Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
Review zum Regiedebüt von Dario Argento Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Freitag, 02 Oktober 2020
 
Halloween-SPECiAL

 
Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
Originaltitel: L'uccello dalle piume di cristallo
Produktionsland/jahr: Italien 1970
Bewertung:
Studio/Verleih: Seda Spettacoli/Constantin Film
Regie: Dario Argento
Produzenten: Salvatore Argento/td>
Drehbuch: Dario Argento
Filmmusik: Ennio Morricone
Kamera: Vittorio Storaro
Schnitt: Franco Fraticelli
Genre: Thriller
Kinostart Deutschland: 24. Juni 1970 (BRD)
Kinostart Italien: 27. Februar 1970
Laufzeit: 96 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD
Mit: Tony Musante, Suzy Kendall, Enrico Maria Salerno, Eva Renzi, Umberto Raho, Renato Romano, Giuseppe Castellano, Mario Adorf u.a.


Kurzinhalt: Der amerikanische Schriftsteller Sam Dalmas wohnt zur Zeit zusammen mit seiner Freundin Julia, die als Model arbeitet, in Rom. Eines Abends kommt er an einer Galerie mit großem Schaufenster vorbei, und sieht, wie eine Frau von einem Mann – ganz in schwarz gekleidet, vom Hut über den Mantel bis hin zu den Handschuhen – mit einem Messer angegriffen wird. Die Frau schleppt sich daraufhin blutend über den Boden, und streckt die Hände hilfesuchend in seine Richtung aus, doch die Galerie ist abgesperrt; Sam kann sie somit nicht erreichen. Immerhin sorgte er mit seinem Einschreiten dafür, dass Polizei und Rettung schnell vor Ort waren und so ihr Leben gerettet werden konnte – auch wenn Inspektor Morosini seine Anwesenheit am Tatort verdächtig vorkommt. Nachdem das potentielle Opfer, Monica Ranieri, aus dem Koma erwacht und ihn entlastet, gibt er ihm aber seinen Reisepass zurück. Nun würde Sam eigentlich nichts mehr davon abhalten, wieder in die Staaten zurückzukehren. Doch die Ereignisse des Abends lassen ihm keine Ruhe. Er will den Mörder – der zuvor schon drei weitere Frauen umgebracht hat – unbedingt zur Strecke bringen. Und so beginnt er, auf eigene Faust zu ermitteln – womit er unweigerlich die Aufmerksamkeit des Killers auf sich zieht…

Review: Szenenbild. "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" war sicher nicht der erste Giallo – die meisten Experten sind sich einig, dass diese Ehre Mario Bavas 1963 veröffentlichtem Film "La ragazza che sapeva troppo" gehört (der international unter den Titeln "The Evil Eye" bzw. "The Girl Who Knew Too Much" bekannt ist, im deutschsprachigen Raum jedoch, soweit ich das eruieren konnte, nie veröffentlicht wurde) – aber der Erfolg des Films löste einen regelrechten Boom aus. Man könnte somit sagen, dass Dario Argento das Genre erst so richtig salonfähig gemacht hat. "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" war sein Regiedebüt (davor war er in erster Linie aus Drehbuchautor tätig – und steuerte als solcher u.a. die Story zu dem Italo-Western schlechthin, "Spiel mir das Lied vom Tod", bei) – und besticht sogleich mit seinem Gespür für beeindruckende Bilder und einer dichten Atmosphäre (beides erinnert wiederum stark an seinen Mentor Mario Bava). Die Inszenierung von "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" mag vielleicht noch nicht ganz so souverän und "veredelt" sein wie z.B. in "Suspiria", sein Talent ist jedoch praktisch vom ersten Moment an offensichtlich, besticht der Film doch mit zahlreichen denkwürdigen Einstellungen (die dreieckige Treppe ist da nur ein Beispiel von vielen) und einigen mordsspannenden Szenen (beispielhaft sei der Angriff auf Sams Freundin genannt).

