Harry Potter und der Stein der Weisen
Das erste Abenteuer des jungen Zauberers Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 09 Juli 2011
 
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Harry Potter und der Stein der Weisen
(Harry Potter and the Sorcerers Stone, USA 2001)
 
Harry Potter und der Stein der Weisen
Bewertung:
Studio/Verleih: Warner Bros. Pictures
Regie: Chris Columbus
Produzenten: U.a. David Heyman, Mark Radcliffe & Chris Columbus
Drehbuch: Steve Kloves, basierend auf dem Roman von J.K. Rowling
Filmmusik: John Williams
Kamera: John Seale
Schnitt: Richard Francis-Bruce
Genre: Kinder/Fantasy
Kinostart (Deutschland): 22. November 2001
Kinostart (USA): 16. November 2001
Laufzeit: 152 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: klick
Kaufen: Blu Ray (Ultimate Edition), Blu Ray, Blu Ray (Neuauflage), DVD (Ultimate Edition), DVD (Special Edition), DVD, Soundtrack, Taschenbuch (D), Taschenbuch (E), Gebunden (D), Gebunden (E), PC-Spiel, PS2-Spiel,
Mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Robbie Coltrane, Maggie Smith, Richard Harris, Alan Rickman, Ian Hart, Tom Felton, Matthew Lewis, John Hurt, John Cleese, Warwick Davis, Bonnie Wright, Richard Griffiths, Fiona Shaw, Harry Melling, David Bradley, Oliver Phelps, James Phelps, Julie Walters, Adrian Rawlins, Geraldine Somerville u.a.


Kurzinhalt: Nach dem Tod seiner Eltern wächst Harry Potter bei seiner Tante Petunia, ihrem Mann Vernon sowie deren Sohn Dudley auf. Während letzterer über alle Maßen verwöhnt wird, darf der arme Harry in einem leeren Schrank unter der Treppe hausen. Doch nach seinem 11. Geburtstag beginnt sich sein Leben schlagartig zu verändern: Ständig bekommt er Briefe von einer Schule für Magie und Hexerei, die jedoch sein Onkel Vernon sofort verbrennt. Ein paar Tage später steht dann der Riese Hagrid in der Tür, um Harry, nachdem die "Eulenpost" ihn nie erreicht hat, persönlich die freudige Nachricht zu überbringen, dass er ein Zauberer ist, und in der Schule für Magie und Hexerei aufgenommen wurde. Begeistert packt er seine (wenigen) Sachen und macht sich mit Hagrid auf, um alle für einen Schulanfänger in Hogwarts notwendigen Utensilien zu besorgen. Dabei muss er schon bald erkennen, dass es sich bei ihm um eine Berühmtheit handelt - sind doch seine Eltern damals beim Versuch, ihn zu beschützen, vom bösen Zauberer Lord Voldemort, dessen Name niemand auszusprechen wagt, getötet worden. Im Zug nach Hogwarts lernt er in Ron Weasley sogleich einen guten Freund kennen, und macht zudem die Bekanntschaft der überaus motivierten Hermine Granger. In ihrem ersten Schuljahr wird er mit den beiden nicht nur eine enge Freundschaft bilden, sondern erste Erfolge beim Quidditch feiern, seinen ersten Kampf gegen einen Troll bestreiten und gemeinsam mit seinen neuen Freunden Nachforschungen über den geheimnisvollen Stein der Weisen anstellen, der sich tief in den Verliesen Hogwarts befindet und droht, in die falschen Hände zu geraten…

Review: ImageGegen Ende des letzten Jahrhunderts begann sie langsam aber sicher, zuerst in England, doch schon bald schwappte sie auch auf unsere Breiten über: Die Potter-Mania. Lange habe ich mich dagegen gewehrt, einen Blick auf dieses neue Fantasy-Universum zu werfen, tat ich doch die allgemeine Begeisterung als übertriebene Hysterie ab. Erst als Harry Potter "mein" Medium, den Film, erobert hat, begann ich Interesse dafür zu entwickeln - wenn auch mit Verzögerung, denn 2001 gab es natürlich nur EIN wahres Fantasy-Highlight, das mich auch dementsprechend in Anspruch genommen und keinerlei Konkurrenz zugelassen hat. Doch nach 2003 begann sich mein nach mehr Fantasyunterhaltung lechzendes Herz schon bald nach weiterem Futter zu sehnen, und angesichts der vielversprechenden Trailer zum "Gefangenen von Askaban" hatte ich mich schließlich dazu entschlossen, mir auch die beiden Vorgänger anzusehen und diesem sagenumwobenen Harry Potter endlich mal eine Chance zu geben.

