Schatten des Todes
Titel: "Schatten des Todes"
Originaltitel: "Clark's Law"
Bewertung:
Autor: Jim Mortimer
Übersetzer: Uwe Anton
Umfang: 320 Seiten
Verlag: Goldmann (D), Dell Publishing (E)
Veröffentlicht: März 1998 (D) bzw. Januar 1996 (E)
ISBN: 3-442-25027-7
Setting: Mitte Dezember 2259, zwischen "Das Verhör des Inquisitors" und "Ein Pakt mit dem Teufel"
Relevanz: Gering
Spoiler? Kleinere Spoiler bis inkl. der Folge "Das Verhör des Inquisitors"
Wo erhältlich? Sowohl die deutsche als auch die Original-Ausgabe sind vergriffen, jedoch werden immer wieder Exemplare des Romans auf ebay oder dem amazon marketplace angeboten.
 

Kurzinhalt: Eine Delegation der Tuchanq, deren Heimatplanet vor vielen Jahren von den Narn erobert wurde, kommt auf die Station. Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Narn, und Ivanova sieht keinen anderen Ausweg, als alle daran Beteiligten zu betäuben. Die Tuchanq sind darüber sehr verstört, wurde doch dadurch ihr "Gesang des Seins" unterbrochen, was schreckliche Folgen hat: Ohne eine Wiedergeburtszeremonie drohen die betäubten Tuchanq wahnsinnig zu werden. Doch bevor diese Zeremonie an ihr durchgeführt werden kann, wacht D'Arc wieder auf und flüchtet aus der Krankenstation. Auf der Suche nach einem neuen Gesang des Seins bringt sie einen Menschen um. Dies ist die perfekte Gelegenheit für Präsident Clark, ein Exempel zu statuieren, wurde doch erst vor kurzem ein neues Gesetz verabschiedet, dass für Mordverbrechen wieder die Todesstrafe einsetzte.. Während Sheridan mit allen Mitteln versucht, die drohende Verurteilung und Exekution zu verhindern, wird auf G'Kar ein Anschlag verübt. Bei seinen Nachforschungen findet der ehemalige Botschafter heraus, dass sein Erzfeind Londo Mollari dahinter steckt. Nun sinnt G'Kar auf Rache…

Review: "Schatten des Todes" ist nun wirklich ein ganz spezieller Fall. Auf der einen Seite merkt man, dass sich Jim Mortimer ja wirklich bemüht. Einerseits verwendet er, gerade auch im Vergleich zu John Vornholts sehr schlichtem Schreibstil, eine gehobenere Sprache. Dabei schießt er zwar gelegentlich übers Ziel hinaus, und präsentiert die eine oder andere etwas gar hochtrabende Formulierung, aber grundsätzlich weiß ich das durchaus zu schätzen. Vor allem aber bemüht er sich, im Vergleich zu den belanglosen ersten drei Romanen, die über keinerlei Bezug zur fortlaufenden Geschichte verfügten, stärker in die Rahmenhandlung der Serie einzubinden und "Schatten des Todes" so mehr Relevanz zu verleihen. Und genau dort fangen die Probleme an. Weil leider präsentiert Jim Mortimer – teilweise unverschuldet, und teilweise aufgrund seiner eigenen Unaufmerksamkeit – dabei so manche Fakten, mit denen er Informationen aus der Serie widerspricht. Im Gegensatz zu den ersten drei Büchern, die zwar auch nicht zum Kanon gehören, mit diesem jedoch überwiegend in Einklang zu bringen sind, haben wir hier also den Fall, dass "Schatten des Todes" diesem teilweise direkt widerspricht. So z.B. auch gleich das allererste Kapitel (was dem Roman schon mal einen ungünstigen Einstand beschert), welches Ereignisse, die uns in "Der erste Schritt" gezeigt wurden, völlig anders darstellt. Zugegebenermaßen war dieser zu dem Zeitpunkt noch nicht geschrieben und gedreht – aber die Krux an der Sache ist: Es gab eigentlich nicht den geringsten Grund, auf dieses Ereignis zu referenzieren – und damit halt auch das Risiko einzugehen, dass seiner Darstellung in weiterer Folge durch das offizielle Material widersprochen wird. Weil für die Geschichte, die Mortimer hier erzählt, hat die damalige Aussage des Captains nicht die geringste Relevanz.

