Another Earth |
Independent-Science Fiction zum Träumen
Kategorie:
Filme -
Autor: Siegel | Spieler | Wetzel - Datum:
Donnerstag, 10 November 2011 |
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Kurzinhalt: Rhoda Williams ist eine junge, hochbegabte Frau, die auf dem besten Weg ist, Astrophysikerin zu werden. Eines Abends jedoch, verursacht sie eine schreckliche Tragödie und wirft damit nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das des Komponisten John Burroughs, aus der Bahn. Am selben Tag entdeckten Forscher etwas Fantastisches am Himmel: eine zweite Erde. Der Planet, ein Spiegelbild des unseren, taucht wie aus dem Nichts auf und erobert sich einen Platz am Firmament. Ein Ort im Kosmos, an dem es uns alle ein zweites Mal gibt. Nach vier Jahren wird Rhoda aus der Haft entlassen und versucht die Vergangenheit aufzuarbeiten, da sie für sich keine Zukunft sieht. Sie will John um Verzeihung bitten, aber plötzlich hat sie Angst und lügt. Sie hofft sie könnte sein Leben ein bisschen besser machen, fängt an sein desolates Haus aufzuräumen und denkt, dadurch sich selbst das Recht zu erkaufen, weiterzuleben. Beide finden über die am Himmel stehende zweite Erde zueinander, einen Fixpunkt außerhalb ihrer zerrissenen Leben. Als sich die Möglichkeit einer Reise durch den zerbrochenen Spiegel ergibt, sieht Rhoda für sich, den letzten Ausweg und Neuanfang in dieser seltsamen Laune des Universums. Doch John erfüllt schon der Anblick eher mit Misstrauen und Furcht vor dem Unbekannten… Review von Christian Siegel: ![]() Bei der Erstsichtung hatte mir vor allem der Einstieg Probleme beschert. Weil nach dem Unfall konnte ich mir einfach nicht mehr. Für "Another Earth" ist es wichtig, dass man zumindest ansatzweise sympathisiert. Und ja, ich weiß schon, wir alle haben mal mehr oder weniger große Dummheiten begangen, waren unachtsam oder vielleicht sogar unverantwortlich, und können froh sein, wenn die daraus entstandenen Konsequenzen nicht so schlimm waren wie in ihrem Fall. Und immerhin, im Wissen darauf, was mich erwartet, worauf ich mich einlasse, bzw. was sie am Anfang tut, fiel es mir diesmal eine Spur leichter. Dennoch, mein Verständnis für betrunken Auto fahren hält sich in Grenzen, und dann noch den Kopf für eine derart lange Zeit aus dem Fenster zu lehnen und raufzuschauen anstatt einfach rechts ranzufahren und anzuhalten… damit tat ich mir auch diesmal wieder schwer. Immerhin, der Film macht nicht nur klar, dass sie ihre Zeit abgesessen hat und somit aus Sicht des Justizwesens ihre Strafe verbüßt hat, sondern dass diese Tat auch immer noch schwer auf ihrem Gewissen lastet, was es mir erlaubte, mit der Zeit dann doch noch halbwegs eine Verbindung zu ihr aufzubauen (was bei der Erstsichtung noch nicht der Fall war, da hatte ich einfach zu früh abgedreht, bzw. hatte ich mich über diese Dummheit einfach noch mehr geärgert, da sie mich damals halt völlig unvorbereitet erwischt hatte). Leider aber ist das nicht der einzige Kritikpunkt, den ich ihm gegenüber ins Feld führen würde. So sehr ich grundsätzlich auch SF-Filme schätze, die innerhalb des Genrekontexts eine sehr "menschliche" Geschichte erzählen, blieb mir persönlich die faszinierende Idee rund um die zweite Erde leider zu sehr im Hintergrund. Vom Aufbau her folgt er leider allzu sklavisch dem typischen RomCom-Aufbau, sprich einer der beiden hat ein großes Geheimnis, welches dann natürlich nachdem sie zusammengekommen sind ans Tageslicht kommen muss. Und vor allem auch mit ihrer "Entscheidung", doch tatsächlich mit ihm zu schlafen, tat ich mir ungemein schwer. Der Unfall mag "nur" extreme Fahrlässigkeit gewesen sein. Aber das war Vorsatz. Da hatte ich ihr gerade ansatzweise vergeben, und dann macht sie so etwas. Das warf meine Sympathien für sie leider gleich noch einmal ordentlich zurück. ![]() Fazit: Man sollte meinen, diese Art von sehr menschlichem Indie-SF-Drama müsste eigentlich genau mein Ding sein. Leider tat ich mir mit Rhoda nach ihrer ersten Aktion (Mischung aus Dummheit und Fahrlässigkeit) enorm schwer, und der weitere Pfad den sie beschritt (Stichwort Anbandeln) machte es um nichts leichter. Die unvermeidliche "Karten auf den Tisch"-Szene war zwar ungemein stark, vom Aufbau her war's aber so typisch, dass ich mir eigentlich gewünscht hätte, er hätte es nie erfahren. Für meinen Geschmack ging's auch zu wenig um Earth II (eine ungemein faszinierende Idee, fast vollständig verschwendet), und das Ende mag zwar eine gewisse Bedeutung implizieren, lässt sich aber auch ganz anders deuten, und lässt somit letztendlich alles offen. Dank der netten Idee, dem Fokus auf emotionale (statt wissenschaftliche) Themen, einzelner starker Momente, der wundervollen Brit Marling sowie meinem Herz für Indie-SF gibt es zwar immerhin noch eine durchschnittliche Wertung. Aber in die Lobeshymnen kann ich zu meinem eigenen, großen Bedauern leider nicht einstimmen. Wertung:5 von 10 Punkten
