The Nightingale |
Starker Rachethriller der "Babadook"-Regisseurin
Kategorie:
Filme -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Mittwoch, 21 Oktober 2020 |
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Kurzinhalt: Tasmanien im Jahr 1825: Der britische Offizier Hawkins hat nun schon länger ein Auge auf Clare geworfen, die dort die Soldaten im Gasthof bedient und mir ihrer wunderschönen Stimme verzaubert. Eines Abends lässt er sie nach ihrer Vorstellung in sein Zimmer bringen, und vergewaltigt sie. Als Clares Mann Aidan davon erfährt, ist er außer sich. Nachdem er Hawkins angreift, lässt es sich dieser nicht nehmen, zurückzuschlagen, und Aiden eindrucksvoll zu beweisen, wer hier am längeren Ast sitzt. Clare überlebt den Besuch schwerstverletzt, und steht nun vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Nun ist sie nur mehr von einem einzigen Gedanken beseelt: Rache. Sobald sie wieder halbwegs auf den Beinen ist, will sie Hawkins für seine Tat büßen lassen, ganz egal, was daraufhin dann mit ihr geschieht. Doch dieser ist mittlerweile in Richtung eines neuen Postens aufgebrochen. Sobald er seine neue Stellung erreicht hat, wird es schwer bis unmöglich sein, an ihn heranzukommen, weshalb Clare ihn unbedingt auf dem Weg dorthin abfangen soll. Doch dafür braucht sie die Hilfe eines einheimischen Spurenlesers. Mit dem letzten Geld, das ihr noch geblieben ist, heuert sie den Aborigine Billy an, sie zu führen. Doch der Weg zu ihrer Rache ist steinig, und mit zahlreichen Gefahren, Rückschlägen und Herausforderungen gepflastert… Review: ![]() "The Nightingale" geht zwar sowohl inhaltlich, stilistisch als auch tonal in eine ganz andere Richtung, qualitativ konnte sie mit ihm aus meiner Sicht aber durchaus an ihren grandiosen Erstling anknüpfen. Schon allein die Machart sticht hervor: So wählt sie für diesen historischen Stoff das mittlerweile veraltete 4:3-Format (ähnlich wie zuletzt u.a. "Der Leuchtturm", der noch dazu in schwarz/weiß gehalten war), und hebt sich schon allein dadurch vom Genrestandard ab. Auch das historische Setting ist eine wesentliche Stärke. Natürlich ist auch heutzutage was Gleichberechtigung, Rassismus usw. betrifft noch längst nicht alles eitel Wonne, vor rund 200 Jahren waren diese Problematiken aber noch einmal deutlich ausgeprägter. Kent prangert hier vor allem die Selbstverständlichkeit an, mit der die britischen Soldaten meinen, über alles und jeden in diesem von ihnen eroberten Kontinent verfügen zu können. Egal ob nun Frauen, das Land, oder dessen Ureinwohner. Dabei bzw. dadurch zeigt sie vor allem auch auf, dass das Problem ein strukturelles war und ist. Trotz aller Abscheulichkeiten, die Hawkins begeht, hat er von seinen Vorgesetzten keine Konsequenzen zu erwarten. Diese Art des duldenden Wegschauens bedeutet einerseits, dass er nicht dazu gezwungen ist, sein eigenes Handeln zu hinterfragen, und muss natürlich unweigerlich auch Nachahmer mit sich ziehen. Neben den – erschütternden – Szenen der Gewalt sind es so nicht zuletzt auch jene Momente, wo Hawkins mit dem Jungen versucht, die nächste Generation nach seinem Ebenbild zu formen, die erschrecken – da sie deutlich machen, dass, so sich hier nichts ändert, diese Spirale der Gewalt noch über Generationen hinweg ungehindert so weitergehen wird. ![]() Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied dazu, wie die meisten Filme des Genres damit umgehen: "The Nightingale" ist nicht die klassische, doch eher in die Pulp-Richtung gehende Umsetzung, wo das Opfer auf einmal zur Action-Heroine wird, und ihr – berechtigter – Rachefeldzug richtiggehend zelebriert wird. Vielmehr wird Clare weder zur übermächtigen, noch zur makellosen Heldin hochstilisiert. Wer hier also auf einen jener Filme hofft, die einen aufpushen und mit einem guten, zufriedenstellenden Gefühl entlassen, der wird hier wohl unweigerlich enttäuscht werden. Vielmehr lässt einen "The Nightingale" doch eher unbefriedigt und leer zurück, und stellt auch im Hinblick auf Clares Rachefeldzug die Sinnfrage. Für mich persönlich genau darin letztendlich auch eine seiner größten Stärken. Eine weitere sind die schauspielerischen Leistungen, wobei insbesondere Aisling Franciosi und Baykali Ganambarr hervorgehoben werden müssen. Und Jennifer Kent erzählt diese grauenvolle Geschichte in teils schrecklich schönen Bildern, die den Inhalt perfekt kontrastieren. Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann, dass ich mir nicht sicher bin, ob mir ein früheres Ende nicht lieber gewesen wäre. Denn nach einem angenehm ungewöhnlichen – vermeintlichen – Showdown schlägt "The Nightingale" dann erst recht noch eine konventionellere Richtung ein. Zwar steckt auch darin zweifellos einiges an interessantem Interpretationsspielraum (nicht zuletzt, ob Clare oder Billy das größere Recht auf Rache haben), und ist das daraus resultierende Ende dann zweifellos sehr konsequent und fast schon poetisch. Und doch bin ich unschlüssig, ob es mir nicht lieber gewesen wäre, wenn man sich die allerletzte Konfrontation geschenkt hätte. Davon abgesehen fand ich aber auch "The Nightingale" wieder sehr stark. Fazit: ![]() Wertung:9 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2020 Koch Films)
Weiterführende Links: Halloween-SPECiAL 2020
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