Das magische Messer
Flott erzählter zweiter Band von "His Dark Materials" Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 02 Januar 2021
 
Titel: "Das magische Messer"
Originaltitel: "The Subtle Knife"
Bewertung:
Autor: Philip Pullman
Übersetzung: Wolfram Ströle
Umfang: 384 Seiten (D)
Verlag: Carlsen (D), Scholastic (E)
Veröffentlicht: 1997 (E)
ISBN: 978-3-551-58341-3 (D)
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Nachdem Lyra Silvertongue durchs von ihrem Vater, Lord Asriel, geschaffene Portal tritt, findet sie sich in einer anderen Welt wieder. Dort trifft sie schon bald auf den Jungen Will Parry, der ebenfalls aus einer anderen Welt stammt. Die beiden freunden sich an, und Will erklärt sich dazu bereit, Lyra in seine Welt zurückzubringen – wo sie hofft, mehr über Staub in Erfahrung bringen zu können. Doch während ihres Besuchs dort wird Lyra der goldene Kompass gestohlen. Der Dieb, ein älterer Mann namens Charles, verlangt als Gegenleistung dafür, ihr den Alethiometer wieder zurückzugeben, dass sie ihm ein Artefakt aus der Zwischenwelt besorgen – die für Erwachsene gefährlich ist. Das besagte magische Messer befindet sich im Turm der Engel. Widerwillig erklären sich Lyra und Will dazu bereit, ihm zu helfen. Doch als sie erfahren, was es mit dem Messer auf sich hat, denken sie gar nicht daran, es Charles zu überlassen. Vielmehr schmieden sie einen Plan, um mit Hilfe des Messers Lyras goldenen Kompass wieder zurückzustehlen…

Review: Da ich die Bücher ja immer erst lese, wenn ich mit der jeweiligen Staffel fertig bin – und somit in meinen Episodenbesprechungen keinen Vergleich ziehen kann – will ich auch hier wieder diesen nun vielmehr in meinem Review zum Roman nachholen. Insgesamt finde ich, dass Jack Thorne hier wohl sogar noch besser Arbeit geleistet hat, als bei "Der goldene Kompass". Viele Momente, von denen wir im Buch nur aus zweiter Hand erfahren, wurden uns dort direkt gezeigt; zudem wurde Material erfunden, welches sich stimmig einfügte, und der einen oder anderen Figur – insbesondere Mrs. Coulter – mehr Tiefe gab (wie z.B. ihr Gespräch mit Lee Scoresby), oder einfach generell zu meinen Highlights zählte (wie die Begegnung zwischen Lyra und ihrer Mutter in Carlo Boreals Haus). Eben diese Momente habe ich nun beim Roman teilweise doch schmerzlich vermisst. Generell fällt im direkten Vergleich auf, dass der Roman doch ein bisschen "dünn" ist. Das meine ich jetzt weniger im Hinblick auf die Seitenzahl (auch wenn es dort im Vergleich zu "Der goldene Kompass" und "Das Bernstein-Teleskop" ja ebenfalls zutrifft), sondern die Geschichte an sich. Diese wird von Philip Pullman nämlich sehr effizient erzählt. Dies hat Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite wird einem mit bzw. bei "Das magische Messer" aufgrund des hohen Erzähltempos nie langweilig. Andererseits wirkt das Ganze da und dort ein bisschen überhastet, und kamen mir vor allem auch die Gedanken und Gefühle der Figuren teilweise etwas zu kurz. Pullman belässt es weitestgehend bei einer aufs Mindestmaß reduzierten Erzählung der sich zutragenden Ereignisse. Da und dort beschreibt er mal die Umgebung, in der sich die Figuren gerade aufhalten, mal etwas genauer. Und ja, in entscheidenden Momenten gibt er uns dann doch auch Einblick ins Innenleben der Protagonisten. Insgesamt ist "Das magische Messer" aber sehr auf die Handlung fokussiert (und reduziert). Was wie gesagt grundsätzlich ja nichts Schlechtes sein muss, und vor allem den Roman sehr kurzweilig macht. Da und dort hätte ich mir aber halt schon gewünscht, dass er etwas mehr in die Tiefe gegangen wäre.