Ich muss gestehen, meine erste Reaktion war noch eher verhalten. Zwar konnten mir Einfallsreichtum und Konzept durchaus gefallen, doch einige vorhandene Schwächen sorgten dafür, dass ich die Faszination des Potterversums noch nicht so recht nachvollziehen konnte. Mittlerweile, mit der Kenntnis der weiteren Filme, stehe ich dem "Stein der Weisen" – wenn es auch nach wie vor einige Aspekte gibt, die mich stören – schon deutlich positiver gegenüber. In gewisser Weise ist es viel interessanter, den Beginn dieser Geschichte zu verfolgen, wenn man schon weiß, wie es weitergeht, wohin sich die Figuren entwickeln etc. und erkennt, wie hier bereits im ersten Teil der Filmreihe der Grundstein für die weitere Handlung gelegt wird. Als Einstieg und Fundament für die weiteren Teile ist "Harry Potter und der Stein der Weisen" jedenfalls definitiv erfolgreicher und besser denn als eigenständiger Eintrag ins Fantasy-Genre. Man nimmt sich sehr viel Zeit, das Universum und vor allem natürlich die Figuren vorzustellen, und uns in diese zauberhafte, von J.K. Rowling erschaffene Welt eintauchen zu lassen. Dies reduziert zwar naturgemäß das Tempo des Films, ist aber für die Zukunft der Filmreihe unerlässlich. Zudem muss ich gestehen, dass ich nicht wüsste, was ich herausschneiden würde. Maximal würde ich einzelne kurze Momente und Einstellungen kürzen, aber keinesfalls komplette Szenen herausnehmen. Tatsächlich ziehe ich sogar die erweiterte Fassung vor, da diese irgendwie runder und kompletter wirkt.

ImageEin Aspekt der Filmproduktion, den ich bereits damals (fast) uneingeschränkt gelobt habe (und wo sich auch an meiner Meinung nichts geändert hat), ist das Casting, wo es gelungen ist, unzählige Schauspielgrößen, insbesondere aus England, für den Film zu gewinnen. Richard Harris, Alan Rickman, Maggie Smith, Robbie Coltrane, John Hurt, John Cleese… die Liste ist mindestens so hochkarätig wie lang. Auch bei den Kinderdarstellern hat man sich sichtlich Mühe gegeben, sowohl auf das richtige Aussehen als auch ein Mindestmaß an schauspielerischem Talent zu achten. Besonders beeindrucken konnte mich bereits im ersten Film Emma Watson als neunmalkluge Streberin. Sie stellt genau die richtige Mischung aus Hochnäsigkeit, Ehrgeiz und Unsicherheit dar, welche diese Art von Schüler(inne)n so auszeichnet. Eine grandiose Performance, mit der sie damals für mich schon aus dem Rest der Besetzung hervorstach und deutlich machte, dass wir mit ihr noch viel Freude haben werden.

Auch Rupert Grint weiß in seiner Rolle als etwas abgehalftertes Kind einer Großfamilie zu gefallen, genauso wie Matthew Lewis als pummelig-ungeschickter Neville und Tom Felton als Harry's Erz-Schulfeind Draco Malfoy. Leider bleibt just Harry Potter-Darsteller Daniel Radcliffe etwas farblos und wirkt in den etwas anspruchsvolleren Szenen (von denen es jedoch in "Stein der Weisen" ohnehin noch kaum welche gibt) ein wenig überfordert. Alle anderen Kinder sind ungemein spielfreudig, bei ihm fehlt es hingegen etwas an Mimik und Ausdrucksstärke. Ich möchte mit ihm nicht zu hart ins Gericht gehen – einerseits, da er sich im weiteren Verlauf der Filmreihe deutlich gesteigert hat (was jedoch auch notwendig war), und andererseits, da er damals ja noch ein Kind und es seine erste große Filmproduktion war. Natürlich ist man da nervös und ist zu sehr damit beschäftigt, sich zu bemühen den Text zu lernen und aufzusagen, auf seiner Markierung zu stehen etc., und vergisst dadurch etwas darauf, zu schauspielern und die Figur wirklich zu verinnerlichen. Da jedoch praktisch sämtliche anderen Kinderdarsteller und –innen zeigen, wie man es besser macht, komme ich nicht umhin anzumerken, dass ich es schade finde, dass just er in der Hauptrolle im Vergleich zu den anderen etwas ab- und dadurch unangenehm auffällt. Trotzdem ist er keineswegs schlecht, und sein nicht ganz so tolles Schauspiel ist hier insofern auch noch nicht so tragisch, als das es für ihn im 1. Film ohnehin noch nicht so viel zu tun gibt, außer beeindruckt und überwältigt dreinzuschauen…

