The Tree of Life |
Triple-Review zum kontroversen Oscar-Kandidaten
Kategorie:
Filme -
Autor: Vorreiter | Siegel | Spieler - Datum:
Samstag, 25 Februar 2012 |
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Kurzinhalt: Jack, ein Mann im Anzug, wie viele Andere in irgendeinem Job, in irgendeinem Turm aus Glas und Stahl. Auf der Suche nach Bestimmung, erinnert er sich an seine Kindheit in einer texanischen Kleinstadt der 60er Jahre. Angefangen von unbeschwertem Herumtollen entwickelt sich ein Bild einer Familie, in der die Elternparts unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Mutter ist wie ein Bündel emphatischer Energie, mehr im Augenblick verwurzelt und die angebliche Göttlichkeit in allen Dingen bewundernd. Der Vater hingegen bedauert seine eigenen Lebensentscheidungen und versucht Jack und seine Brüder mit strenger Hand auf eine feindliche Welt vorzubereiten. Parallel dazu läuft dokumentarisch die Entstehung des bekannten Universums ab, die in der Entstehung von Leben auf der Erde gipfelt.
Michael Spieler
Review von Alexander Vorreiter: Ganz großes Kino bietet der Gewinner der Goldenen Palme der 64. Filmfestspiele von Cannes: "The Tree of Life". Der Film stellt große Fragen, zeigt dem Menschen seine Grenzen auf und ist unglaublich komplex. Eine nicht ganz unkomplizierte Empfehlung. ![]() Er handelt von Jack, welcher in den 60ern als Ältester von drei Brüdern in Amerika aufwächst. Er ist hin und hergerissen zwischen seiner Mutter, welche ihm den Weg der Gnade und Vergebung lehrt und seinem Vater, welcher ihm den Weg der Natur zeigt und für das feindliche Leben stärken will. Zwischendurch springt die Handlung immer mal wieder in die Gegenwart, in der Jack noch immer nicht den Tod seines Bruders verarbeitet hat, was kurz am Anfang des Films angedeutet wird. Die Betonung liegt auf angedeutet! Was genau passiert bekommt man fast nicht mit. Der Film deutet viel an, schwenkt schnell hin und her. Die Frage nach Gott und dem „Warum“ steht im Raum und plötzlich ist eine locker 15-minütige Sequenz zu sehen in der in wunderbaren Bildern die Naturgewalt und die Entstehung des Universums dargestellt wird. Das Ganze ist ungemein imposant, lässt einen plötzlich klein und unbedeutend wirken und irgendwann hüpfen auch noch Dinos herum. Aber um was zur Hölle geht es jetzt eigentlich? ![]() Fazit: Sinnlose Effekthascherei? Mitnichten – der Film ist ein visuelles Meisterwerk von vorne bis hinten, unglaublich tiefsinnig, hinterfragend. Alle Bilder scheinen bewusst und mit Absicht gesetzt. Alles hat seinen tieferen Sinn. Er berührt, regt zum Nachdenken an, lädt zum Philosophieren ein und zeigt dem Menschen seine Grenzen. Ich werde mir “The Tree of Life” irgendwann auf jeden Fall noch mal anschauen. Die schauspielerische Leistung ist überzeugend, Brad Pitt dürfte als Vater seine beste Leistung bislang abgeliefert haben. Eine Enttäuschung? Auf keinen Fall – nur wenn man eine endgültige vorservierte Handlung und Lösung erwartet. Eine Empfehlung? Für absolut jeden, der sich nicht vor anspruchsvollen Filmen scheut. Man muss sich auf ihn einlassen und nicht stumpf konsumieren, dann erfährt man seine Klasse. Wertung:8.5 von 10 Punkten
Alexander Vorreiter
Ursprünglich veröffentlicht am 1. August 2011 auf acht9 (Link zum Original-Artikel). Wir bedanken uns beim Autor und der Redaktion für die freundliche Genehmigung zur Verwendung des Reviews! Review von Christian Siegel: ![]() Terrence Malick präsentiert uns in "Tree of Life" zahlreichende weitschweifende Szenen mit langen Einstellungen, einprägsamen und beeindruckenden Bildern. Lange Passagen, die zum Meditieren und Sinnieren einladen. Doch statt seinem Publikum zu vertrauen bzw. ihm zuzugestehen, diese meditative Stimmung dazu nutzen zu können, sich seinen eigenen Sinn in den Bildern und den Stimmungen zu suchen, drängt er uns in eine enge, sehr spirituelle und teilweise religiöse Richtung, was ich enorm schade finde. Ich bin mir sicher, wenn Malick weniger auf Off-Kommentare gesetzt und ich dadurch die Gelegenheit erhalten hätte, meine eigenen Gedanken schweifen zu lassen, hätte mich "Tree of Life" wohl stärker angesprochen und berührt. Etwas, dass bedauerlicherweise auch der Handlung an sich nicht geglückt ist. Auch hier