A Game of Thrones
Der Auftakt zu GRRMs Fantasy-Epos Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 30 März 2019
 
Titel: "A Game of Thrones"
Bewertung:
Autor: George R. R. Martin
Umfang: 835 Seiten (inkl. Anhang)
Verlag: Bantam Books (E)
Veröffentlicht: 01. August 1996 (E)
ISBN: 978-0-553-57340-4
Kaufen: Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Nachdem er den wahnsinnigen König Aerys gestürzt hat, übernahm König Baratheon den Eisernen Thron in King's Landing, und vereinte die sieben Königreiche von Westeros unter seiner Herrschaft. Nun ist er, nach dem überraschenden Tod der Hand des Königs, auf der Suche nach einem neuen Berater – und bricht nach Winterfell auf, um seinen alten Freund und Waffenbruder Eddard "Ned" Stark davon zu überzeugen, diese Rolle zu übernehmen. Befürchtend, dass die frühere Hand einem Komplott zum Opfer fiel, das auch Robert Baratheon bedrohen könnte, nimmt Ned die Aufgabe an. In King's Landing angekommen stellt er Nachforschungen über den Tod seines Vorgängers an – und stößt auf ein wohlgehütetes Geheimnis, das auch sein Leben in große Gefahr bringt. Währenddessen nimmt seine Frau Catelyn den kleinwüchsigen Tyrion Lannister gefangen, den sie für ein hinterhältiges Attentat auf ihren Sohn Bran verantwortlich hält. Und tausende Meilen östlich von King's Landing wird Daenerys Targaryen von ihrem eigenen Bruder an Khal Drogo verkauft, da Viserys mit dessen Armee nach Westeros zurückkehren und den Thron für seine Familie zurückerobern will…

Review: Bislang habe ich die Serie "Game of Thrones" ja ohne Kenntnis der Buchvorlage verfolgt. Nun da sich die wegweisende HBO-Serie ihrem Ende nähert habe ich aber beschlossen, endlich auch in die literarische Welt von Westeros vorzudringen. Nach dem noch recht gemütlichen Einstieg "A Knight of the Seven Kingdoms" war nun also nun der erste Band der epischen "Das Lied von Eis und Feuer"-Saga an der Reihe. George R. R. Martin wird ja – nicht nur wegen den beiden Buchstaben in der Mitte – als der moderne J.R.R. Tolkien bezeichnet – ein Anspruch, dem er mit "A Game of Thrones" durchaus gerecht wird. Denn sowohl was die epische Erzählweise mit mehreren Figuren und Schauplätzen, als auch die Ausarbeitung der Welt, und sowohl der unmittelbaren als auch Jahrtausende zurückreichenden Vergangenheit betrifft, kann es "A Game of Thrones" durchaus mit JRRTs monumentalem "Lord of the Rings"-Epos, dass auch über sechzig Jahre später immer noch das Standardwerk der Fantasy-Literatur darstellt, aufnehmen. Dennoch ist sein Roman weit davon entfernt, ein schlichter Abklatsch des Herrn der Fantasy-Literatur zu sein. So hält er sich im ersten Teil der Saga mit magisch-fantastischen Elementen noch vergleichsweise zurück, die sich hier in erster Linie auf den Auftritt der White Walker gleich zu Beginn, die Hexe Mirri Maz Duur und ihr Wirken, sowie die Geburt/Wiederkehr der Drachen am Ende beschränkt. Davon abgesehen ist "Game of Thrones" aber sehr bodenständig, und könnte von diesen Punkten abgesehen und mit weiteren kleinen, leichten Abwandlungen genauso gut auch im Erd-Mittelalter angesiedelt sein. Orks, Elfen, Zwerge (außer die menschlich-kleinwüchsige Variante) und ähnliche magische Gestalten sucht man hier vergeblich. Darüber hinaus hebt sich "A Song of Ice and Fire" auch vom Grundton her stark von "Lord of the Rings" ab. Wo bereits JRRTs Werk einen Einschnitt in die damals noch oft von märchenhaften und kindgerechten Büchern geprägten Fantasy-Literatur darstellte, mit seiner sowohl epischen als auch erwachsen-schonungslosen Erzählung (die Darstellung des Krieges, die Schleifung des Auenlandes, und und und), setzt GRRM diesbezüglich hier nochmal eins drauf. Die Welt von "A Game of Thrones" ist düster, dreckig, und brutal, und hat mit märchenhaften Fantasy-Welten nun wahrlich nichts mehr gemein.