ImageÜber jeden Zweifel erhaben ist jedoch die Riege an hochkarätigen, wohlbekannten SchauspielerInnen, welche für die vielen weiteren Rollen gewonnen werden konnten. Richard Harris verleiht Dumbledore allein durch seine enorme Leinwandpräsenz eine Erhabenheit, Weisheit und Würde, die perfekt zur Rolle passt. Maggie Smith erweist sich ebenfalls als Idealbesetzung für die zwar strenge, aber dennoch auch warmherzige McGonagall. Robbie Coltrane vermag es, sowohl den bedrohlicheren (zu Beginn) als auch den herzlichen, freundlichen Aspekt von Hagrid zu vermitteln. Doch trotz aller großartiger Leistungen der Anderen, ragt in erster Linie einer aus der Riege der Darsteller hervor: Alan Rickman. Mit seiner ungemein starken Leinwandpräsenz zieht er die Aufmerksamkeit des Zuschauers in jeder Sekunde, in der er zu sehen ist, unweigerlich an sich. Neben seiner Mimik und Gestik ist es in erster Linie seine Stimme bzw. seine Sprechweise, welche die Bedrohlichkeit seiner Figur perfekt vermittelt und den Zuschauer in seinen/ihren Bann zieht.

"Harry Potter und der Stein der Weisen" mag sich zwar etwas zu sehr auf die Vorstellung des Universums und der Figuren konzentrieren, aber eben diese Vorstellung ist grundsätzlich sehr gut gelungen. Oftmals sind es nur wenige kurze Momente oder auch nur ein Satz, mit dem uns die Persönlichkeit einer Figur perfekt vermittelt wird. Als Beispiel sei Hermine Granger’s grandioses "We could be killed. Or worse – expelled!" genannt. Gerade aber auch deshalb, weil es oftmals bereits mit kurzen, sehr prägnanten Momenten gelingt, uns die Figuren ausreichend vorzustellen, ist es doch etwas schade, dass man praktisch den ganzen Film dafür ver(sch)wendet. Vieles was darüber hinaus passiert dient dann eigentlich nur mehr dazu, das Profil der Figuren zu verschärfen und den in diesen kurzen Momenten vermittelten Eindruck zu stärken/unterstützen, bringt für sich genommen aber keine neuen Erkenntnisse mehr. Natürlich lernen wir mit jeder Sekunde, die wir mit diesen Figuren verbringen, sie besser kennen, und freunden uns stärker mit ihnen an, was vor allem für den weiteren Verlauf der Filmreihe wichtig war. Dennoch finde ich es etwas schade, wie der erste Film dafür doch ein wenig geopfert wurde. Denn bei aller Vorarbeit für den Rest der Reihe bleibt die eigentliche Handlung des Films rund um den Stein der Weisen leider ziemlich auf der Strecke, und rückt (zu) stark in den Hintergrund. Hin und wieder mal wird der Stein der Weisen von der einen oder anderen Figur angesprochen und die entsprechende Handlung an sich weitergeführt und thematisiert - jedoch viel zu wenig und viel zu selten. Vermutlich auch deshalb konnte mich das Mysterium rund um den Stein der Weisen nie so recht faszinieren und/oder interessieren - es wurde von den Filmemachern derart in den Hintergrund gedrängt, dass es mir schon richtiggehend unwichtig erschien.

ImageIm Roman (der sich ebenfalls in erster Linie auf den Einleitungsaspekt konzentriert und die Handlung rund um den Stein der Weisen etwas vernachlässigt) war dies noch kein Problem - Papier ist ja bekanntlich geduldig, und bei einem Buch verzeiht man ein etwas gemächlicheres Erzähltempo bzw. wenn mal ein paar Seiten lang nichts weiter passiert gerne. Film ist jedoch ein gänzlich anderes Medium. Während ich mit einem Buch auch gerne mal 10 Stunden oder länger beschäftigt sein kann, gilt es in einem Film nicht nur, die Handlung in einer deutlich geringeren Zeit zu erzählen, sondern man muss auch was den Spannungsaufbau betrifft andere Erfordernisse beachten. Was in einem Roman noch durchaus interessant sein kann und die Geduld des Lesers noch nicht allzu strapaziert, kann in einem Film sehr schnell langweilig werden. Und genau daran hapert es bei "Harry Potter und der Stein der Weisen" - an der Dramaturgie.

