Nebraska
Ein typischer "Alexander Payne"-Film Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 27 Februar 2014
 
Oscar-SPECiAL


 
Nebraska
Originaltitel: Nebraska
Produktionsland/jahr: USA 2013
Bewertung:
Studio/Verleih: Bona Fide Productions/Paramount Pictures
Regie: Alexander Payne
Produzenten: U.a. Albert Berger & Ron Yerxa
Drehbuch: Bob Nelson
Filmmusik: Mark Orton
Kamera: Phedon Papamichael
Schnitt: Kevin Tent
Genre: Drama
Kinostart Deutschland: 16. Januar 2014
Kinostart USA: 24. Januar 2014
Laufzeit: 115 Minuten
Altersfreigabe: Ab 6 Jahren
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu Ray, DVD, Soundtrack
Mit: Bruce Dern, Will Forte, June Squibb, Bob Odenkirk, Stacy Keach, Mary Louise Wilcon, Rance Howard, Tim Driscoll, Devin Ratray, Angela McEwan u.a.


Kurzinhalt: Kate Grant ist mit ihrem alterssenilen Gatten Woody zunehmend überfordert. Dieser ist völlig aus dem Häuschen, seit er in der Post einen Brief gefunden hat, der ihn darüber informierte, dass er eine Million Dollar gewonnen hat. Er müsse nur noch nach Lincoln, Nebraska, um sich den Gewinn abzuholen. Dem Rest der Familie ist völlig bewusst, dass es sich dabei um einen Schwindel handelt – doch Woody lässt nicht locker. Nachdem er mehrmals von der Polizei dabei eingefangen wurde, wie er versuchte, zu Fuß nach Lincoln, Nebraska zu gehen, gibt sein Sohn David schließlich klein bei. Er willigt ein, seinen Vater mit dem Auto dort hinzubringen – jedoch unter der Bedingung, dass sie auf dem Weg dorthin einen Sprung nach Hawthorne machen, wo Woody aufgewachsen ist, und der Rest der Familie immer noch lebt. Als Woody jedoch schon bald damit beginnt, überall von seinem Millionengewinn zu erzählen, droht die Situation endgültig außer Kontrolle zu geraten…

Review: Szenenbild. Alexander Payne hat in den letzten Jahren einen ganz bestimmten Stil gefunden, den ich zwar nicht unbedingt als unverkennbar, aber doch als erkennbar, bezeichnen würde. In Filmen wie "About Schmidt", "Sideways", und "The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten" verstand er es auf bestechende Art und Weise, amüsante (und oftmals absurde) Elemente mit einer ordentlichen Portion Tragik zu einem ungemein unterhaltsamen Mix zu vermischen. "Nebraska" kann dabei zwar nicht ganz die – meines Erachtens – Karrierehöhen eines "The Descendants" erreichen, bleibt dieser Tradition aber treu. Zwar schon allein von der Grundgeschichte her um einiges lockerer und amüsanter als der zuvor genannte (in dem George Clooney entscheiden muss, ob er die lebenserhaltenden Maschinen abschaltet), gibt es im weiteren Verlauf nichtsdestotrotz auch hier wieder einige ernstere, nachdenklichere und teils sogar berührende Momente – wie z.B., als Woody seinem Sohn die Motivation dahinter, der Million hinterherzujagen, erklärt. Generell ist die Ausgangssituation durchaus interessant, und lässt sich den Zuschauer fragen: Was würdet ihr tun, wenn ihr an Davids Stelle wärt?

