Beau Is Afraid
Ari Asters Psycho-Trip mit Joaquin Phoenix Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 10 Oktober 2023
 
Halloween-SPECiAL

 
Beau Is Afraid
Originaltitel: Beau Is Afraid
Produktionsland/jahr: USA 2023
Bewertung:
Studio/Verleih: A24/Leonine Studios
Regie: Ari Aster
Produzenten: U.a. Ari Aster & Lars Knudsen
Drehbuch: Ari Aster
Filmmusik: The Haxan Cloak
Kamera: Pawel Pogorzelski
Schnitt: Lucian Johnston
Genre: Horror/Drama/Komödie
Kinostart Deutschland: 11. Mai 2023
Kinostart USA: 21. April 2023
Laufzeit: 179 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube (Englisch)
Kaufen: Noch nicht verfügbar
Mit: Joaquin Phoenix, Patti LuPone, Amy Ryan, Nathan Lane, Kylie Rogers, Denis Ménochet, Parker Posey, Zoe Lister-Jones, Armen Nahapetian, Julia Antonelli, Stephen McKinley Henderson, Richard Kind, Hayley Squires, Julian Richings, Bill Hader u.a.


Kurzinhalt: Beau Wassermann leidet unter extremen Angstzuständen, weshalb er seine Wohnung so wenig als möglich verlässt, und auch seine Nachbarn so weit als möglich meidet. Trotzdem hat er vor, seine Mutter zu ihrem Geburtstag zu besuchen. Doch eine Verkettung widriger Umstände sorgt dafür, dass er seinen Flug verpasst. Als er am nächsten Morgen versucht, seine Mutter anzurufen, hebt ein Paketbote ab, und meint, dass er vor einer Leiche stehen würde. Wie sich schließlich herausstellt, ist seine Mutter bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Er muss nun schnellstmöglich zu ihrem Anwesen reisen, um alle Angelegenheiten zu regeln. Doch nachdem er seine Wohnung panisch verlassen hat und von einem nackten Mann mit einem Messer angegriffen wurde, wird Beau von einem Auto angefahren. Statt in einem Krankenhaus, kommt er vielmehr im Haus von Grace – die hinter dem Steuer saß – und ihrer Familie wieder zu sich. Die erste Station einer kafkaesken Odyssee, die den Beau an den Rande des Wahnsinns – und vielleicht auch darüber hinaus – führen wird…

Review (kann Spoiler enthalten): Szenenbild. Mit "Hereditary" und "Midsommar" hat sich Ari Aster unter Horror-Fans einen Namen gemacht, und als einer der vielversprechendsten Genretalente aus Hollywood offenbart. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich trotz aller bekannten Genre-Elemente – ähnlich wie die Arbeiten von Robert Eggers – von der Masse abhoben. Was dies betrifft, geht er bei "Beau Is Afraid" noch einmal einen Schritt weiter; dieser ist zweifellose der bislang eigenwilligste und deshalb wohl auch kontroverseste Film. Einige sind von ihm begeistert, andere konnten so gar nichts damit anfangen; ich stehe da ein bisschen in der Mitte. Denn: Insbesondere der Auftakt hatte es mir echt noch angetan; hier schien mir Ari Aster nahtlos an seine früheren Erfolge anzuknüpfen. Er präsentiert uns hier eine dystopische Welt – wobei zumindest ich das Geschehen schon recht bald so interpretierte, dass wir die Welt hier nicht so sehen, wie sie ist, sondern wie sie eben der unter extremen Angstzuständen leidende Beau sieht. Eben diese Welt gleicht einer Hölle auf Erden; an jeder Ecke lauert Gefahr, und alles und jeder scheint es auf Beau abgesehen zu haben. Wie es Ari Aster es hier gelungen ist, mich als Zuschauer in Beaus Psyche hineinversetzen zu lassen, war absolut meisterlich. Und generell fand ich die ersten rund dreißig Minuten enorm beklemmend.

