Blade Runner 2049 |
Würdige, aber dennoch unterlegene Fortsetzung
Kategorie:
Filme -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Samstag, 07 Oktober 2017 |
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Kurzinhalt: Kalifornien im Jahr 2049: Nach den Problemen mit den Nexus 6-Replikanten sowie den nachfolgenden Reihen, ging die Tyrell Corporation bankrott. Daraufhin kaufte der Jungunternehmer Niander Wallace die Firmenüberreste, und begann damit, neue Replikanten zu bauen, die deutlich leichter zu kontrollieren sein sollen. Einige von ihnen, wie K, werden gar als Blade Runner eingesetzt, um die wenigen verbliebenen illegalen Replikanten, die sich verstecken, aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. Nach seinem jüngsten Auftrag stolpert K auf eine tief im Erdboden vergrabene Kiste, in der sich die sterblichen Überreste einer Replikantin befinden. Bei der nachfolgenden Autopsie stellt sich schließlich heraus, dass sie schwanger war, und ein Kind gebar – etwas, dass eigentlich unmöglich sein sollte. K's Chefin, Lieutenant Joshi, möchte diese Information um jeden Preis vertuschen, da diese Erkenntnis alles verändern und die Welt so wie sie jetzt ist zum Einsturz bringen könnte. Während K den Auftrag bekommt, das Kind aufzuspüren und zu töten, und sämtliche Beweise zum Vorfall zu vernichten, versuchen Niander Wallace und seine Replikanten-Assistentin Luv wiederum mit allen Mitteln, das Kind sicherzustellen. Und auch eine andere Gruppe lässt Interesse daran erkennen, es aufzuspüren. Anfangs ist K noch fest entschlossen, seinen Auftrag auszuführen – doch dann kommen ihm zunehmend moralische Zweifel… Review: ![]() Die schlechte Nachricht: An das Original kommt "Blade Runner 2049" – aus mehreren Gründen, denen ich mich gleich noch ausführlich widmen werde – nicht heran. Die gute Nachricht: Er ist bei weitem nicht so schlimm, wie von mir ursprünglich befürchtet, und auch wenn er natürlich die eine oder andere offene Frage beantwortet und damit der Fantasie des Zuschauers ein bisschen einen Strich durch die Rechnung macht, erweist er sich sowohl als würdiges Sequel zu "Blade Runner", wie auch als konsequente Weiterführung der dort vorgestellten Themen, Ideen und Konzepte. Anstatt einfach nur Ridley Scotts Film zu kopieren, baut er auf diesen auf, nutzt den seither stattgefundenen technologischen Sprung, um neuerlich aus der Gegenwart zu extrapolieren, sowie auch die neuen Möglichkeiten im Hinblick auf Special Effects, um teils einen ähnlich verblüffenden Eindruck zu hinterlassen, wie dies Mitte der 80er "Blade Runner" gelang. Effekttechnisch gibt es an "Blade Runner 2049" nicht einfach nur nichts auszusetzen, vielmehr stellt er aktuell den absoluten Maßstab des Möglichen dar. Denis Villeneuve ist ein Meister wenn es darum geht, reale Sets und Requisiten mit CGI zu vermischen, und er versteht es, diese so zu kombinieren, dass alles wie aus einem Guss wirkt. Die gesamte Welt bleibt – trotz der wohl unvermeidlichen Öffnung, sowohl geographisch als auch was die Tageszeit betrifft (weil "Blade Runner" vermittelte ja den Eindruck einer endlosen Nacht) – immer in sich stimmig, trotz der teils sehr unterschiedlichen Landschaften, die wir besuchen. Diese sind auf der einen Seite teilweise ungemein kahl und trostlos, und andererseits doch irgendwie wunderschön – und jedenfalls immer beeindruckend. ![]() Was ebenfalls besticht, sind die Besetzung sowie die schauspielerischen Leistungen. Ich bin ja generell ein Fan von Ryan Gosling, aber was er hier abliefert, ist echt bemerkenswert. Als Blade Runner und zugleich Replikant 'K' ist er die Herz und Seele des Films, und macht in der einen oder anderen emotionalen Szene seine innere Zerrissenheit und sein