Jojo Rabbit
Review zu Taika Waititis Meisterstück Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 23 Januar 2020
 
 
Jojo Rabbit
Originaltitel: Jojo Rabbit
Produktionsland/jahr: USA 2019
Bewertung:
Studio/Verleih: TSG Entertainment/Fox Searchlight Pictures/Walt Disney Studios
Regie: Taika Waititi
Produzenten: U.a. Carthew Neal, Chelsea Winstanley & Taika Waititi
Drehbuch: Taika Waititi, nach dem Roman von Christine Leunens(
Filmmusik: Michael Giacchino
Kamera: Mihai Malaimare Jr.
Schnitt: Tom Eagles
Genre: Komödie/Drama
23. Januar 2020
Kinostart Neuseeland: 24. Oktober 2019
Laufzeit: 108 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD, Soundtrack, Romanvorlage
Mit: Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Sam Rockwell, Thomasin McKenzie, Rebel Wilson, Alfie Allen, Stephen Merchant, Archie Yates u.a.


Kurzinhalt: Johannes Betzler ist ein begeistertes Mitglied der Hitlerjugend – nicht zuletzt, als er sich dort als Teil eines größeren Ganzen und damit, als doch eher schmächtiger Junge, stark fühlt. Generell hat er die Philosophie und Propaganda des Nazi-Regimes verinnerlicht – nicht umsonst ist sein imaginärer bester Freund niemand geringerer als Adolf Hitler selbst, der ihm vor allem auch in Zeiten der Not, wie z.B, wenn sich die anderen über ihn lustig machen, zur Seite steht. Neben Adolf selbst ist Yorki Jojos einzig wahrer Freund; aber auch die Beziehung zu seiner Mutter Rosie ist eine innige. Und so wächst Jojo als treues, enthusiastisches Mitglied der Hitlerjugend heran – bis zuerst ein folgenschwerer Unfall im Sommerlager, und später dann eine schreckliche Entdeckung, sein Weltbild auf den Kopf zu stellen beginnen…

Review: Szenenbild. Darf man sich über grundsätzlich ja ernste Sachen wie Hitler, dem Nationalsozialismus, der Judenverfolgung, der Hitlerjugend usw. lustig machen, bzw. darüber lachen? Die Antwort darauf wird wesentlich darüber bestimmen, wie ihr insbesondere den Einstieg in den Film bewertet. Als jemand, der schwarzen Humor zu schätzen weiß, habe ich mich köstlich mit ihm amüsiert (auch wenn ich zugebe, dass es in Deutschland und Österreich wohl noch einmal schwieriger ist, darüber zu lachen, da unsere Vorfahren den Scheiß verschuldet haben). Allerdings: Der erste Teaser vermittelt teilweise ganz bewusst einen falschen Eindruck vom Film (im Gegensatz zum richtigen Trailer, der aus meiner Sicht schon zu viel verrät; weshalb ich auch bewusst nur den ersten Teaser oben verlinkt habe); tatsächlich sind die meisten, längeren Szenen daraus in den ersten 10-15 Minuten des Films angesiedelt. Denn: Danach schlägt er eine gänzlich andere, deutlich ernstere und – da ich den Film auf der Viennale mit geringsten Vorkenntnissen (nämlich eben nur besagtem, bewusst irreführenden Teaser) sah – unerwartete Richtung ein. Zwar konnte man sich das zugegebenermaßen wohl im Vorfeld eh schon denken, und wird es ja leider mittlerweile im Trailer und auch einigen Berichten zum Film erwähnt – ich habe aber meine Inhaltsangabe (und auch dieses Review) bewusst vage gehalten, um euch die Möglichkeit zu geben, von ihm ähnlich überrascht zu werden, wie das bei mir der Fall war.

