Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1
Auf der Suche nach den verbleibenden Horkruxen Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Freitag, 15 Juli 2011
 
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Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1
(Harry Potter and the Deathly Hallows - Part 1, USA 2010)
 
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1
Bewertung:
Studio/Verleih: Warner Bros. Pictures
Regie: David Yates
Produzenten: U.a. David Heyman, David Barron, Lionel Wigram & J.K. Rowling
Drehbuch: Steve Kloves, basierend auf dem Roman von J.K. Rowling
Filmmusik: Alexandre Desplat
Kamera: Eduardo Serra
Schnitt: Mark Day
Genre: Fantasy
Kinostart (Deutschland): 18. November 2010
Kinostart (USA): 19. November 2010
Laufzeit: 146 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: 1 (für beide Filme), 2 (für Teil 1), 3
Kaufen: Blu Ray, DVD (Special Edition), DVD, Soundtrack, Taschenbuch (D), Taschenbuch (E), Gebunden (D), Gebunden (E), PC, PS3, Xbox 360, Wii
Mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Bonnie Wright, Michael Gambon, Alan Rickman, Robbie Coltrane, David Thewlis, Natalia Tena, Brendan Gleeson, Matthew Lewis, Evanna Lynch, Imelda Staunton, Oliver Phelps, James Phelps, Julie Walters, Mark Williams, Ralph Fiennes, Helena Bonham Carter, Jason Isaacs, Tom Felton, Helen McCrory, Timothy Spall, Dave Legeno, Adrian Rawlins, Geraldine Somerville, Bill Nighy, Richard Griffiths, Fiona Shaw, Harry Melling, Clémence Poésy, Rhys Ifans, John Hurt u.a.


Kurzinhalt: Harry Potter ist in so großer Gefahr wie noch nie zuvor. Mit Hilfe von Lockvögeln gelingt es zwar, ihn sicher zu den Weasleys – die in Kürze die Hochzeit von Bill mit Fleur Delacour feiern werden – zu bringen, einer aus dem Orden des Phönix verliert dabei jedoch sein Leben, und George wird verletzt. Harry ist fest dazu entschlossen, sich alleine aufzumachen, und niemanden mehr in Gefahr zu bringen oder gar für deren Tod verantwortlich zu sein, doch Ron und Hermine bestehen darauf, ihn auch weiterhin zu begleiten. Als während der Hochzeitsfeierlichkeiten Todesser über die Gäste hereinfallen, gelingt es den drei gerade noch so, rechtzeitig zu entkommen. Nun macht man sich auf die Suche nach den verbliebenen Horkruxen – und einem Weg, diese zu zerstören. Nach einigen Nachforschungen bringen sie in Erfahrung, dass sich einer davon just in der Höhle des Löwen befindet – dem Ministerium für Zauberei, das mittlerweile fest in Lord Voldemorts Hand ist. Die Mission gelingt zwar, doch Ron wird dabei schwer verletzt. Von Versteck zu Versteck flüchtend, in der ständigen Furcht, von Todessern oder den Schergen des Ministeriums entdeckt zu werden, beginnen die Isolation von ihren Freunden und Verbündeten, die entmutigende Größe ihrer Aufgabe und die aufgrund ihrer ausweglos scheinenden Situation zunehmende Verzweiflung schon bald, erste Tribute zu fordern…

Review: ImageBereits sehr früh im Verlauf des Films wird deutlich, dass er anders ist als seine Vorgänger. Die bisherigen Potter-Filme sind, obwohl in Inhalt und Ton durchaus unterschiedlich und abwechslungsreich, im Großen und Ganzen immer dem gleichen Schema gefolgt: Nach einer kurzen Einleitung bei den Dursleys und/oder den Weasleys begeben wir uns nach Hogwarts, wo sich Harry, Hermine und Ron einer weiteren großen Herausforderung stellen müssen. In "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" (Film wie auch Roman) wird mit diesem altbekannten Konzept gebrochen. Harry Potter und seine engsten Verbündeten, Ron und Hermine, bleiben der Zauberschule diesmal fern, und sind – zumindest in Teil 1 – im Prinzip den gesamten Film auf der Flucht. Von Freunden, Familie und ihren Verbündeten des Phönix-Ordens abgeschnitten, müssen sie völlig auf sich allein gestellt alles daran setzen, um die Horkruxe zu finden und zu zerstören. Eine enorme, höchst einschüchternde Aufgabe…