Generell tritt GRRM – vor allem im ersten Band der Reihe – an, einige klassische Klischees der Fantasy-Literatur zu untergraben (inwiefern es ihm gelingen wird, dies bis zum Ende der Saga – so er diese denn überhaupt jemals fertigstellt – durchzuhalten, sei dahingestellt; zumindest in der auf seine Vorlage basierenden Serie zeichnet sich ja mittlerweile immer stärker eine Umkehr zu eben jenen typischen Fantasy-Mythen ab). Der Eindruck, Ned Stark sei die heldenhafte Hauptfigur, ist im Roman zwar aufgrund des Aufbaus (dazu später mehr) nicht ganz so stark, wie in der Serie, dennoch hätten damals wohl die Wenigsten erwartet, dass Eddard Stark bereits im ersten Band der Reihe, und noch dazu auf erstaunlich unspektakuläre Art und Weise (sprich, er stirbt nicht einmal einen klassischen Heldentod) das Zeitliche segnet. Doch dies ist nicht die einzige Gelegenheit, wo etwas in "A Game of Thrones" so überhaupt nicht nach Plan verläuft – man nehme nur das Schicksal von Viserys. Die Figuren sind zudem angenehm komplex und wesentlich vielschichtiger – und fehlerbehafteter – als man dies in der oftmals stark schwarz/weiß-geprägten Fantasy-Literatur gewohnt ist. Man nehme nur Catelyn, die in ihrer Wut und Trauer der Aussage Littlefingers blind vertraut, und nur darauf basierend Tyrion Lannister gefangen nimmt – was letztendlich einen Krieg auslösen sollte (nicht, dass sie die alleinige Schuld daran trägt; Neds Nachforschungen hätten sein Leben auch so schon in Gefahr gebracht, und natürlich waren die ursprünglichen Ereignisse, die all den Rest auslösten, der Schubser, der zu Brans Fall führte, sowie die Ermordung von Jon Arryn). Und wenn eine Figur dann tatsächlich mal durch und durch gut, loyal, ehren- und heldenhaft zu sein scheint, wie eben Ned Stark, bleibt dies unbelohnt. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Essos, wo Daenerys, um das Leben von Khal Drogo zu retten, ihr gemeinsames Kind opfert – nur damit Drogo als zwar grundsätzlich lebendige, jedoch leere Hülle weiterexistieren kann. "A Game of Thrones" ist voller guter Absichten, die unbelohnt bleiben, oder zumindest einen höheren Preis erfordern, als sich die Person dies im Vorfeld gedacht hätte.

