Wer fürchtet den Tod
Außergewöhnliche, aber auch schwere, Fantasy-Kost Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 23 September 2017
 
Titel: "Wer fürchtet den Tod"
Originaltitel: "Who Fears Death"
Bewertung:
Autorin: Nnedi Okorafor
Übersetzung: Claudia Kern
Umfang: 512 Seiten
Verlag: Cross Cult
Veröffentlicht: 03. April 2017
ISBN: 978-3-95981-186-6
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Als aus einer Vergewaltigung hervorgegangenes Ewu-Kind ist Onyesonwu eine Ausgestoßene. Erst als sie mit elf Jahren mit anderen Mädchen an der rituellen Beschneidung teilnimmt, findet sie in ihnen Verbündete und Freundinnen fürs Leben. Auch der Ewu-Junge Mwita ist ihr zugetan. Doch ihre Herkunft lässt Onyesonwu keine Ruhe. Immer wieder besuchen sie die Augen ihres Vaters – der eigentlich einen Sohn zeugen wollte – im Traum. Um sich gegen ihn zu verteidigen, möchte sie lernen, die in ihr wohnende Zauberkraft zu nutzen, doch anfangs weigert sich der Zauberer Aro, sie auszubilden. Erst nach einem Zwischenfall im Dorf, der deutlich macht, dass es zu gefährlich ist, sie nicht zu lehren ihre Macht unter Kontrolle zu bringen, denkt dieser um. Ihre Ausbildung ist alles andere als leicht, und konfrontiert Onyesonwu unter anderem mit ihrem eigenen Tod. Allerdings zeigt sich auch schon bald, dass sie jene mächtige Ewu-Zauberin sein könnte, die nach einer alten Prophezeiung den Völkermord in ihrem Land beenden könnte. Dafür ist sie jedoch nicht nur auf die Hilfe ihrer Freundinnen sowie ihres mittlerweile Liebhabers Mwita angewiesen, sondern muss sich auch ihrem biologischen Vater – selbst ein mächtiger Zauberer – stellen…

Review: "Wer fürchtet den Tod?" war der (Erwachsenen-)Debütroman von Nnedi Okorafor, deren "Lagune" mir ja wirklich gut gefallen konnte. Was nun an "Wer fürchtet den Tod" vornehmlich positiv hervorsticht, ist seine Einzigartigkeit. Nun kann natürlich niemand von sich behaupten, jeden einzelnen Roman der jemals geschrieben wurde zu kennen, und gerade auch bei AutorInnen mit nicht EU- oder US-Wurzeln hätte ich zugegebenermaßen großen Aufholbedarf. Aber zumindest mir ist ein Roman wie "Wer fürchtet den Tod?" noch nicht untergekommen. Er bezieht sich stark auf afrikanische Mythen, und schon allein so in diese Kultur einen Einblick zu erhalten fand ich interessant. Und generell hab ich einen Roman wie "Wer fürchtet den Tod?" bislang nicht gelesen, was ihn jedenfalls sehr erfrischend machte. Zugleich sei jedoch auch gleich warnend festgehalten: Leichte Kost ist "Wer fürchtet den Tod?" nun wirklich nicht. Bereits auf den ersten Seiten wird man mit schonungslosen Beschreibungen von Massenvergewaltigungen und Völkermord konfrontiert, in weiterer Folge darf man dann Genitalverstümmelungen beiwohnen – sprich: "Unterhaltsam" wäre im Hinblick auf Okorafor's Erwachsenen-Erstling (davor hatte sie ein paar Kinder- und YA-Bücher verfasst) definitiv das falsche Wort. Nun bin ich nicht gerade zimperlich, ich muss jedoch gestehen, dass die betreffenden Einlagen selbst mir teilweise zu heftig waren. Und vor allem zum Ende hin baute "Wer fürchtet den Tod" meines Erachtens dann ein bisschen ab. Zumal ich es vorgezogen hätte, wenn sich Okorafor die letzten 2-3 Kapitel gespart hätte.

Trotzdem überwiegen die positiven Aspekte: Mit Onyesonwu hat Okorafor eine beeindruckende Heldin geschaffen, die mit der Art und Weise, wie sie als Ausgestoßene beginnt und schließlich zu einer Art Zauberin wird, die sich gegen ihre Häscher auflehnt und sich zuletzt auch ihrem biologischen Vater stellt, eine zwar natürlich sehr fantastische, aber nichtsdestotrotz auch ansprechend-befreiende Message des (weiblichen) Empowerments vermittelt. Auch die bereits erwähnte Eigenständigkeit zeichnet "Wer fürchtet den Tod?" zweifellos aus. Zudem beweist die Autorin hier großen Einfallsreichtum, und präsentiert auch abseits von Onyesonwu zahlreiche faszinierende Phänomene, wie z.B. jene Nomaden, die einen riesigen Sandsturm erschaffen und in dessen Inneren leben. Und wenn es den Roman teilweise schwer zu lesen macht und Okorafor was die Darstellung von Sex und Gewalt betrifft kein Blatt vor dem Mund nimmt ist zweifellos auch die – bewusst überhöhte – Thematisierung von Völkermord oder auch Praktischen wie die weibliche Beschneidung positiv hervorzuheben. Zumal die Autorin hier trotz aller teils heftigen Momente letztendlich mit einer positiven Message abschließt, und die Fantasy-Kräfte ihrer Heldin teilweise etwas sehr befreiendes haben. Und last but not least hat mich auch das zwischendurch immer wieder durchscheinende, postapokalyptische Setting angesprochen. Summa summarum mag mich "Lagune" zwar thematisch etwas mehr angesprochen haben, dennoch ist auch "Wer fürchtet den Tod?" absolut lesenswert.

Fazit: "Wer fürchtet den Tod" ist in jedem Fall ein sehr eigenwilliger und außergewöhnlicher Fantasy-Roman. Mit der expliziten Beschreibung von Sex und Gewalt sowie generell ein paar ziemlich heftigen Momenten muss man schon klar kommen, sonst wird man mit ihm nicht glücklich. Und so sehr ich die entsprechende Schonungslosigkeit der Autorin auf der einen Seite bewundere, wäre mir andererseits eine etwas verhaltenere Darstellung auch lieber gewesen. Aber "Wer fürchtet den Tod?" ist nun mal bis zu einem gewissen Grad als Weckruf gedacht, der trotz aller Fantasy-Elemente und dem post-apokalyptischen Setting auf aktuelle Missstände hinweisen will, und sich als Plädoyer gegen das Wegsehen erweist. Als solcher gelang es ihm in meinem Fall zweifellos, wachzurütteln und zu beeindrucken. Die Story selbst sprach mich allerdings im direkten Vergleich zu "Lagune" weniger an, die Beschreibung der Sexszenen ist teilweise ein bisschen na ja, und zum Ende hin verliert er dann ein bisschen an Spannung und Reiz. Dennoch besticht "Wer fürchtet den Tod?" mit seinem ungewöhnlichen Setting, dem faszinierenden Einblick in diese fremde Kultur, sowie dem bestechenden Einfallsreichtum der Autorin. Dafür gibt es dann von mir auch – mit den zuvor erwähnen Einschränkungen und Warnhinweisen – eine klare Empfehlung.

Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel





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