Gleich zu Beginn des Films wartet "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" mit einer meiner Lieblingsszenen der gesamten (bisherigen) Filmreihe auf, nämlich als Hermine sich selbst aus dem Gedächtnis ihrer Eltern löscht, um diese zu beschützen. Ein ungemein schmerzvoller, emotionaler Moment, der zudem von David Yates auch visuell grandios umgesetzt wurde (mit dem langsamen Verschwinden von Hermine aus allen Photos der Familie). Es ist vor allem auch dieser Moment, der deutlich macht, dass es nun kein Zurück mehr gibt – und zudem die Entschlossenheit von Hermine aufzeigt, ihren Freunden in dieser dunklen Zeit beizustehen. Kurz darauf folgt mit der Jagd durch die Lüfte und der Verfolgung durch die Todesser eine der wenigen Actionszenen des Films – die dafür auch wirklich atemberaubend in Szene gesetzt wird. Doch bereits hier, bei der ersten Konfrontation zwischen beiden Gruppen, und noch relativ früh im Film, gibt es erste Opfer zu beklagen: Die kurz zuvor erst von Harry in die Freiheit entlassene Hedwig gibt ihr Leben, um ihn zu schützen. Auch Mad-Eye Moody findet den Tod (wenn uns dies auch nicht gezeigt sondern nur erzählt wird), und George wird schwer verletzt. Angesichts von so viel Tod – und Leid – nur wegen ihm ist Harry's Impuls, unverzüglich – und allein – aufzubrechen, um seine Freunde und Verbündeten nicht länger in Gefahr zu bringen (oder gar für ihren Tod mitverantwortlich zu sein), absolut verständlich, doch Ron hält ihn auf und macht ihm klar, dass er und Hermine nach wie vor fest dazu entschlossen sind, ihn zu begleiten. Was auch immer bei ihrer Mission auf sie warten mag – man wird sich ihm gemeinsam stellen…

ImageDas nachfolgende Fest und auch auch die Vorbereitungen darauf sind einer der wenigen Momente des Films, in denen uns David Yates kurz durchatmen lässt. Neben einer kurzen, aber wundervollen Szene zwischen Harry und Ginny dienen die Feierlichkeiten aber auch schon dazu, spätere Entwicklungen und Offenbarungen vorzubereiten und wichtige Informationen zu vermitteln. Nach einer kurzen und plötzlichen Warnung folgt dann auch schon der Angriff der Todesser, und Hermine, Ron und Harry gelingt es nur mit knapper Not, zu flüchten – und zwar in "unsere" Welt. Diese magischen Figuren in London zu sehen verankert die Filmreihe trotz aller phantastischer Elemente wieder stärker in der Realität, und sorgt zudem für Abwechslung, hat man sie doch bis auf wenige Ausnahmen bisher kaum in der Muggel-Welt gesehen. Wie sich jedoch kurz darauf herausstellt, sind sie auch hier nicht sicher. Toll die Szene, als Hermine erneut den Zauberspruch zum Löschen von Erinnerungen anwenden muss, und dabei zweifelsohne an ihre Eltern erinnert wird.

