Sherlock Holmes: Das Zeichen der Vier
Einer von Sherlock Holmes besten Fälle Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 18 Februar 2017
 
Titel: "Sherlock Holmes: Das Zeichen der Vier"
Originaltitel: "Sherlock Holmes: The Sign of Four"
Bewertung:
Autor: Sir Arthur Conan Doyle
Übersetzung: Leslie Giger
Umfang: 165 Seiten
Verlag: Haffmans
Veröffentlicht: 1988 (D, Haffmans Verlag) bzw. 1890 (E, Lippincott's Magazine)
ISBN: 978-3-251-20101-8
Kaufen: Taschenbuch (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Seit einigen Jahren erhält eine bezaubernde junge Dame pünktlich zu ihrem Geburtstag eine wunderschöne Perle. Nun möchte sich ihr unbekannter Gönner mit ihr treffen, und obwohl er ihr in seinem Schreiben versichert, dass er nur die besten Absichten verfolgt, ist sie verständlicherweise verunsichert – und wendet sich an Sherlock Holmes, der sie zu diesem Treffen begleiten soll. Noch bevor die beiden gemeinsam mit Dr. Watson die Wohnung in der Baker Street verlassen, hat Sherlock Holmes die Identität des Unbekannten sowie seine Beweggründe herausgefunden – trotzdem droht sich der Fall noch einmal deutlich zu verkomplizieren, als ein Mord passiert. Und obwohl Sherlock Holmes auch diesen in gewohnt souveräner Manier aufzuklären vermag, drohen ihm die Täter zu entwischen…

Review: Sir Arthur Conan Doyles zweiter Sherlock Holmes-Roman hat mir sogar noch eine Spur besser gefallen als der ohnehin schon gelungene Vorgänger. Dies liegt vor allem am zugrundeliegenden Kriminalfall: War dieser, wie in meinem Review angemerkt, bei "Eine Studie in Scharlachrot" noch relativ schlicht und simpel, erwartet Sherlock Holmes diesmal ein deutlich komplizierteres Rätsel – haben wir es hier doch mit einer klassischen "Locked Room"-Mystery zu tun, da der Ermordete in einem von innen verschlossenen Zimmer gefunden wird. Sherlock mag auch dies nicht lange beschäftigt haben, aber als Leser ist man diesmal aufgrund des wesentlich komplexeren Rätsels von Sherlocks herausragender Beobachtungs- und Kombinationsgabe gleich noch um einiges mehr beeindruckt. Generell war der Fall wesentlich ausgeklügelter, weshalb es mir doch noch eine Spur mehr Spaß machte, die Ermittlungen zu verfolgen, war ich doch auf die Auflösung sowie auf Sherlocks Erklärung, wie er an seine jeweiligen Schlüsse gelangt ist, schon sehr gespannt. Doch es ist nicht nur der Mord an sich, sondern auch der Verlauf, den der Fall in weiterer Folge nimmt. Denn zwar mag Sherlock den Mörder schon sehr bald identifiziert und rasch Licht in die mysteriösen Ereignisse gebracht haben. Dann jedoch droht der Täter ihm doch noch zu entkommen, und scheint es, als würde Sherlock trotz all seiner genialen, deduktiven Fähigkeiten scheitern. Es ist dann auch vor allem dieses Kapitel, während der Sherlock Holmes trotz seiner Fähigkeiten doch tatsächlich mit seinem Latein am Ende zu sein scheint, wo wir auch wieder einen schönen Einblick in Holmes' Persönlichkeit erhalten.

Die Flucht des Täters sorgte zudem dann zudem für einen packenden Showdown. Ich habe noch keine Verfilmung der Geschichte gesehen (wobei ich dies demnächst mit der Version mit Jeremy Brett, von der ich die damals auf ZDF ausgestrahlten Episoden kenne, nachholen werde, worauf ich mich schon sehr freue) und kann mir vorstellen, dass es gerade auch in der heutigen Zeit voller Hochgeschwindigkeits-Verfolgungsjagden schwer sein könnte, die Spannung welche sich auf den Seiten entfaltet auf den Fernseher oder gar die Leinwand zu übertragen, immerhin verfolgt ihr ein Dampfkahn den anderen. Aber im Roman selbst hat das für mich blendend funktioniert, und fieberte ich richtig mit. Interessant auch, dass im Gegensatz zum Vorgänger das nähere Beleuchten der Motive bzw. der Vergangenheit des Täters gerade mal ein Kapitel einnimmt. Auch erfolgt die Schilderung nicht im Stile einer richtigen Rückblende, sondern mittels einer Erzählung – wodurch doch eine gewisse Distanz aufgebaut wird, da man als Leser nicht so in die Geschichte involviert ist, als wenn es sich um eine richtige Rückblende handeln würde, wo man das Geschehen unmittelbar miterlebt. Ich persönlich habe dies so interpretiert, dass Doyle diesmal gar nicht will, dass sich der Leser mit ihm identifiziert, da die Motive des Täters diesmal deutlich weniger nobel ausgefallen sind als bei der "Studie in Scharlachrot". Aber dies ist natürlich nur mein Eindruck, und muss nicht der Intention des Autors entsprechen.

