The Dark
Starker Horror-Beitrag aus Kanada/Österreich Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Freitag, 05 Oktober 2018
 
Halloween-SPECiAL

 
Es
Originaltitel: The Dark
Produktionsland/jahr: AUT 2018
Bewertung:
Studio/Verleih: Dor Film/Luna Filmverleih
Regie: Justin P. Lange
Produzenten: U.a. Danny Krausz, Andrew Nicholas McCann Smith, Laura Perlmutter & Kurt Stocker
Drehbuch: Justin P. Lange
Filmmusik: James Lazarenko
Kamera: Klemens Hufnagl
Schnitt: Julia Drack
Genre: Horror/Drama
Kinostart Österreich: 12. Oktober 2018
Kinostart USA: noch nicht bekannt
Laufzeit: 95 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube
Kaufen: Noch nicht erhältlich
Mit: Nadia Alexander, Toby Nichols, Karl Markovics u.a.


Kurzinhalt: Nach einer traumatischen Erfahrung lebt Mina zurückgezogen in den kanadischen Wäldern. Dort trifft sie eines Tages auf den blinden Jungen Alex. Beide sind in der Vergangenheit Opfer schrecklichen Missbrauchs geworden. Nun entwickelt sich zwischen ihnen langsam zarte Bande – und beginnen sie damit, nicht nur das Vertrauen in andere Menschen, sondern vor allem auch ihre eigene Menschlichkeit langsam aber sicher wieder zurückzugewinnen. Als jedoch die Polizei beginnt, den Wald zu durchsuchen, und sich die beiden gemeinsam vor ihnen auf die Flucht begeben, droht das zarte Band zwischen ihnen so rasch wieder zu zerreißen, wie es begonnen hat…

Review: Szenenbild. Auch wenn man es – aufgrund des Settings und der englischen Sprache – nicht vermuten würde, ist "The Dark" eine rein österreichische Produktion. Und das kam so: Drehbuchautor und Regisseur Justin P. Lange und sein Kameramann Klemens Hufnagl lernten sich während dessen Auslandssemesters an der Columbia University in New York kennen. Danach drehten sie gemeinsam zwei Kurzfilme, zuerst "Vater Paul" und danach "The Dark" – auf dem Justin P. Langes Langfilmdebüt basiert. Die beiden sind seither beste Freunde, und so kam aufgrund Hufnagls österreichischen Wurzeln die Idee, sich mit ihrem ersten Spielfilmprojekt an die österreichische Produktionsfirma Dor Film zu wenden. Ursprünglich erwog man, das Drehbuch auf Deutsch zu übersetzen und in Österreich zu drehen – weil Wälder haben wir hier ja auch genug – dann erschien es Lange aber doch sinnvoller, mit einer Besetzung und einer Crew zu arbeiten, die seine Landessprache spricht. Und so wechselte die Produktion dann doch nach Übersee. Neben einer netten Cameo (die sich in erster Linie an Kenner des österreichischen Horror-Kinos der letzten Jahre richtet) bleibt der Österreich-Bezug somit in erster Linie durch Karl Markovics in einer Schlüsselrolle erhalten.