Eine weitere Stärke des Films liegt zweifellos im großartigen Setup. Die Galerie mit dem großen Fenster, die doppelte Glastüre, und sie Sam schließlich zwischen beiden feststeckt, und hilflos mit ansehen muss, wie sich Monica über den Boden schleppt – ich denke, der Gedanke, auf diese Art und Weise einen Mord(versuch) mitzuverfolgen, und nichts tun zu können, geht wohl jedem/jeder unter die Haut. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb wichtig, um es zumindest ansatzweise plausibel zu machen bzw. zu erklären, warum Sam die Ermittlungen nicht einfach der Polizei überlässt; er fühlt sich aufgrund dieser Erfahrung mit dem Opfer verbunden, und möchte sicherstellen, dass der Killer so rasch als möglich geschnappt wird. Zugegebenermaßen muss man aber in weiterer Folge schon da und dort ein Auge zudrücken, was die Logik betrifft; nicht zuletzt dann auch bei der (wenn auch grundsätzlich gefälligen, da durchaus überraschenden und zugleich clever aufgebauten) Auflösung. Im vorliegenden Fall fiel es aber aufgrund der sonstigen Schwächen zumindest mir leicht, wohlwollend über diese Ungereimtheiten hinwegzusehen. Ein zweiter Punkt, wo "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" nicht das volle Potential ausschöpft, sind die schauspielerischen Leistungen. Zwar ist niemand hier wirklich schlecht, aber so richtig zu begeistern vermag letztendlich nur Mario Adorf in seiner kleinen, abgedrehten Gastrolle. Vor allem Tony Musante bleibt in der Hauptrolle leider doch ziemlich blass. Etwas, das für mich jedoch dank der gelungenen, spannenden Story sowie Argentos großartiger Inszenierung größtenteils kompensiert wurde. Und dann ist da noch die Musik. Es ist eigentlich unglaublich, wie viele Filme Ennio Morricone von Mitte der 60er bis Ende der 70er vertonte. Hierzulande ist er in erster Linie mit seiner Musik zu den Italowestern bekannt – aber auch das Giallo-Genre hat er mit seinen Kompositionen maßgeblich geprägt. So eben auch hier, wo er sowohl die für ihn so typischen einprägsamen Melodien präsentiert, als auch es phantastisch versteht, in den jeweiligen Momenten mit seiner Musik die Spannung dieser Szenen noch einmal zusätzlich zu verstärken. Auch wenn die Musik von Goblin gerade auch bei "Suspiria" gepasst hat wie die Faust aufs Auge, fragt man sich doch unweigerlich, welche spannenden Kompositionen für die weiteren Argento-Filme uns noch erwartet hätten, wenn sich die beiden nicht über die Arbeit an "Vier Fliegen auf grauem Samt" entzweit hätten. Aber das ist, wie man so schön sagt, eine andere Geschichte.

Fazit: Szenenbild. "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" mag zwar noch nicht ganz so feingeschliffen sein wie sein späteres Meisterwerk "Suspiria", lässt jedoch Dario Argentos inszenatorisches Talent bereits mehr als nur erahnen. Neben einzelnen wunderschönen Einstellungen besticht dabei vor allem die atmosphärische Dichte seiner Inszenierung, die uns einige ungemein spannende Momente beschert. Aber auch das Setup hatte es mir enorm angetan – und macht auch verständlich, warum mit Sam ein "Zivilist" auf eigene Faust zu ermitteln beginnt. Der eindringliche Score von Ennio Morricone, der launige Gastauftritt von Mario Adorf, sowie der nette Twist am Ende (wenn man hier auch zugegebenermaßen im Hinblick auf die Logik ein bisschen ein Auge zudrücken muss) komplettieren den positiven Gesamteindruck. Einzig darstellerisch ist "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" zwar solide, aber sicher nicht herausragend. Trotz dieses Mankos zählt er jedoch zu Recht zu den besten – und bekanntesten – Vertretern des Giallo-Genres.

Wertung:9 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 1970 Constantin Film)


Weiterführende Links:
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