Jedenfalls sehe ich in diesem, im Verlauf des Films erfolgenden, tonalen Bruch letztendlich seine größte Stärke. Zwar verliert er bis zuletzt nie ganz seinen Humor, und präsentiert einige Szenen, die ich zum Brüllen komisch fand. Dennoch vollzieht Taika Waititi hier einen teils schleichenden, teils plötzlichen Wandel von einer Komödie zu einem Drama, der mich nun mal eben eiskalt erwischte– und so etwas finde ich generell immer ganz besonders reizvoll, da düster-tragische Momente halt gleich noch mal um einiges stärker Wirken, wenn sie einerseits unerwartet und andererseits aus einem heiteren Gefühl heraus kommen. Das Zauberwort, welches viele Filme vergessen, ist hier "Kontrast": Kein Schatten ohne Licht. Und genau das ist jener Punkt, in dem "Jojo Rabbit" brilliert. Die Schauspieler sind ebenfalls toll, angefangen bei Roman Griffin Davis (in seiner ersten Rolle!), über Thomasin McKenzie (die mir schon in "Leave No Trace" positiv aufgefallen ist), bis hin zu Scarlett Johansson, Sam Rockwell und vor allem auch Taika Waititi als herrlich überzeichnete Version von Adolf Hitler, die es uns erlaubt, über diese gar furchtbare historische Figur zu lachen (und Lachen hat nun einmal etwas so Befreiendes wie Heilendes). Und auch dessen Inszenierung fand ich einfach nur phantastisch. Ich mochte ja auch schon seine früheren Filme sehr, aber mit "Jojo Rabbit" scheint er sich auf der Höhe seines kreativen Schaffens zu befinden. Ich hatte jedenfalls an dem Film nicht das Geringste auszusetzen, war von Anfang an drin, habe rasch mit den Figuren mitgefiebert, und fand vor allem die die Art und Weise, wie es ihm mit einer bestechenden Leichtigkeit gelingt, mich als Zuschauer über die Laufzeit hinweg die verschiedensten Emotionen durchleben zu lassen, ungemein beeindruckend. Im einen Moment hält man sich noch vor Lachen den Bauch, und im nächsten folgt schon ein heftiger Schlag in die Magengrube, der einem dieses im Hals stecken lässt. Und auch die Filmmusik von Michael Giacchino (der sich hier in meinen Ohren u.a. mit seinem Marsch hier neuerlich als legitimer Nachfolger von John Williams in Stellung bringt) sowie die mit Bedacht gewählte Songauswahl sind über jeden Zweifel erhaben.

Szenenbild. Vor allem aber halte ich "Jojo Rabbit" für einen ungemein wichtigen Film, gerade auch in der heutigen Zeit, wo politischer Populismus und Propaganda auf der einen, und starke Führerfiguren auf der anderen, weltweit wieder auf dem Vormarsch zu sein scheinen. Der Film richtet sich dabei, nicht zuletzt auf seiner Hauptfigur, zwar durchaus vor allem an Kinder, und lernt ihnen eine überaus wichtige Message (ginge es nach mir, wäre "JojoRabbit" ab sofort Pflichtprogramm in allen Schulen), ist aber zugleich auch für Erwachsene nicht einfach nur geeignet, sondern auch für diese mit der Art und Weise, wie hier die Gefahren von Propaganda und Extremismus vermittelt werden, (leider nach wie vor) von Bedeutung. "Jojo Rabbit" erweist sich dabei, trotz aller tragischer Elemente, letztendlich als hoffnungsvoller Film, und leitet – vor allem, aber eben nicht nur, Kinder – dabei an, Indoktrination als solche zu erkennen, zeigt zudem einen Weg auf, wie sich eine solche überwinden lässt, und regt vor allem dazu an, Dinge kritisch zu hinterfragen. Und das auf eine immer unterhaltsame und mitreißende Art und Weise, die zudem nie belehrend oder gar predigend rüberkommt. Aus meiner Sicht hat Taika Waititi mit "Jojo Rabbit" jedenfalls (s)ein Meisterstück abgeliefert!

Fazit: "Jojo Rabbit" ist für mich ein früher Kandidat für den besten Films des Jahres 2020. Wie es Taika Waititi gelingt, hier Humor und Drama zu vereinen, ist absolut meisterlich – und gerade auch aus diesem Kontrast zwischen den amüsanten und den tragischen Elementen, bezieht "Jojo Rabbit" ungemein viel an Reiz, und auch an (emotionaler) Wirkung. Und so habe ich bei bzw. mit ihm abwechselnd gelacht, geweint, war amüsiert, erschüttert – aber auf jeden Fall immer bestens unterhalten. Zudem vermittelt er eine wichtige Message, und schafft es vor allem auch, Kindern bzw. Jugendlichen schwierige Thematiken auf anschauliche Art und Weise zu vermitteln, ohne je belehrend zu wirken. Neben dem Drehbuch bestechen auch die Inszenierung, die schauspielerischen Leistungen, sowie die musikalische Untermalung (egal ob ausgewählt oder – von Michael Giacchino – frisch komponiert). Für mich ist "Jojo Rabbit" jedenfalls ein absolutes Meisterwerk, und jetzt schon ein moderner Klassiker, dem es gelingt, einem mittlerweile filmisch nun wahrlich schon sehr gut erschlossenen Thema neue Facetten abzugewinnen. Großartig!

Wertung:10 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2019 Fox Searchlight Pictures)





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