwicklung dieser Geschichte, aber wieder einen faszinierenden Einblick in Tolkiens kreatives Schaffen.

Im dritten Teil widmet man sich dann dem dritten Zeitalter; deren wichtigste Geschichte ist natürlich zweifellos alles rund um den Ringfund, und den nachfolgenden Ringkrieg – wie es in "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" erzählt wurde. Wie schon die Anhänge zu "Die Rückkehr des Königs" bietet dieser Teil von "Nachrichten aus Mittelerde" aber noch ein bisschen interessantes Zusatzmaterial rund um einige Ereignisse, die dort nur gestreift wurden, bzw. wirft auch einen Blick auf die ersten drei Jahrtausende dieses Zeitalters. Angefangen mit dem Tod von Isildur (und dem damit einhergehenden Verlust des Einen Rings), über die Vergangenheit rund um die beiden eng miteinander verbundenen Königreiche von Rohan und Gondor, bis hin zu Erzählungen, die rund um die Ereignisse aus "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" angesiedelt sind. So wird z.B. in "Die Fahrt zum Erebor" aufgerollt, wieso Gandalf einst Thorin just zu Bilbo Beutlin schickte. "Die Jagd nach dem Ring" wiederum füllt die Lücke zwischen "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe", und erzählt insbesondere von Gollums Gefangenschaft und Flucht aus Mordor. Und "Die Schlachten an den Furten des Isen" bietet etwas Hintergrund rund um Sarumans Verrat, und sein Bündnis mit Sauron. Der vierte und letzte Teil liefert dann drei Essays rund um Völker/Dinge aus Mittelerde. Den Anfang macht "Die Druédain", wo es um die betreffenden wilden Waldmenschen geht, die in "Der Herr der Ringe" zwar kurz erwähnt werden, dort jedoch keine wesentliche Rolle spielen. Dementsprechend fand ich diesen Teil auch etwas entbehrlich. Weitaus faszinierender war da schon der Text zu den Istari, der für mich eines der Highlights dieser Sammlung darstellte – erfahren wir hier doch mehr über die Ursprünge von Saruman, Gandalf, Radagast, sowie den beiden anderen (blauen) Zauberern. Den Abschluss macht dann schließlich ein Essay rund um die Palantiri, welches ebenfalls einiges an interessantem Hintergrundmaterial zur bereits bekannten Geschichte liefert. Aufgewertet werden die Texte – in der abgebildeten Neuedition – von insgesamt achtzehn Bildern aus den Pinseln von Alan Lee, John Howe und Ted Nasmith, sowie zwischendurch eingestreuten Bleistiftskizzen. All dies hilft dem geneigten Leser zusätzlich dabei, ein weiteres Mal in die faszinierende Welt von Mittelerde einzutauchen.

Fazit: "Nachrichten aus Mittelerde" ist eine wundervolle Sammlung verschiedener Geschichten aus den ersten drei Zeitaltern von Mittelerde, die den "Hobbit" sowie den "Herrn der Ringe" perfekt ergänzen. Zwar kann das Buch aus meinen Augen die drei Einzelbände "Die Kinder Húrins", "Beren und Lúthien" sowie "Der Fall von Gondolin" – obwohl die erstere und die letztere Geschichte hier ebenfalls enthalten ist – nicht ersetzen, zusätzlich zu diesen bekommt man hier allerdings noch zahlreiche weitere Geschichten aus Mittelerde serviert, die es einem ermöglichen, noch tiefer in die von J.R.R. Tolkien geschaffene Mythologie einzutauchen. Die ausführlichen Fußnoten und Kommentare seines Sohns Christopher, der hier als Herausgeber fungiert, werten das Buch ebenso auf, wie die wundervollen Illustrationen aus der jüngsten Neuauflage. Zwar wird einem wohl nicht jeder der hier enthaltenen Texte gleich stark ansprechen, und sind diese mit "Der Hobbit" oder "Der Herr der Ringe" nicht wirklich zu vergleichen; ich halte die "Unfinished Tales" aber für ein essentielles Begleitwerk zum meines Erachtens immer noch größten und besten Fantasy-Epos aller Zeiten!

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





Artikel kommentieren
RSS Kommentare

Kommentar schreiben
  • Bitte orientiere Deinen Kommentar am Thema des Beitrages.
  • Persönliche Angriffe und/oder Diffamierungen werden gelöscht.
  • Das Benutzen der Kommentarfunktion für Werbezwecke ist nicht gestattet. Entsprechende Kommentare werden gelöscht.
  • Bei Fehleingaben lade diese Seite bitte neu, damit ein neuer Sicherheitscode generiert werden kann. Erst dann klicke bitte auf den 'Senden' Button.
  • Der vorgenannte Schritt ist nur erforderlich, wenn Sie einen falschen Sicherheitscode eingegeben haben.
Name:
eMail:
Homepage:
Titel:
BBCode:Web AddressEmail AddressBold TextItalic TextUnderlined TextQuoteCodeOpen ListList ItemClose List
Kommentar:



.