Man hangelt sich von neuem Ort zu neuem Ort, von neuer Figur zu neuer Figur, doch es fehlt der alles umfassende, dramaturgische Rahmen, der nebenbei im Hintergrund verlaufen und dafür sorgen würde, dass die Handlung spannend bleibt. Ein typisches Beispiel wie man es besser macht ist z.B. "Der Herr der Ringe". Auch dort lernen wir mit der Zeit neue Orte und/oder Personen kennen - eben dieses Kennenlernen ist jedoch in eine spannende und dramatische Handlung eingebettet. Wir wissen, worum es geht, und was unsere Figuren zu tun haben - wir haben ein Ziel vor Augen, und genau dies sorgt für die nötige Spannung. Eben dies fehlt bei 1. Harry Potter-Film. Man weiß nicht wirklich, wo sich die Figuren hinbewegen (sollen) und vor allem, was denn genau auf dem Spiel steht. Und genau dadurch fehlt es an Spannung und Dramatik. Generell muss ich die Handlung des ersten Films leider eher zu dessen Schwächen zählen. Nicht nur, dass diese noch sehr geradlinig und wenig komplex verläuft, gibt es gibt es zudem noch ein paar Dinge, die mich doch etwas stören. So richtet sich der Film, wie auch der Roman, doch in erster Linie an Kinder, und erst in zweiter Linie an Fantasy-Fans. Auch gibt es ein paar sehr klischeehafte Aspekte, wie z.B. die bösen, bösen Pflegeeltern - derartiges gibt es in der Kinderliteratur einfach immer wieder zu finden, so dass mich eine derart oberflächlich-einseitige und klischeehafte Darstellung mittlerweile doch etwas stört - noch dazu, da man im 1. Film den Grund für das Verhalten der Dursley's noch nicht nachvollziehen kann.

ImageGenerell ist mir beim "Stein der Weisen", sei es nun der Film oder das Buch, die Eindimensionalität der Figuren sehr unangenehm aufgefallen. Die Grenze zwischen Gut und Böse ist (zu) eindeutig gezogen, auf der einen Seite die guten, edlen Gryffindors, auf der anderen Seite die bösen, durchtriebenen Slytherins. Wo man meines Erachtens bei der Verfilmung ebenfalls geschlampt hat, ist bei Quidditch. Im Film kommt es so rüber, dass welches Team auch immer den Schnatz fängt, gewinnt. Dies dient natürlich in erster Linie dazu, um die Bedeutung von Harry hervorzustreichen, leider aber wirkt das Spiel so wie es hier geschildert wird ziemlich unsinnig. Warum sich überhaupt die Mühe mit den Toren etc. machen? Zugegeben, ganz unschuldig ist J.K. Rowling hier nicht; 150 Punkte erscheinen dann doch etwas zu viel, und legt das Gewicht des Spiels zu sehr darauf, den goldenen Schnatz zu fangen. Dennoch hätte man die Relevanz der anderen Spieler etwas besser erklären können – ein oder zwei Sätze hätten da schon gereicht. Jedenfalls habe ich das Konzept des Spiels erst nach dem Lesen des Romans so richtig verstanden.