Leid für den Zuschauer nachempfindbar. Das war schon wirklich beeindruckend. Aber auch Harrison Ford hat sich schon lange nicht mehr so angestrengt wie hier (und ja, das schließt "Das Erwachen der Macht" mit ein). Erwartungsgemäß muss man zwar ein bisschen warten, ehe er endlich in Erscheinung tritt, aber mit seiner Ankunft dreht der Film noch einmal so richtig auf, und steigert sich zu einigen überraschend emotionalen Momenten, die teilweise auch wunderbar auf die Vorgeschichte durch "Blade Runner" aufbauen. Da waren in weiterer Folge echt ein paar starke Momente drunter. Von ihnen beiden abgesehen geben sich bei "Blade Runner 2049" abwechselnd Veteranen wie Robin Wright, Dave Bautista (der wohl auch noch nie besser war als hier) und Jared Leto mit noch vergleichsweise neuen Gesichtern wie Ana de Armas ("Knock Knock", "War Dogs"), Mackenzie Davis ("Black Mirror: San Junipero", "Der Marsianer") und Sylvia Hoeks die Klinke in die Hand – und können allesamt gleichermaßen überzeugen. Positiv zudem, dass Warner Bros. "Blade Runner 2049" das R-Rating erlaubten, welches er weniger einer allfälligen Brutalität als vielmehr dem einen oder anderen "fuck" sowie vereinzelten nackten Tatsachen zu verdanken hat. Damit hatte Villeneuve die Gelegenheit, seine Vision auch wirklich ohne Kompromisse zu verwirklichen – und gerade auch für so eine teure Hochglanzproduktion finde ich das durchaus erfrischend, positiv und lobenswert. Fans des Originals freuen sich zudem über die eine oder andere Anspielung, die teilweise auch sehr subtil ausfallen kann (haltet z.B. die Ohren nach dem unverkennbaren "brumm"-Sound aus Deckards Apartment offen). Neben der Optik ist die größte Stärke des Films aber wohl seine Stimmung. Wie es "Blade Runner 2049" gelingt, den Zuschauer langsam hineinzuziehen und zu fesseln, ist wahrlich beeindruckend. ![]() Allerdings hätten wir damit zugleich auch schon den Bogen zu meinen Kritikpunkten geschlagen, denn: Langsamer Handlungsaufbau und längere Szenen, damit sich eine Atmosphäre aufbauen kann, in allen Ehren, aber… mit einer Laufzeit von zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten hat man es definitiv übertrieben. Nicht nur, dass einzelne Szenen rückwirkend betrachtet bestenfalls beliebig und schlimmstenfalls überflüssig wirken (der Kampf zwischen K und Deckard, oder auch der erste Auftritt von Wallace; hätte man damit bis zur späteren Begegnung gewartet, hätte sich eine gewisse Spannung aufgebaut, und sein Auftritt generell stärker gewirkt), der ganze Film macht, was die individuellen Szenen betrifft, teilweise einen Eindruck, als hätte jemand irrtümlich auf die Slow Motion-Taste gedrückt. Vieles ist deutlich zu ausgedehnt, weshalb der Film zwischendurch mitunter richtiggehend zäh werden kann. Natürlich brauchen sowohl individuelle Szenen als auch der Film an sich Luft zum Atmen, damit sich die gewünschte Stimmung aufbauen kann. Durch den Film zu hudeln, wäre noch schlimmer gewesen. Und ich habe weder etwas gegen lange noch gegen langsame Filme. Aber in diesem Fall kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er mit 15 wenn nicht gar 30 Minuten weniger ein nochmal intensiveres Erlebnis gewesen wäre. Etwas zwiegespalten bin ich auch, was die Filmmusik von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch betrifft. Während mich mit letzterem noch nicht viel verbindet, zähle ich mich definitiv zu den Fans von Hans Zimmer, der heuer nicht nur mit großer Freude seiner Tournee einen Besuch abgestattet hat, sondern auch erst kürzlich seinen äußerst ungewöhnlichen Score zu "Dunkirk" in höchsten Tönen gelobt hat. Und was er und Wallfisch hier abliefern, ist auch alles andere als schlecht. Es sind atmosphärische Klänge, die vor allem