Mit dem Autounfall vollzieht "Beau Is Afraid" jedoch die erste von mehreren drastischen Wendungen. Der nachfolgende Teil, in dem Beau von Grace und Roger gepflegt wird, ist zwar ebenfalls nicht schlecht, und zeichnet sich durch eine beunruhigende bis bedrohliche Atmosphäre auf, als zunehmend klar wird, dass sie nicht gedenken, ihn allzu bald wieder gehen zu lassen. Trotzdem, an die starke erste halbe Stunde kam dieser Teil nicht mehr heran. Zumal ab diesem Schauplatzwechsel auch deutlich wird, dass Ari Aster im (bisherigen, eh noch recht kurzen) Verlauf seiner Karriere zunehmend droht, im Hinblick auf die Laufzeit das Augenmaß zu verlieren. Teilweise hat man den Eindruck, dass jede Minute die gedreht wurde hier auch im Film ist. Bereits von "Hereditary" auf "Midsommar" (zu dem es ja auch einen – von mir noch nicht gesichteten – längeren Cut gibt) war ein entsprechender Sprung bemerkbar; bei "Beau Is Afraid" schoss er mit drei Stunden aber endgültig übers Ziel hinaus. Was mich dann allerdings zugegebenermaßen faszinieren konnte, ist das Theaterstück, über das Beau stolpert, und welches überraschende Parallelen zu seinem Leben bietet. Spätestens hier ziehen dann auch zunehmend surreal-kafkaeske Töne ins Geschehen ein, die einen dazu zwingen, das Gesehene zu hinterfragen. Was davon ist real, und was davon lediglich Beaus Wahnvorstellungen? Nach diesem durchaus gefälligen Zwischenspiel kulminiert "Beau Is Afraid" dann in einem meines Erachtens sehr unbefriedigenden Finale. Angefangen beim überraschenden, absurden Tod, über eine ganz bestimmte klischeehafte Wendung, bis hin zum zumindest in meinen Augen höchst frustrierenden Ausgang des Geschehens. Beeindruckend war aber zweifellos wieder einmal die zentrale Performance; nach Florence Pugh in "Midsommar" brilliert hier nun Joaquin Phoenix in einer so vielschichtigen wie herausfordernden Rolle. Aber auch die restliche Besetzung macht ihre Sache ausgesprochen gut. Vor allem aber ist "Beau Is Afraid" zweifellos ein Film, der mit seiner Eigenartigkeit aus der Masse hervorsticht. Schade halt, dass die einzelnen Episoden für mich kein stimmiges Ganzes ergeben wollten.

Fazit: Szenenbild. Auch wenn der extrem eigenwillige Mix, den "Beau Is Afraid" bietet, für mich nicht 100%ig funktioniert haben mag, ich Ari Asters erste beiden Filme stärker einstufe, und vor allem das Gefühl habe, dass er sich insbesondere im Hinblick auf die Laufzeit zunehmend zu verzetteln droht, so halte ich Filme wie "Beau Is Afraid" und Filmemacher wie Ari Aster definitiv für eine Bereicherung. Es ist wichtig, dass die aktuelle Filmlandschaft auch Platz für solche außergewöhnliche Beiträge bietet, selbst wenn sie einen nicht vollständig überzeugen mögen. Aufgrund der inhaltlich und tonal sehr unterschiedlichen Teile, wird wohl jeder die einzelnen Abschnitte von "Beau Is Afraid" anders bewerten; mir hatte es insbesondere der beklemmende Auftakt angetan, der uns die Welt durch die aufgrund seiner Angstzustände verzerrte Perspektive von Beau sehen lässt. Den Grace-Abschnitt fand ich dann ebenfalls noch gut, allerdings definitiv zu lang; hier begann sich der Film dann leider zunehmend zu ziehen. Das Theaterstück hat mich dann wieder faszinierend; und der Rest des Films dann leider eher enttäuscht. Insgesamt schickt Ari Aster den geneigten Cineasten hier jedenfalls auf eine regelrechte Tour de Force; eine surreale Reise durch den verwirrten Geist eines problemgebeutelten Mannes, die zwar definitiv zu lang (und stellenweise leider auch -weilig) geraten ist, mir dafür aber auch – im Gegensatz zur Genre-Dutzendware – bestimmt noch eine ganze Weile im Kopf herumspuken wird.

Wertung: 6 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2023 A24)


Weiterführende Links:
Halloween-SPECiAL 2023





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