Discworld: Monstrous Regiment
Wenn junge Frauen in den Krieg ziehen… Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 28 Mai 2016
 
Titel: "Discworld: Monstrous Regiment"
Deutscher Titel: "Weiberregiment"
Bewertung:
Autor: Terry Pratchett
Umfang: 494 Seiten
Verlag: Doubleday
Veröffentlicht: 25. September 2003
ISBN: 978-0-552-14941-9
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Seit einer gefühlten Ewigkeit befindet sich Borogravia im Krieg mit Zlobenia. Um ihren nie aus dem Krieg zurückgekehrten Bruder zu suchen, verleiht sich Polly Perks ein männliches Aussehen, und verpflichtet sich zum Dienst in der Armee. Von einer ihr wohlgesonnenen Person bekommt sie zudem ein paar weitere, wichtige Hinweise, um sich männlicher zu benehmen und männlicher aussehen zu können. Zudem findet sie schon bald heraus, dass sie bei weitem nicht die einzige Frau in ihrer Kompanie ist. Zusammen muss sich das "Weiberregiment" der Tatsache stellen, dass der Krieg für Borogravia verloren scheint. Die letzten verbliebenen Kompanien wurden vom Feind umzingelt, doch die Oberbefehlshaber sind zu stur und zu stolz, um die Niederlage anzuerkennen. Kann es Polly und ihren Kameradinnen gelingen, ein Blutbad zu verhindern, und Borogravia endlich Frieden zu bringen?

Review: Bevor wir zum Inhalt selbst kommen, muss zuerst das grandiose Cover von Paul Kidby hervorgehoben werden, in dem er auf grandiose Art und Weise das wohl weltberühmteste Kriegsfoto, nämlich jenes der US-Soldaten nach der Eroberung von Iwo Jima, übernimmt und im Kontext des Romans neu interpretiert. Das war wirklich eine phantastische Idee. Der Roman selbst konnte mir ebenfalls sehr gut gefallen. Die erste wesentliche Stärke war dabei der wieder einmal sehr entlarvende, jedoch zugleich auch sehr sachliche Blick auf kriegerische Auseinandersetzungen. Wie Gewalt Gegengewalt erzeugt, und in dieser Spirale letztendlich immer mehr Leute gefangen werden. Wie schwer es sein kann, nach all dieser Zeit Frieden überhaupt noch in Betracht zu ziehen, aufgrund all den Blutes, das geflossen ist – oder auch, da die Oberbefehlshaber die Niederlage ihres Heeres einfach nicht eingestehen wollen und können, und ihre Truppen so bis zum letzten Mann verheizen. Vor allem aber stellt sich Pratchett sehr deutlich gegen eine Dämonisierung des Gegners. In dieser Geschichte, die zumindest vom Namen der Orte her an den Jugoslawien-Krieg angelehnt zu sein scheint, stellt sich Borogravia zwar als der Übeltäter heraus, der seinen Nachbarn angegriffen hat – doch dadurch, dass wir das Geschehen aus der Sicht der Soldaten Borogravias verfolgen wird deutlich, dass eben diese an sich deshalb noch lange nicht schlecht oder böse sein müssen. Sie alle mögen aus den unterschiedlichsten Gründen in den Krieg ziehen, aber wenn sie einmal dort sind, kämpfen sie letztendlich nur mehr aus einem Grund: Nämlich, um ihr Leben, und das ihrer Kameraden, zu schützen. Eine wichtige Wahrheit, die nicht oft genug ausgesprochen werden kann.

Die zweite wesentliche Stärke ist natürlich die Thematisierung von Geschlechterpolitik. Dabei steht zwar die Thematik von Frauen in der Armee im Mittelpunkt, dient letztendlich aber nur als Ausgangspunkt bzw. als Analogie, um sich mit der Rolle von Frauen in der Gesellschaft an sich auseinanderzusetzen. Pratchett macht dabei wieder einmal keinen Hehl daraus, dass er Frauen in allen Belangen für mindestens so kompetent hält, wie Männer, und ihm dementsprechend jedwede Diskriminierung gegen den Strich geht, glorifiziert sie jedoch dabei auch nicht. Aber auch andere Themen, wie Religion, Dogmen usw., spielen in "Monstrous Regiment" eine wichtige Rolle. Insgesamt erwies sich der Roman jedenfalls wieder als einer jener, in denen es Pratchett nicht einfach nur darum geht, eine spannende und phantasievolle Geschichte zu erzählen, sondern wo er einiges an Gesellschaftskritik einfließen lässt, und einige Themen in den Mittelpunkt stellt, die ihm wichtig sind. Dafür, dass dies nie zu trocken, belehrend bzw. predigend wirkt, sorgen einerseits die wieder einmal wundervoll charakterisierten und sehr abwechslungsreichen Figuren, eine interessante Handlung, sein gewohnter Humor, einzelne denkwürdige Zitate (wie z.B. "The presence of those seeking the truth is infinitely to be preferred to those who think they've found it."). Zwei Kritikpunkte habe ich dann aber doch noch vorzubringen. So schienen mir knapp 500 Seiten für diese Geschichte bzw. die damit einhergehenden Aussagen dann doch etwas zu großzügig bemessen zu sein, weshalb ich fand, dass sich die Story da und dort ein bisschen zog. Und mit der Zeit war es mir der Offenbarungen von weiblichen Personen in der Armee etwas zu viel. Spätestens wenn sich herausstellt, dass praktisch jeder Soldat in Wahrheit weiblich ist, droht das Ganze in Bauerntheater abzugleiten. Das war mir einfach dann doch etwas zu übertrieben – zumal ich diesen ständigen Offenbarungen mit der Zeit auch leid war, zumal jede davon an Überraschungseffekt einbüßte. Hier wäre weniger in meinen Augen mehr gewesen.

Fazit: In "Monstrous Regiment" wendet sich Terry Pratchett wieder Themen zu, die ihm sehr am Herzen liegen, wobei insbesondere die Mechaniken des Krieges sowie die Rolle der Frau in der Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Seine Meinung und Gedanken zu diesen und anderen Themen verpackt er dabei in einem fast 500-Seiten langen Monster, wobei neben den wieder einmal sehr originellen und sympathischen Figuren und der interessanten Geschichte vor allem auch sein gewohnt gewitzt-humoristischer Schreibstil dafür sorgt, dass seine "Predigt" nie zu trocken wird. Dennoch hatte ich hier zum wohl ersten Mal bei einem Scheibenwelt-Roman den Eindruck, dass man da und dort etwas hätte kürzen können; und auch bei den Offenbarungen rund um weibliche Soldatinnen in der Armee wäre weniger mehr gewesen. Die teils bissige Gesellschaftskritik sowie der überwiegend hohe Unterhaltungswert machten diese Schwächen jedoch weitestgehend wieder wett.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel






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