Christian Siegel
Review von Michael Spieler: ![]() Als sie sich dazu entschließt, bei John für das Unverzeihliche um Verzeihung zu bitten, verlässt sie auf der Schwelle der Mut und sie beginnt unter Vorgabe eine Reinigungskraft zu sein, sein vermülltes Haus und gleichsam sein Leben aufzuräumen. Im Grunde erhofft sie sich Absolution durch die Hilfe, die sie ihm zu Teil werden lässt. Dabei durchbrechen sie irgendwann gegenseitig ihre Kokons und verlieben sich ineinander. Über der zerbrechlichen Beziehung der beiden schwebt immer noch das Unausgesprochene, die gemeinsame Vergangenheit, mit der sie sich befassen müssen. Als der Tag naht, an dem sich für Rhoda die Möglichkeit zur Reise zur bekannten und doch fremden Welt über ihren Köpfen ergibt, kommt es zur Auseinandersetzung und die sonst theoretisch-philosophische Frage: "Was würdest Du tun, wenn Du Dich selbst treffen könntest?", wird zu einer echten Möglichkeit. Brit Marling übernimmt bei "Another Earth" wie auch in ihrem Film "Sound of My Voice", nicht nur die weibliche Hauptrolle, sondern war daran auch als Koautorin und Produzentin beteiligt. Sie spielt, wie die Geschichte gefilmt ist: mit einer wunderbaren Zurückhaltung und vor allem durch Körpersprache und Gesichtsausdrücke. Die Dialoge sind mit Bedacht gewählt und verzichten auf unnötige Plattitüden. Der Film gleitet nie ins Melodramatische ab. ![]() Fazit: Der Film hat mich eine ganze Weile nach dem Kinobesuch beschäftigt und das ist von den Machern auch so beabsichtigt. Zunächst weiß man einfach nicht was einen erwartet und ob der Genremix tatsächlich funktioniert. Im Gegensatz zu "Tree of Life" tut er das für mich. Er findet genau die richtige Sprache und setzt die Science Fiction im Drama genau in den richtigen Dosen ein, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, die eigene Fantasie einzuschalten. Gerade wegen der eindringlichen und wahrhaftigen Geschichte zwischen zwei Menschen, macht der Film die vermittelten Konzepte zugänglich. Dazu kommen ein paar der schönsten Bilder in einem Film, die ich je gesehen habe. Rhoda auf dem Steg am Atlantik und am Horizont hinter Wolken die andere Erde. Man verlässt das Kino auch nicht mit dem dringenden Gefühl, das Gesehene müsse zwangsweise wissenschaftlich auf sicheren Beinen stehen (denn das würde es nicht, ein Himmelskörper von der Größe der Erde, so nah an/in unserer Umlaufbahn, hätte vermutlich katastrophale Auswirkungen auf die Gezeiten – wenn die gegenseitigen Anziehungskräfte, beide Planeten nicht sogar zerreißen würden). Schaut ihn euch an und träumt. Wertung:9 von 10 Spiegeln
Michael Spieler
Inhalt & Review von Marcel Wetzel: ![]() Wie sich herausstellt, ist "Erde 2" eine exakte Kopie unserer Welt, deren Synchronität bis zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung bestand und auf der von jeder Person eine weitere Version vorhanden ist. Demnach könnten dort Doppelgänger sein, bei denen die Dinge anders abgelaufen sind. Und so wird die Frage, die sich wohl jeder schon mal gestellt hat, nämlich "Was wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte" von einer hypothetischen zu einer ganz realen. Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich statt des einen das andere getan hätte? Ist das andere Ich besser als dieses Ich? Der Film lässt den Zuschauer mit genau diesen Fragestellungen zurück und führt so dazu, dass man sich noch Tage später mit ihm beschäftigt. So stellt sich auch John diese Fragen, da seine Familie dort oben vielleicht tatsächlich noch am Leben sein könnte. Aber auch Rhoda könnte die andere Welt und die Möglichkeit, diese vielleicht zu besuchen, nutzen, um eine zweite Chance zu bekommen und ihrem alten Leben, in dem sie vorgestraft als Hausmeisterin statt Astrophysikerin arbeitet, zu entfliehen. Zwar vermitteln die Trailer zu Another Earth einen anderen Eindruck, aber der Film nutzt die Entdeckung einer zweiten Erde lediglich als Aufhänger. Eigentlich dreht sich die Geschichte um die beiden Charaktere und das Drama, welches zu der Verknüpfung der beiden Schicksale geführt hat zusammen mit der Möglichkeit, das "Was wäre wenn" tatsächlich erleben zu können. ![]() Fazit: In seinem Regiedebüt schafft es Mike Cahill, der hier auch ebenfalls Kamera und Schnitt übernimmt, mit einem kleinen Budget eine großartige Geschichte zu verfilmen, die trotz ihres philosophischen Tiefgangs niemals langweilig wird und ein weiteres Beispiel dafür abliefert, dass man keine bombastischen Effekte, sondern nur ein paar gute Ideen braucht, um einen fesselnden Film zu erschaffen. Klare Empfehlung für alle Freunde von Dramen, die mit kleinen Independent-Filmen etwas anfangen können. Wertung:8 von 10 Punkten
Marcel Wetzel
(Bilder © 2011 Fox Searchlight)
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