Was hingegen an der Geschichte gefällt, ist die von J.K. Rowling geschaffene, phantastische Welt. Zugegeben, sie erfindet das Rad hier nicht neu, und bedient sich einiger – sowohl in der phantastischen als auch der Jugend-Literatur bekannter – Elemente, fügt diese jedoch zu einem stimmigen ganzen zusammen, dass zu faszinieren und verzaubern vermag. Was die Handlung an sich betrifft, gefallen mir vor allem die ruhigeren Momente, wie z.B. als Harry vor dem "Wunsch"-Spiegel steht, wo doch auch ein etwas traurigerer Ton angeschlagen wird. Vor allem gegen Ende jedoch erhöht sich der Unterhaltungswert enorm, da dann die Handlung rund um den Stein der Weisen endlich in den Mittelpunkt rückt und der Film auch dementsprechend an Spannung und Dramatik gewinnt. Besonders gut gefallen haben mir die verschiedenen Aufgaben, welche auf dem Weg zum Stein der Weisen zu lösen waren. Diese waren nicht nur wirklich gut durchdacht und sehr einfallsreich, sondern hat außerdem die Fähigkeiten eines jeden der 3 Hauptprotagonisten gefordert, um weiterzukommen. Vor allem das Zauberschach hat es mir wirklich angetan - wohl auch, da dies von Columbus visuell wirklich großartig umgesetzt wurde. Die entsprechende Szene ist jedenfalls meiner Meinung nach die Inspirierteste und visuell Ansprechendste des gesamten Films. Lediglich den Ausgang der Schachpartie fand ich übertrieben dramatisch in Szene gesetzt. Ich meine, warum springt Ron nicht einfach rechtzeitig vom Pferd herunter? Hier wurde dieser "Ron opfert sich"-Aspekt zu sehr in den Vordergrund gerückt und etwas übertrieben dargestellt.

ImageUmso besser dann aber der Showdown. Die Wendung am Ende, wer denn nun wirklich hinter dem Stein der Weisen her ist, konnte mich wirklich überraschen, und nach dieser Auflösung erscheinen einige Szenen zuvor in einem neuen Licht. Danach gibt es erneut eine visuell überzeugende und interessante Szene zu bestaunen, als sich Voldemorts Gesicht im Spiegel, nun, spiegelt. So sehr ich Columbus auch gleich kritisieren werde - diese Szene und die Zauberschachpartie zuvor wurden visuell wirklich gelungen in Szene gesetzt. Das unmittelbare Finale nach dem Showdown hat mir dann jedoch schon wieder deutlich schlechter gefallen. Den nachfolgenden Dialog zwischen Harry und Professor Dumbledore fand ich aufgrund der Begründung, warum ihn Voldemort nicht anfassen konnte, unheimlich kitschig, und das drohende unglückliche Ende mit dem Sieger Slytherin, dass sich dann doch noch zum guten wendet, fand ich richtiggehend dumm.

Bereits im Buch hat mich dies wirklich gestört. Nicht nur ist es mir zu typisch, erinnert es doch an typische Sportfilm-Klischees, Dumbledores Verhalten wirkt hier richtiggehend gehässig und nicht nachvollziehbar. Zuerst die Slytherins feiern lassen und ihnen dann sagen „Ätsch, ihr habt doch nicht gewonnen“. Hier beugen sich Rowling und Columbus zu sehr dem typischen Kinderilm-Klischee eines ungetrübt glücklichen Endes – auf Kosten der Logik, denn im echten Leben würde man jeden Direktor für diese Vorgehensweise lynchen. Eine frühere Kritik, die ich mittlerweile wieder zurückziehen würde, betrifft den Vorwurf der zu seichten Handlung. Nicht, dass dieser Kritikpunkt nicht stimmen würde, denn die Handlung in "Stein der Weisen" ist in der Tat noch sehr luftig-locker. Aber auch dies ergibt sich wohl in erster Linie aufgrund der Erfordernisse der Filmreihe. Nicht nur macht dieser unbeschwerte Ton den Einstieg gerade auch für Kinder sehr leicht – ist die Welt von Harry Potter doch damit eine, in die man gerne flüchtet und in der man mehr Zeit verbringt – kommen zudem erst durch diesen "hellen" Einstieg die späteren düsteren Elemente so richtig zur Geltung. Wenn den ganzen Tag über die Sonne scheint und es am Abend dann finster wird, ist das nun mal ein stärkerer Kontrast, als wenn es zuvor bewölkt war. "Harry Potter und der Stein der Weisen" mag zwar durch diese Herangehensweise etwas leiden, aber im Endeffekt war dieser seichte Einstieg unerlässlich, da die später folgenden, düsteren Elemente dadurch umso stärker hervorstechen, und uns diese sich langsam einschleichende Bedrohung in diese scheinbar heile, fröhliche Welt richtiggehend schockiert – und auch beängstigt.