Darüber hinaus gibt es auch noch ein paar Details, die aufzeigen, dass Mortimer längst nicht der "Babylon 5"-Experte ist, als der er mit seinen ganzen (teils willkürlichen und überflüssigen) Anspielungen darstellen will. So schreibt er über Globbit-Eier, als würde es die wirklich geben; dass das eine Erfindung von Dr. Franklin war, um Shon zu trösten, ist ihm scheinbar entgangen. Die PPGs werden als Waffen mit unterschiedlichen Stufen dargestellt, darunter auch eine zur Betäubung. Auch das widerspricht der Serie und wirkt so, als hätte der Autor "Babylon 5" mal kurz mit "Star Trek" verwechselt. Dass später von einer grünen und roten Fraktion der Drazi gesprochen wird (statt purpur), mag dem Übersetzer Uwe Anton anzulasten sein; nicht jedoch die Behauptung, die Kämpfe zwischen den Fraktionen würden jedes Jahr ausbrechen. Vielmehr findet dies "nur" alle fünf Jahre statt – wie in "Eine Frage der Farbe" auch klar und deutlich festgehalten wurde. Aus Vir Cotto wird zudem Vir Kotto, Epsilon III wird ein Mond (hier hatte ich unweigerlich Spock im Ohr: "Vulkan hat keinen Mond.") und Sheridan eine Abneigung gegenüber Zivilisten (die mir in der Serie nun wirklich nie aufgefallen wäre) angedichtet. Der gröbste Fehler ist aus meiner Sicht aber der Plot zwischen Londo und G'Kar, der an dieser Stelle der Rahmenhandlung (Mitte Dezember 2259, also nach dem Ende des Krieges zwischen Centauri und Narn) überhaupt keinen Sinn ergeben will. Welchen Grund sollte Londo bitte schön haben, G'Kar Attentäter auf den Hals zu hetzen? Noch mehr irritierte mich jedoch die Tatsache, dass dieser daraufhin versucht, Londo zu töten – und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Mord eines Centauri durch die Hand eines Narn mit dem Tod von 500 Narn – darunter der Familie des Täters – bestraft wurde. Das Ärgerlichste an der ganzen Sache ist: Wie schon der sich aus dem ersten Kapitel ergebende Kontinuitätsfehler, war dies völlig unnötig. Die Attentatsgeschichte ist von der Haupthandlung komplett losgelöst. Alles rund um D'Arc hätte Mortimer auch ohne diese Nebenstory erzählen können. Wozu war das ganze also bitte schön gut?

Wer jetzt aber glaubt, zumindest diese zentrale Geschichte rund um die Tuchanq würde "Schatten des Todes" retten, der irrt. Tatsächlich ist diese vielmehr mein größter Kritikpunkt am Roman; einfach, weil deren weiterer Verlauf völlig hirnrissig ist und keinen Sinn ergibt. Dabei beginnt dieser Teil der Story eigentlich noch recht vielversprechend. Die Idee der Tuchanq – ein Volk, das nie schläft, und wenn sie das Bewusstsein verlieren, durch eine Wiedergeburtszeremonie wieder "geheilt" werden müssen – war grundsätzlich interessant. Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Idee gefällt, dass diese von den Narn erobert und unterdrückt wurden, wie diese ihrerseits zuvor von den Centauri erobert und unterdrückt wurden – in der Serie schien sich die Aggression der Narn eigentlich immer nur gegen die Centauri zu richten, und nicht gegen andere, unschuldige Völker – aber im Sinne des Anspruchs von "Babylon 5", sich einer üblichen Schwarz-Weiß-Zeichnung zu entziehen, kann ich es akzeptieren. Und auch D'Arcs Wahnsinn und der Mord am Geschäftsmann waren gut beschrieben. Danach entgleist die Story aber leider völlig. Denn Jim Mortimer hat eine Geschichte zu erzählen, und damit eine Aussage zu treffen, und bei Gott, das wird er auch tun – koste es, was es wolle. Ja selbst, wenn er dabei auf jegliche Logik scheißen und eine der kontruiertesten Plots rund um ein Gerichtsverfahren präsentieren muss, die mir in meinem ganzen Leben untergekommen sind. Das beginnt schon damit, dass D'Arc zwar Teil der Tuchanq-Delegation ist, ihr aber einfach mal so – warum auch immer – die diplomatische Immunität aberkannt wird. Dann findet die Verhandlung – warum auch immer – statt einem normalen Straf- vor einem Militärgericht statt. Sheridan wird – warum auch immer – zum Richter ernannt (was auch immer ihn, ohne jegliche Ausbildung in dem Bereich, dazu ermächtigt).