gilt meines Erachtens: Zu spezifisch ist das von Malick hier gezeichnete Familienportrait. Ich hatte weder Brüder, noch – Gott sei Dank! – einen dominanten, unterdrückenden Vater, der dazu geneigt hätte, seine eigene Frustration an seiner Familie auszulassen. Somit konnte ich mich weder mit der einen noch mit der anderen Facette von "Tree of Life" identifizieren. Und auch das Ende am See war mir persönlich zu metaphysisch. ![]() Fazit: Ich freue mich für jeden, den Terrence Malicks meditative Reise durch alle Facetten – und Entwicklungsstufen – des Lebens begeistert, verzaubert, berührt und fasziniert hat, nur leider gehöre ich nicht dazu. Objektiv kann ich die Perfektion, die vor allem die imposante Bilderpracht verströmt, sowie die gelungenen schauspielerischen Leistungen anerkennen, während ich mich subjektiv darüber ärgere, dass meine eigenen Gedankengänge durch teils schwülstige Off-Kommentare unterbrochen werden und mich dazu zwingen wollen, in (u.a. göttlichen) Bahnen zu denken, mit denen ich nicht wirklich etwas anfangen kann. Ebenfalls subjektiv kämpfe ich an der einen oder anderen Stelle leider auch mit der Müdigkeit, da es mit der Zeit doch etwas anstrengend ist, wenn man das Gefühl hat, dass einem jemand unbedingt seine eigene Spiritualität aufzwingen will. Da ich mich leider – oder Gott sei Dank – auch mit der hier vorgestellten Familiendynamik nicht wirklich identifizieren konnte, hatte "The Tree of Life" mir leider nicht viel zu bieten. Aufgrund der guten schauspielerischen Leistungen sowie der optischen Brillanz kann ich ihn jedoch trotz subjektiver Enttäuschung nicht zu hart abstrafen – denn eines muss man "The Tree of Life" neidlos attestieren: Er ist Kunst. Und wie wir alle wissen: Über Kunst kann, darf, ja vielleicht sogar soll, man geteilter Meinung sein. Wertung:6 von 10 Punkten
Christian Siegel
Review von Michael Spieler: ![]() Ich war froh, wenn man dem Universum beim Entstehen zusehen konnte und nicht dieses verkopfte Familienschicksal beim Eskalieren miterleben musste. Ein Schicksal, dass in Form von Erinnerungsfetzen am Betrachter vorbeischwebt und mit einer übermäßigen Häufung der selben Bilder krampfhaft versucht poetisch zu erscheinen. Da wird zum hundertsten Male dramatisch durch eine Tür gegangen und ein Lichtschein auf Irgendwen oder Irgendwas gelenkt. Dabei ist dieses häusliche Drama kein Besonderes. Vielleicht zeichnet es sich dadurch aus, dass es nicht eindimensional zeigt, der Vater ist der Böse, die Mutter ist die Gute, sondern davon ausgeht, das jeder Mensch zu beidem fähig ist. So gibt es auch wundervolle intime Momente zwischen Vater und Söhnen, die in ihrer Häufigkeit nur leider nicht so stark ausfallen wie die Herrschsüchtigen. Genauso wie die Bilder in Fetzen auf der Leinwand erscheinen, gibt es endlos wenig Dialog überschattet von szenenübergreifenden einsilbigen, fast mantrahaften Monologen von Jack. Im Rahmen des Möglichen waren die Darstellungen der Familie, besonders der Söhne, recht gut. Ihre Angst vor dem Vater und ihre Position zwischen Vater und Mutter konnten diese drei texanischen Jungs ohne Schauspielerfahrung gut meistern. Aufgrund der Fetzen war es möglich ein wenig Entwicklung innerhalb der portraitierten Kindheitsphase zu erkennen, aber auch hier bleibt es mehr bei Dingen, die der Familie zustoßen, als bei großen Veränderungen in den Charakteren selbst. ![]() Fazit: Wer sich in die Weiten des Weltraums entführen lassen und von den astronomischen Kräften beeindruckt werden möchte greift doch lieber zu einer Doku, auch wenn man solche Bilder leider wirklich kaum unkommentiert im Kino zu sehen bekommt. Familiendrama funktioniert besser in Serie, "Shameless" wäre da meine Empfehlung. Was der Familiengeschichte nämlich komplett fehlt ist Humor, es wird immer bedrückender und düsterer und ist durchgehend ernst, egal wie toll die Mutter die Umwelt in sich aufsaugt und wie unbeschwert manche Momente erscheinen mögen. Wertung:2 von 10 Punkten
Michael Spieler
(Bilder © Concorde Filmverleih)
Mitreden! Sagt uns eure Meinung zum Film im SpacePub! Weiterführende Links: Oscar-Special 2012 Review zu "2001: Odyssee im Weltraum" "The Tree of Life"-Filmbesprechung auf acht9
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