Was ebenfalls hervorsticht, ist der oben bereits kurz angesprochene, doch eher eigenwillige Aufbau. Jedes Kapitel wird aus der Sicht einer bestimmten Figur erzählt. Nun kennt man es zwar grundsätzlich durchaus auch aus anderen Romanen, dass gerade auch bei mehreren Protagonisten bzw. Schauplätzen die Ereignisse aus Sicht von einer Person geschildert werden, ähnlich konsequent wie hier habe ich es jedoch bislang selten bis nie erlebt. Zugleich ist dies aus meiner Sicht aber auch ein bisschen ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite führt es bei den POV-Charakteren zu einer stärkeren Bindung zwischen diesen und dem Leser. Bedeutet aber halt auch zugleich, dass uns die Absichten, Gedanken und Gefühle der nicht-POV-Figuren doch eher im Verborgenen bleiben, was dort wiederum eine eben solche Bindung verhindert. Und vor allem bei einzelnen Ereignissen – insbesondere Ned Starks Tod – fand ich diese Herangehensweise im Hinblick auf die Dramaturgie eher hinderlich. Diese Wendung traf mich in der Serie, wo man zwischen Ned, Sansa, Cersei, Joffrey und Arya hin- und herschwenkt, und jede ihrer unmittelbaren Reaktionen erlebte, wesentlich stärker als im Buch, wo man dieses einschneidende Ereignis nur aus der – räumlich distanzierten – Perspektive von Arya verfolgte. Klar kann man jetzt argumentieren, dass ich schon wusste, was kommt, und es mich deshalb hier nicht mehr so hart traf. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Erzählweise hier ebenfalls ihren Anteil daran hatte. Der zweite kleine Kritikpunkt ist dann die Länge des Romans. Ich habe grundsätzlich nichts gegen lange, epische Erzählungen, und habe so manch dicken Wälzer in meinem Bücherregal stehen. Wichtig ist nur, dass der Inhalt die Länge rechtfertigt. Was bei "A Game of Thrones" zwar eh überwiegend der Fall ist, kleinere Kürzungen hätte man aber aus meiner Sicht durchaus noch vornehmen können, ohne Wesentliches zu verlieren. Denn so rund um die Seiten 500-600 fehlt es kurzzeitig an den ganz großen Ereignissen, den dramatischen Wendungen, und/oder den überraschenden Offenbarungen – weshalb "A Game of Thrones" da kurzzeitig ein bisschen einzuschlafen droht. Davon abgesehen wurde der ersten Band der "Das Lied von Eis und Feuer"-Reihe meiner aufgrund der Serie und den Vorschusslorbeeren hohen Erwartungshaltung aber voll und ganz gerecht.

Fazit: Als jemand, der sich die Romanvorlage zu "Game of Thrones" das erste Mal vorgeknöpft hat, war ich überrascht, wie nah die HBO-Verfilmung – zumindest in der ersten Staffel – an der Vorlage dran ist. Nun könnte man meinen, dass ich es deshalb als Zeitverschwendung empfand, das Buch zu lesen, aber weitgefehlt. Die epische, komplexe und spannende Erzählung verlor trotz Kenntnis des grundsätzlichen Inhalts nichts an Faszination – zumal GRRM auch über das nötige schriftstellerische Talent verfügt, um sich nicht einfach nur eine tolle Geschichte auszudenken, sondern diese zudem auf packende und ansprechende Art und Weise zu erzählen vermag. Zudem besticht "A Game of Thrones" auch in der Vorlage durch die dreckig-brutal-schonungslose Welt, die GRRM hier beschreibt, und die das "Lied von Eis und Feuer" auch von anderen Fantasy-Epen abhebt, sowie dem Unterlaufen typischer Klischees der Fantasy-Unterhaltung, wie sich ja u.a. am Tod von Ned Stark zeigt. Aber auch davon abgesehen verläuft vieles nicht nach Plan, und bleiben vor allem auch gute Absichten oftmals (wenn nicht gar meistens) unbelohnt. Davon abgesehen hatten es mir in erster Linie die vielschichtigen und allesamt fehlerbehafteten Figuren angetan – selbst Ned ist nicht perfekt, da zwar ehrenhaft, aber eben doch auch etwas naiv; was ihm letztendlich auch das Leben kostet. Und auch der Aufbau – jedes Kapitel wird aus der Sicht einer bestimmten Figur erzählt – sticht hervor. Diese grundsätzlich interessante und hervorstechende "point of view"-Erzählweise bringt jedoch nicht nur Vorteile mit sich, und im Mittelteil droht dem ersten Band der "Das Lied von Eis und Feuer"-Reihe – der mit über 800 kleinbedruckten Seiten nochmal um rund 2/3 länger ist als "Die Gefährten" – kurzzeitig doch ein bisschen die Luft auszugehen. Davon abgesehen hat GRRM mit "A Game of Thrones" aber einen beeindruckenden Einstieg in sein monumentales Epos geschaffen, mit dem er JRRTs "Lord of the Rings" durchaus Konkurrenz macht.

Bewertung:4.5/5 Punkten
Christian Siegel





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