Nachdem man in Sirius früheres Haus zurückgekehrt ist, findet man endlich eine Spur, die zum nächsten Horkrux führen könnte. Doch dieser soll sich just im Ministerium für Zauberei, genauer gesagt in den Händen von Dolores Umbridge, befinden. Was mir an dieser Mission besonders gut gefällt, ist wie stark der Ton währenddessen wechselt. Zuerst beginnt alles noch recht amüsant, mit der Überwältigung der drei Mitarbeiter des Ministeriums, mit der Toilette, mehreren witzigen Begegnungen im Ministerium (z.B. mit Ron's Vater), und auch wie Dolores Umbridge gerade als man sich fragt, wie man sie nur finden soll, vor ihnen steht. Je länger sie sich im Ministerium aufhalten, desto ernster und bedrohlicher wird es jedoch. Die in Massenproduktion hergestellten Plakate, welche Schlammblüter denunzieren und sie als Bedrohung für die Welt der Zauberei darstellen. Die Akten, die Harry in Umbridge's Büro findet. Und vor allem dann natürlich die Anhörung der vermeintlich Muggel-geborenen – just die Ehefrau jenes Mitarbeiters, dessen Identität Ron angenommen hat. Als Harry sieht, wie Dolores Umbridge diese Frau verhört, platzt ihm schließlich der Kragen: Sein "I must not tell lies!" schlägt eine kongeniale Brücke zum "Orden des Phönix", und danach greifen er und Hermine Umbridge an und schnappen sich den Horkrux. Nach einem kurzen amüsanten Moment, als Ron von der geretteten Frau geküsst wird, gelingt ihnen gerade noch so die Flucht – jedoch nicht unversehrt. Ron verletzt und blutend am Boden liegen zu sehen und Hermine's Verzweiflung zu spüren macht die Gefahr, in der sie sich befinden, noch einmal deutlich. Kurz darauf kommt es zu einem weiteren bewegenden Moment, als der zunehmende Frust und die Verzweiflung schließlich zum Bruch führen, und Ron seine Freunde verlässt…

ImageDanach folgt meine Lieblingsszene des Films: Harry sieht, wie Hermine traurig und verzweifelt in einer Ecke sitzt, und bittet sie zum Tanz. Mit Nick Cave and the Bad Seeds' "Children" kongenial hinterlegt, ist es eine süße, unschuldige und erhebende Szene – ein kurzer unbeschwerter Moment der Freude und der Heiterkeit in all der Düsternis und Verzweiflung. Zumindest für einen kurzen Augenblick können die beiden ihre Sorgen und Ängste vergessen, und einfach wieder Kinder bzw. Jugendliche sein – zwei Freunde, welche die Anwesenheit des jeweils anderen genießen, und eine gute Zeit verbringen. Doch so schnell wie er da war, ist der Moment auch wieder vorbei: Als sie tanzen und sich umarmen wird ihnen beiden klar, dass es sich irgendwie nicht richtig anfühlt – und sie lassen wieder voneinander ab. Es ist genau dieses Unbehagen, das den Moment dann schließlich zu gelungen und grandios macht.

Nun, zumindest ist das meine Interpretation der Szene. Denn was mir an ihr ebenfalls noch ungemein gut gefällt ist, dass man wenn man dies möchte auch ganz anders verstehen kann. So gab und gibt es innerhalb der Potter-Fans nach wie vor jene, die finden, dass eigentlich Hermine und Harry zusammengehören, und nicht Ron. Ja, sie lassen am Ende voneinander ab, aber Hermine's Blick lässt sich durchaus auch anders interpretieren – als eine Art aufgeben, ein Eingeständnis ihrer Einsamkeit, und ein "Ach was solls, warum eigentlich nicht?". Wohlgemerkt: Ich teile diese Ansicht nicht. Ich sehe diese Szene genau so, wie ich sie oben beschrieben habe. Dennoch muss man den Interpretationsspielraum, den sowohl die Szene im Zelt als auch jene am nächsten Morgen, als Hermine sagt (frei aus dem Gedächtnis zitiert) "Ich werde dir nie wieder die Haare schneiden" eben auch so interpretieren, dass in diesem Zelt mehr vorgefallen ist, und Ron's schlimmste Alpträume wahr wurden. Gleichzeitig ist man dabei so unaufdringlich und subtil vorgegangen, dass es genauso ein leichtes ist, diese Sichtweise zu ignorieren. Im Endeffekt bleibt es ganz dem Zuschauer überlassen, zu glauben, was auch immer er glauben will, und auch wenn ich mich voll und ganz der "offensichtlicheren" Interpretation anschließe und mit der anderen Sichtweise wenig bis gar nichts anfangen kann, so finde ich es doch sehr positiv, dass uns Kloves und Yates den Freiraum lassen, diese Begegnung eben so zu interpretieren, wie wir das wünschen.