Das dümmste ist aber, dass sich Sheridan – warum zum Teufel auch immer – dazu gezwungen sieht, die Todesstrafe auch tatsächlich zu verhängen, so als würde das Gesetz nicht den geringsten Spielraum lassen. Das ist doch Quatsch mit Soße. Das Gesetz kann IMMER nur einen Strafrahmen festsetzen, aber das Urteil ist immer noch im Ermessen des Richters – und bei so vielen mildernden Umständen wie in D'Arcs Fall ist es absolut unverständlich, dass sich Sheridan zur Höchststrafe gezwungen sieht. Und dann finden die kompletten Ereignisse hier auch noch binnen 3 Tagen statt, vom Mord bis zur Hinrichtung! Ja, ne, is klar. Aber: Muss halt sein, weil ansonsten hätte sich der Plot nicht von Mortimer gewünscht entwickeln können, hätte es keine Ausschreitungen auf der Station geben können, hätte er seine Message (der ich ja noch dazu zustimme, Himmel Arsch und Zwirn!) nicht mit dem Holzhammer einprügeln können – und hätte er vor allem auch am Ende nicht den Abschlussgag einbauen können, dass D'Arc in Wahrheit ja gar nicht tot ist, sondern es sich um eine Täuschung handelte. Aufgrund der zahlreichen Todesopfer, welche die Ausschreitungen forderten (und die am Ende irgendwie völlig vergessen sind), wirkt Sheridan hier aber nicht etwa clever und ausgefuchst, sondern vielmehr dumm und unverantwortlich. Jedenfalls: So schlecht die anderen "Babylon 5"-Romane teilweise auch waren, aber "Schatten des Todes" ist echt das einzige, wo ich mich teilweise echt zurückhalten musste, um es nicht aus der Hand zu schleudern und vor Wut und Frust (aber auf bzw. über den Autor, nicht wegen des Geschehens an sich) in die Ecke zu schleudern. Finger weg!

Fazit: "Schatten des Todes" mag nicht der schlechteste "Babylon 5"-Roman sein – aus meiner Sicht ist er aber mit Abstand der Blödeste und Frustrierendste. Frustrierend ob der Tatsache, dass sich Mortimer offenkundig um einen größeren Bezug zur Geschichte aus der Serie bemüht, damit aber insofern scheitert, als er zahlreiche Kontinuitätsfehler einbaut, und sich seine Story somit nur schwer mit der Handlung aus der Serie in Einklang bringen lässt – was insbesondere für alles rund um Londo und G'Kar gilt; eine B-Story, die noch dazu völlig unnötig war, da sie in keinem Bezug zur Haupthandlung steht, und er sich somit die daraus resultierenden Kontinuitätsfehler leicht hätte sparen können. Und Blöd, weil der Verlauf der A-Story rund um den Mord von D'Arc einfach nur hirnrissig ist – insbesondere was dann den Prozess und das Urteil anbelangt. Das ist einfach alles von hinten bis vorne konstruiert; was nicht passt, wird von Mortimer passend gemacht, selbst wenn er dafür jegliche Logik am Altar seiner Geschichte opfern muss. Ärgerlich ist dies insofern, als Mortimers schriftstellerisches Talent unverkennbar ist. Da und dort mögen seine Formulierungen etwas gar übertrieben hochtrabend sein, dennoch merkt man, dass er grundsätzlich schreiben kann. Nur, was hilft mir das, wenn das was er schreibt kacke ist? Schön geschriebener Bullshit ist und bleibt halt trotzdem Bullshit.

Bewertung: 1/5 Punkten
Christian Siegel





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