Produktionsgeschichte hin oder her: Das Endergebnis dieser doch eher ungewöhnlichen österreichisch-kanadischen Kollaboration konnte mir jedenfalls sehr gut gefallen. Bereits der Einstieg ist phantastisch, mit einem glänzend aufspielenden Karl Markovics, und dem interessanten Setting. Doch gerade, als man meint, den Film begriffen zu haben, und sich ans genretypische Waldhütten-Setting gewöhnt hat, bricht der Film zum ersten – jedoch nicht letzten – Mal mit den üblichen Genre-Konventionen, und vollzieht eine ziemlich drastische 180°-Wendung. Ich kann mir vorstellen, dass dieser plötzliche und heftige Richtungswechsel nicht allen zusagen wird – da mich jedoch die nachfolgende Geschichte rund um Mina und Alex auch durchgehend fesselte, war es für mich nicht im Geringsten ein Problem. Vor allem Minas tragische Hintergrundgeschichte, die für mich so sensibel wie markerschütternd inszeniert wurde, hatte es mir angetan. Von Alex hätte man zwar ruhig noch ein bisschen mehr erfahren dürfen, wirklich gestört hatte es mich aber insofern nicht, als der Fokus einfach ganz klar auf Mina lag, und zumindest ich mir – nicht zuletzt aufgrund so manchem realen Fall – ausreichend ausmalen konnte, was zwischen ihm und Josef Hofer (Fun Fact aus dem abschließenden Q&A: Der Vorname ist dem Fritzl-Fall, der Nachname der österreichischen Präsidentschaftswahl entlehnt) vorgefallen ist. Vor allem aber hielt mich der Film von Anfang bis Ende dermaßen in seinem Bann, dass mir dieses potentielle Manko erst in der Rückschau aufgefallen ist, und damit dem Filmgenuss keinen Abbruch tat. Aber auch abseits des Drehbuchs konnten mich fast alle Aspekte der Produktion durchwegs überzeugen: Die Inszenierung, die tolle Kameraarbeit, die starken schauspielerischen Leistungen (wobei neben Markovics für mich in erster Linie noch Nadia Alexander hervorstach), die Locations, die Musik… alles erste Sahne.

Szenenbild. Einzig über die Maskenarbeit könnte man vielleicht diskutieren; ich bin kein Arzt, aber die Narben von Mina als auch Alex sahen für mich jetzt nicht immer 100%ig überzeugend/lebensecht aus. Und ich verstehe jeden, den das Ende vor den Kopf stieß. Man kann durchaus argumentieren, dass der Film als Allegorie besser funktioniert denn wortwörtlich, wobei ich mir noch ganz ohne Einblick des Regisseurs bereits meine eigene Erklärung, die in Richtung Eigen- und Fremdbild geht, zurechtgelegt hatte. Letztendlich fand ich den versöhnlichen Abschluss aber schön genug, um darüber wohlwollend hinwegzusehen. Natürlich, von einer Heilung im psychologischen Sinn kann keine Rede sein, und selbstverständlich wäre ein solches Verhalten im echten Leben verachtenswert. Aber innerhalb des Konstrukts einer fiktiven, filmischen Erzählung fand ich es nicht einfach nur akzeptabel, sondern vielmehr höchst interessant und faszinierend. Aus meiner Sicht fügt sich "The Dark" jedenfalls nahtlos in die Riege der empfehlenswerten, hervorstechenden, gelungenen österreichischen Genre-Beiträge der letzten Jahre ("In 3 Tagen bist du tot" 1+2, "Das finstere Tal", "Ich seh ich seh", sowie – mit Abstrichen – "Blutgletscher" und "Angriff der Lederhosenzombies") ein.

Fazit: "The Dark" ist sicherlich kein Film für Jedermann. Nach einem noch sehr typisch wirkenden Beginn entzieht er sich in weiterer Folge zunehmend den üblichen Genrekonventionen. Zudem ist er einer jener Filme, die man wohl eher nicht allzu wortwörtlich nehmen sondern vielmehr als Analogie – in diesem Fall auf den schwierigen Heilungsprozess nach schwerem Missbrauch und dem damit einhergehenden Trauma – verstehen sollte. Unter diesem Aspekt kann ich dann auch mit dem "unlogischen" Ende leben. Darüber hinaus besticht der Film mit sehr guten schauspielerischen Leistungen, insbesondere von Karl Markovics und Nadia Alexander, den interessanten und ungewöhnlichen Hauptfiguren, der mitreißenden Geschichte, der teils düsteren Entwicklung, einigen starken Szenen, sowie der allgemein hohen Produktionsqualität. Zugegeben, den starken narrativen Bruch nach der ersten Viertelstunde muss man erst mal verdauen, und wer mit den Figuren nicht kann, wird mit dem Rest des Films nicht viel anfangen können. Mich hat "The Dark" aber überwiegend faszinierend, mitgerissen, berührt und vor allem auch immer wieder mal verstört. Genre-Feinschmecker die nach Horrorfutter abseits der üblichen Muster suchen, sei dieser Ausflug in die kanadischen Wälder aber wärmstens empfohlen.

Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2018 Dor Film)


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Weiterführende Links:
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