ImageAuch der nachfolgende Besuch in Godrics Hollow ist sehr atmosphärisch und gelungen umgesetzt, und wartet mit einem weiteren kleinen Highlight auf: Der Besuch des Grabs von Harry's Eltern. Ein weiterer sehr emotionaler Moment, der vor allem auch von Daniel Radcliffe und Emma Watson auch sehr berührend dargestellt wird. Als man die ominöse alte Frau erblickt, wechselt die Stimmung jedoch schnell. Als Harry und Hermine ihr Haus betreten, beschleicht einen unweigerlich ein unheimliches Gefühl. David Yates gelingt es sehr gut, eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen und uns fragen zu lassen, ob sie ihnen auch tatsächlich wohlgesonnen ist. Als sich ihre wahre Identität offenbart, gibt es schließlich eine kurze, jedoch packend inszenierte Konfrontation. Zum wiederholten Mal entkommen unsere jungen Helden nur mit knapper Not – wobei angesichts der Tatsache, dass dabei Harry's Zauberstab zerstört wird, ihre Aussichten düsterer scheinen als jemals zuvor.

Umso erfreulicher, dass es kurz darauf endlich den ersten großen Erfolg zu verzeichnen gibt: Harry folgt einem Patronus-Zauber, der ihm zum Schwert von Gryffindor führt – welches jedoch in einem vereisten See auf Grund liegt. Als er droht, aufgrund des Horkruxes zu ertrinken, wird er vom zurückgekehrten Ron gerettet. Die nächsten Minuten sind erneut sehr emotional: Der Horkrux zeigt Ron seine schlimmsten Befürchtungen, nämlich Harry und Hermine, nackt und innig umschlungen. Für einen kurzen Moment hält man es (als Buch-Unkundiger) für möglich, dass er diesem Bild tatsächlich Glauben schenkt – ehe er den Horkrux in einem triumphierenden Moment zerstört. Das darauffolgende Wiedersehen zwischen ihm und Hermine ist einfach nur herrlich in Szene gesetzt – mehr will ich dazu gar nicht sagen, einfach anschauen und genießen! Nachdem sie sowohl auf einem Grab auf dem Friedhof als auch in Hermine's Kinderbuch, welches ihr wohl nicht grundlos von Dumbledore hinterlassen wurde, jenes Zeichen sehen, das auch Luna's Vater Xenophilius bei der Hochzeit als Anhänger getragen hat, beschließen sie, ihm einen Besuch abzustatten. Nun folgt der dritte wirklich grandiose Moment des Films: Die animierte Sequenz rund um die drei Brüder und die Heiligtümer des Todes. Zugegeben, dieses Stilmittel ist heutzutage nicht mehr übertrieben originell, wurde es doch in den letzten Jahren immer wieder mal genutzt (z.B. in "Kill Bill Vol. 1", "Hellboy 2 – Die goldene Arme" oder auch "Kick-Ass"). Aber es fällt mir schwer, mich darüber zu beschweren, wenn sie so wundervoll animiert und künstlerisch gestaltet ist wie hier. In der Tat ein "magischer" Moment.

ImageDoch kurz darauf werden Harry, Hermine und Ron gefangen genommen und zu den Malfoys gebracht. Auch hier hält sich die Action zwar in Grenzen, dafür ist die Szene um so spannender und dramatisch. Vor allem jene Szene, als Bellatrix Hermine foltert und ihr das Wort "Schlammblut" einritzt, ist schmerzhaft mit anzusehen. Während Harry, Ron, Luna und Mr. Ollivander noch verzweifelt nach einem Weg suchen, aus dem Verlies zu entkommen, eilt Dobby zur Rettung. Er befreit sie, und gemeinsam stellt man sich den Malfoys und Bellatrix. Erneut gelingt die Flucht – doch auch diesmal ist für diese ein schmerzlicher Preis zu zahlen, was für einen melancholischen Abschluss sorgt (dazu gleich noch mehr). Mit einem Blick zu Lord Voldemort, der Dumbledore's Grab entdeckt hat und den mächtigen Elderstab an sich nimmt, wird man schließlich perfekt auf das kommende, hochdramatische Finale der Potter-Saga eingestimmt…