Trotz aller ernsteren Momente ist "Nebraska" aber in erster Linie doch ein sehr amüsanter und ungemein unterhaltsamer Film. Seinen Humor bezieht der Film dabei einerseits aus der besagten Ausgangssituation. Der senile, sture Woody will partout auf niemandem hören, wenn sie ihm sagen, dass er auf Betrüger hereingefallen ist. Und vor allem als sie dann seine Heimatstadt heimsuchen und Gerüchte über seinen angeblichen Gewinn die Runde machen, beginnt die Geschichte eine Eigendynamik zu entwickeln, die zu verfolgen zweifellos sehr interessant und humorvoll ist. Davon abgesehen bezieht "Nebraska" seinen Humor aber in erster Linie aus der Familiendynamik – einerseits zwischen Woody, seiner Frau und ihren beiden Söhnen, besonders interessant wird es dann aber, wenn die "erweiterte Familie" ins Spiel kommt. Hier kommt es dann zu ein paar Szenen, mit denen Alexander Payne die typische Dynamik innerhalb von Familien einerseits zelebriert und andererseits dann auch wieder demontiert. Auch vereinzelte Höhepunkte tragen viel zum Gelingen des Films bei. Wunderbar hat mir auch die Kameraarbeit bzw. die Inszenierung gefallen. In den letzten Jahren erlebten Schwarz/Weiß-Filme ja eine Art kleines Revival, und auch "Nebraska" zeigt wieder, dass diese Kunstform nach wie vor ihre Daseinsberechtigung hat. Die schwarz/weiß-Photographie verleiht den Bildern und auch der Erzählung eine ganz eigene Qualität; einerseits wirkt sie phantastischer, abgehobener, aber andererseits auch irgendwie wieder realistischer und bodenständiger. Klingt widersprüchlich, ist aber so. Neben den Landschaftsaufnahmen kommen dabei vor allem auch die Gesichter der Darsteller – allen voran das markante Gesicht von Bruce Dern – besonders gut zur Geltung. Es mag Filme geben, wo s/w ein reines Gimmick, eine Spielerei des Regisseurs ist (Frank Darabonts "Der Nebel" würde ich z.B. dazu zählen). "Nebraska" hat aber irgendwie etwas zeitloses, weshalb es hier perfekt passt, und ich ihn mir in Farbe nur schwer vorstellen kann.

Szenenbild. Der letzte wesentliche Erfolgsfaktor sind dann die Darsteller. Bruce Dern ist Cineasten schon längst als verlässlicher, abwechslungsreicher Charakterdarsteller bekannt – in Woody hat er aber wohl die Rolle seines (bisherigen) Lebens gefunden. Abwechselnd grummelig, stur, ignorant, naiv, verletzlich und mitleiderregend, zeigt er eine fantastische, bestechende Leistung, die ihn in anderen Jahren wohl den Oscar eingebracht hätte. Will Forte hat im direkten Vergleich die deutlich undankbarere, da weitaus unscheinbarere, Rolle, schafft es aber mit seinem sympathischen David, dem Zuschauer eine Figur zu geben, mit der es ihm leicht fällt, sich zu identifizieren. Mit ebenfalls guten Leistungen zeigen dann noch Bob Odenkirk (der zuletzt vor allem Dank "Breaking Bad" in aller Munde ist) und Stacy Keach auf – in erster Linie ist es aber neben Bruce Dern noch seine Film-Frau June Squibb, die aus dem Ensemble hervorsticht. Ihre Kate mag zwar auf dem ersten Blick hart und unnachgiebig erscheinen, gerade auch gegenüber Woody, aber wenn es hart auf hart kommt, steht sie kompromisslos zu ihrer Familie – und will man sie auch an seiner Seite wissen. Vor allem in den Szenen am Friedhof, im Restaurant und beim Familienstreit konnte sie sich in Szene setzen. Aus meiner Sicht sind es jedenfalls neben dem tragikomischen Grundton, einzelnen großartigen Szenen und der schwarz/weiß-Optik in erster Linie die schauspielerischen Leistungen, die dem Kinozuschauer von "Nebraska" – positiv – in Erinnerung bleiben werden.

Fazit: "Nebraska" ist genau so ein Film, wie man es von Alexander Payne zu erwarten gelernt hat. So gekonnt wie kaum ein anderer verschmelzt er auch hier wieder Humor und Tragik zu einem ungemein unterhaltsamen Mix. Mal ernst, dann wieder zum Schreien komisch, erzählt er von der Odyssee von Vater und Sohn, die sich schon bald zu einer Reise in Woodys Vergangenheit entwickelt, die für David einige Überraschungen bereit hält – und dazu führt, dass die beiden trotz aller Hindernisse näher zueinander finden. Den Humor verdankt der Film dabei vor allem der Familiendynamik – wobei Alexander Payne diese einerseits zelebriert und andererseits demontiert. Auch der Geschichte rund um die gewonnene Million, die als die Bewohner von Woodys Heimatstadt davon erfahren zunehmend außer Kontrolle gerät, kann "Nebraska" viel Humor abgewinnen. Gespickt mit zahlreichen amüsanten, bittersüßen Szenen sowie auch dem einen oder anderen traurig-nachdenklicheren und auch berührenden Moment, und getragen von phantastischen schauspielerischen Leistungen (allen voran von Bruce Dern) bietet der Film damit beste Unterhaltung mit viel Humor, Hirn und Herz. Ein typischer Film von Alexander Payne, eben.

Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2014 Paramount Pictures)


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Weiterführende Links:
Oscar-SPECiAL 2014
Review zu "The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten"





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