Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) |
Ein energiegeladenes Schauspiel-Feuerwerk
Kategorie:
Filme -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Donnerstag, 29 Januar 2015 |
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Kurzinhalt: Anfang der 90er war der Schauspieler Riggan dank seiner Hauptrolle in den Birdman-Superheldenfilmen so gefragt wie nie. Doch nach einer erfolgreichen Trilogie kehrte er der Filmreihe den Rücken. Seither ging es mit seiner Karriere steil bergab. Nun möchte er mit einem Paukenschlag zurückkehren, und auf dem Broadway ein Theaterstück zu Raymond Carvers Kurzgeschichte "What We Talk About When We Talk About Love" inszenieren – und dabei auch gleich in die Hauptrolle schlüpfen. Er hofft damit nicht nur, sein Comeback zu schaffen, sondern möchte insbesondere auch die Anerkennung seiner Kollegen sowie der Kritiker gewinnen. Doch als ein außergewöhnlicher Unfall seinen zweiten Hauptdarsteller außer Gefecht setzt, scheint das Stück unter keinem guten Stern zu stehen. Oder soll sich das Missgeschick vielmehr als Glücksfall herausstellen? Denn seine Hauptdarstellerin, Lesley, ist gerade mit Mike zusammen. Dieser verfügt zwar innerhalb der Branche über den Ruf eines Enfant Terribles, ist jedoch ein absoluter Kassenmagnet; sein Engagement würde dem Theaterstück sehr viel Publicity einbringen und wohl auch dafür sorgen, dass die Zuschauer in Massen ins Theater strömen. Riggan fackelt daher nicht lange und verpflichtet ihn. Doch als die ersten Generalproben katastrophal verlaufen, sieht Riggan statt des erhofften Comebacks vielmehr einem möglichen Karriereselbstmord entgegen. Unaufhaltsam rückt die Premiere näher… Review: ![]() Irgendwo im Internet habe ich in den letzten Tagen gelesen, "Birdman" sei eine Art männlicher "Black Swan", und auch wenn beide sicherlich über Gemeinsamkeiten verfügen – wie z.B. das Theatersetting, oder der Fokus auf eine/n Schauspieler/in, der/die am Druck zunehmend zu zerbrechen droht – so sind die beiden zumindest tonal sehr unterschiedlich. Wo "Black Swan" ein waschechter, düsterer Thriller war, ist "Birdman" trotz aller dramatischen Momente in erster Linie eine Komödie. Eines seiner hervorstechendsten Merkmale, die vor allem Filmfans auffallen und begeistern dürfte – und von zahlreichen Filmjournalisten bestaunt und in höchsten Tönen gelobt wurde – ist seine Machart. So treibt "Birdman" die Kunst langer Einstellungen ohne einen einzigen erkennbaren Schnitt auf die Spitze, in dem der komplette Film diesen Eindruck vermittelt. Im Gegensatz zu gedanklichen Vorgängern wie "Silent House" bedeutet dies jedoch nicht etwa, dass "Birdman" in Echtzeit spielen würde. Vielmehr vergehen im Verlauf des Films mehrere Tage – nur, dass diese Zeitsprünge eben nicht mit einem Schnitt markiert sind. Mal wird uns der Zeitverlauf direkt gezeigt, z.B. wenn die Kamera in den Himmel schwenkt und es im Zeitraffer hell wird, aber es gibt auch immer wieder Momente – gerade auch bei Schauplatzwechseln – wo zwischenzeitlich ganz offenkundig mehr Zeit vergangen ist, als auf der Leinwand ersichtlich. Dies mag da und dort irritierend sein, steigert jedoch die Intensität und die Unmittelbarkeit des Geschehens enorm – und verleiht dem Ganzen zudem eine gewisse Surrealität. Damit ist die Präsentation als eine einzige Einstellung im Falle von "Birdman" auch weit mehr als ein reines Gimmick – trägt es doch maßgeblich zum energiegeladenen Eindruck des Films bei. Natürlich ist klar, dass der Film nie und nimmer live in zwei Stunden gedreht worden sein kann, und sich da und dort Schnitte befinden müssen. Doch diese sind so gut versteckt, dass sie nicht auffallen. ![]() Die zentrale und eindrucksvollste Performance des Films kommt aber natürlich von Michael Keaton. Ein ähnliches Karrieretief wie Riggan musste dieser im echten Leben zwar nie durchtauchen – dennoch ist es lange her, dass er in einer Rolle so glänzen konnte wie hier. Generell scheint ihm Riggan – nicht zuletzt aufgrund der offensichtlichen Überschneidungen zu einem echten Leben; man tausche nur Birdman mit Batman und streiche einen Film – wie auf den Leib geschneidert zu sein. Aufgrund der Parallelen ergibt sich eine nette Meta-Ebene, die den Film für mich zusätzlich aufwertete. Zumal er Birdman mit einer niedrigen Stimme spielt, die an Christian Bales Batman erinnert. Jedenfalls dachte ich mir nach "Birdman" unweigerlich, warum eigentlich niemand die Idee hatte, ihn für "Batman vs. Superman" zu casten – ich finde, das hätte dem anstehenden Film einen zusätzlichen Reiz verschaffen können. Doch zurück zu "Birdman": Riggans zunehmenden Verfall – in den Wahnsinn? – zu verfolgen fand ich ungemein packend. Zudem fand ich den Einblick in Theaterproduktionen sehr interessant – nicht zuletzt, da ich mit dieser Kunstform schon lange nicht mehr in Berührung kam (was mich darauf bringt, dass es vielleicht mal Zeit wäre, dies zu ändern). Jedenfalls gelingt es "Birdman" durch die Inszenierung (sprich den Verzicht auf erkennbare Schnitte), die Energie, die Intensität und die Unmittelbarkeit einer Theatervorstellung einzufangen, ohne dabei auf die inszenatorischen Möglichkeiten und die größeren Freiheiten eines Kinofilms was Sets etc. betrifft verzichten zu müssen. Das letzte Puzzlestück ist dann Antonio Sanchez eigenwillige Schlagzeug-Untermalung (ich bin mir nicht sicher, ob man das wirklich als "Filmmusik" bezeichnen kann), welche die rasend-hektisch-manische Energie des Films perfekt einfängt bzw. verstärkt. Mein einziger Kritikpunkt ist das Ende, wo "Birdman" eine Richtung einzuschlagen scheint, die mir nicht wirklich gefallen hat. Ich ziehe es vor, meine eigene Interpretation zu finden und nicht eine scheinbar in letzter Sekunde noch aufgedrängt zu bekommen – zumal sich der Regisseur aus meiner Sicht noch dazu für die falsche Richtung entscheidet. Allerdings kann man die letzte Szene sicherlich unterschiedlich verstehen, und ich weiß auch, dass sie vielen gefallen hat. Aber meinen persönlichen Geschmack hat Alejandro González Iñárritu damit halt leider nicht getroffen. Fazit: ![]() Wertung:9 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2015 20th Century Fox)
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