Nachdem angekündigt wurde, dass man das Finale der Harry Potter-Reihe auf zwei Teile aufsplitten würde, gab es nicht wenige zynische Stimmen, die diesen Schritt als reine Geldmacherei abtaten. Und auch wenn ich mir sicher bin, dass Warner Bros. nichts dagegen hatte, ihre Erfolgsgeschichte um einen weiteren Film zu verlängern und damit auch die Einnahmen quasi zu verdoppeln, so denke ich schon, dass dieser Schritt auch vom künstlerischen Aspekt gerechtfertigt ist. Denn aus meiner Sicht war diese Aufteilung unerlässlich, um der Vorlage gerecht zu werden. Stimmt schon, viel Handlung steckt in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" nicht. Wenn man gewollt hätte, wäre es sicherlich möglich gewesen, die Geschichte in einem einzigen Film zu erzählen. Aber ich will gar nicht darüber nachdenken, was für ein völlig überhasteter, gehetzter Käse dabei herausgekommen wäre. Auf welche tollen Momente aus diesem ersten Film wir hätten verzichten müssen. Und vor allem: Wie sehr darunter die Atmosphäre gelitten hätte. Bei den früheren Verfilmungen der Reihe waren die ganzen Kürzungen insofern noch nicht so schlimm, als dass es die Dramaturgie über die komplette Filmreihe hinweg nicht negativ beeinflusst hat. Aber beim Finale? Hätte man hier durch die Handlung gehetzt, wäre dies aus meiner Sicht fatal gewesen. Es braucht einfach diese Laufzeit, und diese Luft zum Atmen, damit die Momente auch genug Zeit haben, um die gewünschte Wirkung entfalten zu können. Ansonsten bekommt man einen solch überhasteten, unemotionalen und gänzlich unwürdigen Abschluss eines Handlungsstrangs, wie beim Tod von Sirius Black.

ImageErst die Aufteilung auf zwei Filme erlaubt es David Yates, sich ausführlich mit den Figuren zu beschäftigen, und ihre Ängste und Verzweiflung in den Mittelpunkt zu stellen und dadurch für uns spürbar zu machen. Doch auch abseits des Erzählflusses und der Atmosphäre – beides zählt zu den größten Stärken des Films – kann David Yates Inszenierung diesmal so richtig begeistern. Bereits bei den Vorgängern hat er seine Verfilmung mit einigen beeindruckenden Bildern geschmückt, doch für bei "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" hat er sich (vorerst) selbst übertroffen. Die zahlreichen, beeindruckenden Landschaften, die er uns hier präsentiert, verleihen dem Film trotz der geradlinigen, auf wenige Figuren konzentrierten Handlung ein Gefühl von Weite, Größe und Epik. Auch die Farbgebung wurde wieder sehr bedächtig ausgewählt, um die Stimmung der jeweiligen Szene zu unterstützen. Nach dem "Gefangenen von Askaban" ist der 7. Teil der Reihe jedenfalls – bislang – visuell am bestechendsten inszeniert.

An Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint stellte "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" ebenfalls ganz neue Herausforderungen. Zwar sind sie über die letzten Jahre hinweg zunehmend in die Figuren hineingewachsen, und könnten sie mittlerweile wohl selbst im Schlaf spielen – tun dies jedoch nicht. Und das ist auch gut so, denn nicht nur müssen sie diesmal viele, teils sehr intensive Gefühle glaubwürdig vermitteln, sie sind zudem über weite Strecken des Films – wie auch die Figuren die sie verkörpern – auf sich allein gestellt. Im Gegensatz zu den bisherigen Filmen, wo sie die Verantwortung mit vielen, teils sehr erfahrenen SchauspielerInnen teilen konnten, liegt die Last, den Film zu tragen, nun gänzlich auf ihren Schultern. Sie haben ihre "Lehrer" und Vorbilder auch nicht mehr, um gemeinsam mit ihnen eine Szene zu erarbeiten, sondern agieren fast ausschließlich nur mehr untereinander. Eine Herausforderung, die alle drei mit Bravour meistern. Tatsächlich ist ihre ganz eigene Dynamik, die wohl nur dadurch entstehen kann dass man jahrelang gemeinsam an solch einem Mammut-Projekt arbeitet und immer stärker zusammenwächst, eine der größten Stärken des Films. Sie bringen die Freundschaften und die Gefühle, die in den letzten knapp 10 Jahren im echten Leben entstanden sind, in die Beziehung ihrer Protagonisten ein, und werten den Film damit ungemein auf.