Was nach wie vor gefallen kann, ist Sir Arthur Conan Doyles Schreibstil. Der Vorgänger hatte zwar was Humor betrifft noch einen Tick mehr zu bieten, dennoch zog mich seine Schreib- und Erzählweise wieder einmal von der ersten Seite an in ihren Bann. Und der Kriminalfall an sich war wie oben ja schon festgestellt jenem aus Sherlocks ersten Roman ohnehin klar überlegen. Die Figuren selbst wussten ebenfalls wieder zu begeistern. Sherlock ist nach wie vor mindestens so genial wie verschroben, und gefällt gerade auch wegen seiner Ecken und Kanten, die sich u.a. in seinen Stimmungsschwankungen und auch einer gewissen (wenn auch verdienten) Arroganz auszeichnen. Und auch dem Kokain wird hier – zumindest in der vollständigen, originalgetreuen und unzensierten Übersetzung von Leslie Giger, die ich allen Fans des Deerstalker-Trägers nur wärmstens ans Herz legen kann – zum ersten Mal munter gefrönt. Lediglich zwei Kritikpunkte habe ich ins Treffen zu führen – auch wenn diese letztendlich ohne Auswirkung auf die Wertung bleiben. So merkt man dem ersten Kapitel etwas gar eindeutig an, dass es in erster Linie dazu dient, allfälligen unbedarften, neu hinzugekommenen Lesern noch einmal Sherlocks Fähigkeiten der Deduktion vorzuführen – wobei man sich doch etwas wundert, wenn Watson, obwohl er mittlerweile schon länger mit Holmes zusammenwohnt, davon immer noch so beeindruckt und erstaunt ist wie beim ersten Mal. Und auch die Darstellung des "schwarzen Wilden" ist zweifellos nicht unproblematisch – wenn man hier auch in meinen Augen die Zeit, in der diese Erzählung entstanden ist, berücksichtigen muss. Dann sollte es auch möglich sein, dem Roman bzw. Sir Arthur Conan Doyle die hier zum Vorschein kommenden Vorurteile nachzusehen.

Fazit: Mit "Das Zeichen der Vier" hat Sir Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes' ersten Roman sogar noch einmal um eine Spur übertroffen. Dies liegt in erster Linie am Fall, den es diesmal aufzuklären gilt, und der wesentlich komplexer, ausgeklügelter und damit auch interessanter daherkommt, als noch bei der "Studie in Scharlachrot". Zudem fand ich das Geschehen diesmal – nicht zuletzt dank der abschließenden Mörderhatz – packender geschildert als beim Vorgänger. Ansonsten ist alles beim alten. Sowohl Doyles Schreibstil als auch die von ihm geschaffenen Figuren können nach wie vor überzeugen, wenn nicht gar begeistern. Sherlock Holmes darf wieder einmal seine Genialität unter Beweis stellen, zeigt sich dabei jedoch auch nicht immer nur von seiner Schokoladenseite, sondern darf auch die eine oder andere Schwäche offenbaren. Doktor Watson ist der ihm treu zur Seite stehende Kamerad, der oftmals auch als moralischer Kompass seines von Logik dominierten Freundes fungiert. Aber auch die Gastfiguren sind gut beschrieben und gelungen charakterisiert. Kleinere Schwächen – wie das leicht abfallende erste Kapitel – mögen vorhanden sein, fallen aber letztendlich nicht ins Gewicht. Insgesamt halte ich "Das Zeichen der Vier" für einen von Sherlock Holmes besten Fällen – und auch für einen der besten Kriminalromane, die je geschrieben wurden.

Bewertung: 5/5 Punkten
Christian Siegel
Umschlagbild © 1988 Haffmans Verlag





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