Ähnlich wie schon bei "Der goldene Kompass" fiel mir zudem auf, dass er da und dort einzelne Höhepunkte "herunterspielt". Das war ja u.a. schon beim Tod von Roger im ersten Band der Fall, der derart beiläufig beschrieben wurde, dass ich es, hätte ich davor nicht schon die Serie gesehen, wohl völlig verpeilt hätte. Hier nun betrifft es den Tod von Lee Scoresby. Seinen heldenhaften Einsatz, mit dem es ihm letztendlich auch gelingt, alle Soldaten des Magisteriums auszuschalten (dies ist im Übrigen ein wesentlicher Unterschied zur TV-Adaption, wo er zwar sein bestes Tat, und John Parry immerhin genug Zeit verschaffte, so dass dieser seinem Sohn die wichtigsten Informationen übermitteln konnte, Wills Vater dann letztendlich aber doch durch die Hand eines Soldaten starb; hier ist es hingegen die von ihm einst verschmähte Hexe, die seinen Tod herbeiführt), beschreibt er zwar sehr eindringlich. Aber das "Und dann waren sie tot" (bezogen auf Lee und seinen Daemon, Hester) fand ich dann doch etwas plötzlich und plump. Dafür wurden mir durch das Lesen des Buchs einige Zusammenhänge klarer, bzw. wurden generell ein paar Dinge (näher) erklärt, wo ich wünschte, man hätte das auch in der Serie übernommen. Die Geschichte selbst konnte mir jedenfalls auch in "Das magische Messer" wieder sehr gut gefallen. Im zweiten Band von "His Dark Materials" wird nun zunehmend deutlich, wie sehr Pullman hier auf christlich-religiöse Mythen aufbaut, und sie auf so interessante wie aufschlussreiche Art und Weise in seine Erzählung einbaut. Angefangen bei der ersten Sünde, über Gott (hier "Autorität" genannt), Engel usw., bis hin zu Lyra als Wiedergeburt von Eva. Jedenfalls war ich von dieser Geschichte, in der es letztendlich darum geht, gegen eine solche von oben herab kontrollierende (göttliche) Instanz zugunsten von Wissen und Freiheit zu rebellieren, wieder einmal überaus angetan. Gleiches gilt für die starken religions- oder genauer gesagt kirchen-kritischen Töne. Was die hier vermittelten Werte betrifft, war ich hier somit wieder voll und ganz an Bord. Wie jedoch auch schon in der Serie fand ich es etwas schade, dass mit Lyra die wunderbare Protagonistin aus dem ersten Band zugunsten von Will teilweise stark in den Hintergrund gerückt wurde. Ich hoffe, der dritte und abschließende Band der Trilogie wird hier Abhilfe schaffen, und wieder stärker auf Lyra fokussiert sein.

Fazit: Inhaltlich war ich auch von "Das magische Messer" wieder sehr angetan. Erzählerisch hingegen wäre aus meiner Sicht mehr möglich gewesen. Der zweite Band ist sehr stark auf die Handlung fokussiert, und ließ es teilweise etwas an (Charakter-)Tiefe vermissen. Einzelne Ereignisse erleben wir zudem nicht unmittelbar, sondern werden uns nur von zweiter Hand erzählt. Die Geschichte entwickelt sich nicht einfach nur flott weiter, sondern wirkte da und dort auf mich – gerade auch im direkten Vergleich zur TV-Adaption, die sich wesentlich mehr Zeit nimmt – etwas überhastet. Und wie schon in der Serie fand ich es etwas schade, wie im zweiten Band der Fokus von Lyra zu Will verlagert wurde. Dafür war "Das magische Messer" zugegebenermaßen sehr kurzweilig, und konnte mir eben vor allem was die erzählte Geschichte betrifft – nicht zuletzt aufgrund der Überschneidungen zu unserer (christlichen) Religion – sehr gut gefallen. Für den dritten Band hoffe ich aber, neben einer wieder sehr interessanten Geschichte – auf eine etwas dramatischere und tiefergehende Erzählweise.

Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel





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