ImageFür den Abschluss der Harry Potter-Reihe wurde mit Alexandre Desplat wieder ein neuer Filmkomponist engagiert. Seine Filmmusik ist sehr atmosphärisch und ungemein stimmungsvoll, und unterstützt vor allem die emotionaleren, dramatischeren Momente perfekt, mag jedoch auf den ersten Blick (?) etwas irritieren – klingt das doch irgendwie so gar nicht wie der Harry Potter, den wir kennen. Außer Hedwigs Thema ist sich kein bekanntes musikalisches Motiv zu hören (und selbst dieses nur ganz kurz). Zwar haben auch seine unmittelbaren Vorgänger Williams' Themen oftmals sehr vernachlässigt, sorgen aber zumindest durch den Einsatz der gleichen Instrumente etc. dafür, dass die musikalische Identität der Reihe gewahrt bleibt. Desplat wirft ähnliche Bedenken größtenteils über Bord, und auch wenn er den andersartigen Charakter des Films damit perfekt unterstreicht uns es bei "Heiligtümer des Todes – Teil 1" durchaus gepasst hat, hoffe ich doch, dass er beim ultimativen Finale, welche die Reihe ja auch musikalisch abschließen sollte, wieder vermehrt auf die von seinen Vorgängern (allen voran natürlich John Williams) etablierten Leitmotiven zurückgreifen wird.

Womit wir auch schon fließend den Übergang zu den weniger gelungenen Elementen geschafft hätten. So sehr das Zusammenspiel der drei HauptdarstellerInnen auch überzeugen kann, und so erfrischend es auch sein mag, einmal einen Film zu erleben, der sich fast ausschließlich auf sie konzentriert – eine der größten Stärken der Harry Potter-Filme war schon immer das beeindruckende, große Ensemble. Eben diese fehlt hier. Etwas kritisch sehe ich auch die Darstellung der Horkruxe. Ich bin mit Vorwürfen des kreativen Diebstahls ja immer vorsichtig, aber… die Auswirkungen des Horkrux auf seinen Träger hat mich dann doch etwas zu sehr an ein anderes, wohlbekanntest magisches Artefakt, nämlich den "einen Ring", erinnert. Auch kann ich dem Film den Vorwurf nicht ersparen, dass teilweise der Eindruck einer Schnitzeljagd nach McGuffins entsteht. Etwas seltsam auch das mit den Heiligtümern des Todes, deren Bedeutung für die Geschichte sich hier im ersten Teil des Finales noch nicht wirklich erschließt, und eher wie ein unnötiger Umweg wirkt. Jetzt sind wir schon auf der Suche nach mehreren Horkruxen (wenn ich richtig gezählt habe müssten am Ende des Films noch drei übrig bleiben), haben zwischenzeitlich das Schwert Gryffindors gesucht – soll man jetzt etwa auch noch Jagd auf die Heiligtümer des Todes machen? Ich bin verwirrt – und auch etwas besorgt, weil wenn nun noch weitere McGuffins ins Spiel kommen, droht das Ganze endgültig etwas zerfahren zu wirken. Wo wir grade davon gesprochen haben: Das plötzliche, willkommene – und noch dazu vorerst noch ungeklärte – Auftauchen des dringend benötigten Schwerts an einer denkbar günstigen Stelle und wohl genau zum richtigen Zeitpunkt, wirkt schon etwas gar zweckmäßig. Ich vermute stark, dass wir hierfür im zweiten Teil noch eine Erklärung erhalten werden, doch bis dahin kann ich mich des Eindrucks einer Deus Ex Machina nicht erwehren.