auch mit den Bildern ein überaus stimmiges und stimmungsvolles Ganzes ergeben. Leider aber wird das Ganze mit der Zeit doch auch etwas eintönig. Sie verlegen sich in erster Linie auf atmosphärische Synthie-Klänge, deren Geräuschkulisse zwar die Bilder perfekt untermalen, aber selten direkt auffallen. Sie verlegen sich teilweise auch etwas zu sehr auf den "Knall", der bei Vangelis zu Beginn des Films beim Öffnen der Augen und unserer ersten Ansicht vom Los Angeles im Jahr 2019 zu hören war. Mit der Zeit wird der ähnlich inflationär eingesetzt wie das "Inception"-Braaaaahms. Und generell fehlte mir einfach ein bisschen die Abwechslung. Man vergleiche das mit Vangelis Arbeit für das Original. Die mag zwar auch in erster Linie für ihre Synthie-Klänge bekannt sein, aber hört nochmal rein. Passend zur vielfältigen Welt, die Ridley Scott dort präsentierte, war auch sein Score eine Mischung unterschiedlichster Einflüsse (z.B. Jazz), und dadurch ungemein abwechslungsreich. Ein ähnlich vielfältiges Klangbild fehlt hier. Und zugegebenermaßen stellt sich mir generell die Frage, was da schief gegangen ist, und warum Vangelis nicht einfach für die Fortsetzung zurückkehrte – immerhin war seine Musik ein zentraler, unverwechselbarer Bestandteil der DNA des Originals. ![]() Fazit: "Blade Runner 2049" ist ein würdiges Sequel, dass auf die dort vorgestellte Welt konsequent aufbaut und diese auf phantastische Art und Weise erweitert. Visuell habe ich schon lange nicht mehr so ein eindrucksvolles Filmerlebnis gehabt, und schon allein deshalb lohnt sich der Kinobesuch, wird man doch im Minutentakt mit eindrucksvollen Bildern verwöhnt, die noch dazu bis zuletzt ein stimmiges Gesamtbild erzeugen. Was ebenfalls besticht, ist die faszinierende Atmosphäre, die mich rasch in ihren Bann zog. Die schauspielerischen Leistungen, insbesondere von Ryan Gosling, sind ebenfalls über jeden Zweifel zu erhaben. Und sowohl thematisch als auch inhaltlich ist "Blade Runner 2049" eine wunderbare, konsequente, und stimmige Weiterführung des Originals – das allein ist schon ein Lob, welches man nicht unterschätzen sollte. Insgesamt ist "Blade Runner 2049" im Vergleich zu "Blade Runner" aber halt doch eher der "2010" zu "2001", statt der "Aliens" zu "Alien". Er ist eindeutig zu lang, und wird stellenweise richtiggehend zäh. Ein langsamer Handlungsaufbau und eine ruhige Erzählweise, um die besagte Stimmung erzeugen zu können, in allen Ehren, aber da waren zu viele Szene viel zu lang, und die eine oder andere hätte man überhaupt gleich ersatzlos streichen können. Mit 15-30 Minuten weniger wäre er noch einmal ein ungleich intensiveres Erlebnis gewesen. Die atmosphärischen Synthie-Klänge von Zimmer und Wallfisch unterstützten zwar die Bilder perfekt, werden aber mit der Zeit doch etwas eintönig; ich vermisste sowohl erkennbare Melodien als auch die Abwechslung, die Vangelis bot. Zudem variiert der Film zwar die Themen des Originals, fügt jedoch keine eigenen, neuen hinzu. Es fehlt auch ein ähnlicher Haken wie das Einhorn am Ende von "Blade Runner", der auch nach dem Film noch für Gesprächsstoff sorgen und einen lange nach dem Abspann beschäftigen würde. Und insgesamt halte ich ihn eben leider für längst nicht so faszinierend, außergewöhnlich, nachklingend und einzigartig wie das Original. Oder, um es anhand eines kleinen Detail-Kritikpunktes (das Pferd hätte ein Einhorn sein sollen) zu sagen: "Blade Runner 2049" ist ein Pferd. Ein wunderschön anzusehendes, perfekt gezüchtetes und durchaus beeindruckendes Pferd. Aber eben doch nur ein Pferd. "Blade Runner", hingegen, war ein Einhorn. Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2017 Sony Pictures)
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