Achtung, große Spoilerwarnung! Lest nicht weiter, wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt!!!





ImageAll dies sind jedoch eher nebensächliche Kritikpunkte, die ich noch leicht hätte verzeihen können. Der einzig wirklich große Schwachpunkt ist meines Erachtens der unemotionale Tod von Dobby – zumindest für jene, welche die Bücher nicht kennen. In "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" fand ich ihn ja einfach nur nervtötend – und zwar sowohl im Film als auch im Roman. In den Büchern durfte er jedoch bis auf den "Gefangenen von Askaban" in jedem weiteren Teil auftreten und sich zumindest ansatzweise rehabilitieren. In den Filmen ist er leider nach wie vor in erster Linie als nervig-masochistischer Störfaktor aus Teil 2 in Erinnerung, weshalb es all jenen, welche die Romane nicht kennen, wohl sehr schwer fallen dürfte, hier Mitleid und/oder Trauer zu empfinden. Der verzweifelte Versuch, ihn durch seine Auftritte fünf Minuten vor zwölf doch noch sympathisch zu machen, scheitert leider kläglich, und fällt in die Kategorie "zu wenig, zu spät". Schade – zumal es David Yates bei den letzten beiden Filmen ja selbst in der Hand gehabt hätte…

Fazit: Trotz kleinerer – und einer großen – Schwäche ist "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" wieder ein deutlicher Schritt aufwärts, und für mich von den ersten sieben Filmen nach "Harry Potter und der Gefangene von Askaban" der Zweitbeste. Durch die Aufteilung des letzten Romans der Reihe auf zwei Filme bleibt Steve Kloves und David Yates genug Zeit, um die Geschichte würdig auf die Leinwand zu bringen, und den zahlreichen grandiosen Momenten ausreichend Zeit zu geben, um beim Zuschauer die gewünschte Wirkung zu entfalten. Vor allem die Figuren profitieren von dieser gemächlichen, atmosphärischen Erzählweise enorm. Während sie in den vorangegangenen Filmen oftmals angesichts der Tatsache, wie viel an Geschichte unterzubringen und zu erzählen war, etwas ins Hintertreffen geraten sind, treten sie nun wieder in den Mittelpunkt, und haben ausreichend Zeit, uns ihre Gefühle zu vermitteln. Auch Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint profitieren davon enorm. "Heiligtümer des Todes – Teil 1" ist voller großartiger Momente – nicht wenige davon zähle ich zu den bisher besten der gesamten Filmreihe. Auch David Yates Inszenierung ist hier einfach nur grandios, schmückt er den Film doch mit unzähligen imposanten Bildern und beeindruckenden Einstellungen. Zudem streut er immer wieder kurze humorvolle, lockere Momente ein, welche die Düsternis kurzzeitig durchbrechen – und oftmals zu den besten Szenen des Films gehören.

ImageDavon abgesehen sorgt er aber in erster Linie für eine drückende, düstere Grundstimmung, und ein stetes Gefühl der Gefahr. Unterstützt wird er dabei durch einen ungemein atmosphärischen Score von Alexandre Desplat, der sich stark von den bisherigen Soundtracks unterscheidet und damit die Andersartigkeit des Films im Vergleich zu den Vorgängern auch musikalisch unterstreicht. Was den Film an sich betrifft, fand ich vor allem beachtlich – und positiv – dass man sich nicht nach dem kleinsten gemeinsamsten Nenner richtet und alles bis ins kleinste Detail erklärt, sondern eine gewisse Grundkenntnis der Filme voraussetzt. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird hier nicht einfach nur belohnt, sondern sogar gefordert. Alles in allem empfand ich "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1" trotz kleinerer Schwächen als perfekte Einstimmung auf das – hoffentlich – fulminante Finale!

Wertung:9 von 10 Punkten



Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros. Pictures)


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