ImageBevor ich zur Inszenierung komme, möchte ich noch kurz ein paar Worte zu anderen Aspekten der Filmproduktion verlieren. Beginnen wir mit den Effekten: Alle praktischen Effekte, von denen es in "Harry Potter und der Stein der Weisen" noch angenehm viele gibt, sind über jeden Zweifel erhaben, wobei vor allem die große Halle mit ihren schwebenden Kerzen sowie das bereits erwähnte überdimensionierte Zauber-Schach hervorstechen. Über die CGI-Arbeit kann ich das leider nur mehr bedingt behaupten. Vor allem bei der Troll-Szene zeigt sich deutlich, dass ILM hier im Vergleich zur Konkurrenz von WETA doch deutlich hinterherhinkt, was den Photorealismus bzw. generell das Erschaffen überzeugender digitaler Kreaturen betrifft. Im Vergleich zum "Herrn der Ringe" verblassen die am PC entstandenen Effekte von Harry Potter jedenfalls doch ziemlich deutlich. Gelungen hingegen Sets, Ausstattung und Design, dank denen Hogwarts wirklich zum Leben erwacht.

Auch John Williams Soundtrack gefällt mir sehr gut. Zwar ist er von den Instrumenten und dem Stil her sehr typisch für ihn, und einige Stücke erinnern ein wenig an seine Filmmusik für „"Star Wars Episode I – Die dunkle Bedrohung" (allen voran die Ankunft bei Hogwarts, die an die Offenbarung der Gungan-Stadt unter Wasser erinnert, sowie die actionreicheren Szenen, wie das Quidditch-Match), aber er hat für Harry Potter ein paar grandiose, eingängige musikalische Themen erschaffen. Das kleine bisschen Magie, dass sich in "Harry Potter und der Stein der Weisen" finden lässt, ist jedenfalls in erster Linie ihm zu verdanken. Womit wir auch schon bei meinem letzten großen Kritikpunkt wären: Chris Columbus Inszenierung. Die mangelnde Dramaturgie des Films, die jedoch bestimmt nicht allein Columbus vorzuwerfen ist, hatte ich ja bereits angesprochen. Darüber hinaus fällt auf, dass der Film über keine eigene Identität verfügt. Columbus konnte oder traute sich nicht, Rowlings Vision seine eigene hinzuzufügen, und offenbart sich hier als reiner Erfüllungsgehilfe der Autorin, der die Vorlage – sehr zum Leidwesen des Films – zu werkgetreu verfilmt, ihm jedoch keine eigene Ideen hinzufügt. Darüber hinaus fällt vor allem unangenehm auf, wie – gerade auch angesichts der zauberhaften Vorlage – unverzeihlich gewöhnlich und uninspiriert seine Inszenierung ist. Es gibt keine einzige bemerkenswerte, beeindruckende Szene.

ImageWann immer etwas halbwegs Erinnerungswürdiges passiert, verdankt er es dem Zutun von jemand anderem – entweder Autorin Rowling, den Schauspielern, oder in erster Linie auch John Williams, der mit seiner Musik viele Momente ungemein aufwertet. "Harry Potter und der Stein der Weisen" bezieht seine Magie rein aus der Vorlage, ohne dass Columbos noch etwas in dieser Hinsicht beisteuern könnte. Man sieht die Magie zwar vor sich auf der Leinwand/dem Fernsehschirm, doch leider scheitert er daran, sie uns auch fühlen zu lassen. Die oben angesprochenen Szenen, die Schachpartie und der Showdown vor dem Spiegel, sind leider die einzigen beiden, die visuell beeindrucken können - vermutlich fallen sie auch deshalb so stark (und positiv) auf. Jedenfalls ist es Columbus definitiv nicht gelungen, die Magie, welche die Romanvorlage auf nahezu jeder Seite verströmt, auch auf die Leinwand zu übertragen und ihr mit seiner Inszenierung gerecht zu werden…

Fazit: Wie man zu "Harry Potter und der Stein der Weisen" steht, wird wohl sehr stark davon abhängen, ob man ihn in erster Linie als Kinderfilm oder als Fantasy-Film betrachtet, bzw. ob man sich bereits zu den Harry Potter-Anhängern zählt oder nicht. Für Fans der Vorlage ist diese werksgetreue Verfilmung zweifelsohne ein Fest. Betrachtet man sie in erster Linie mit den Augen eines Filmfans, fallen leider die daraus erwachsenen dramaturgischen Mängel sehr stark auf. Auch Columbus‘ Inszenierung enttäuscht, ist diese doch angesichts der magisch-zauberhaften Vorlage unverzeihlich "muggelisch". Es gibt keinen einzigen magischen Moment in diesem Film, kein einziges imposantes Bild, keine beeindruckende Einstellung. Alle erinnerungswürdigen Szenen verdankt er entweder der Vorlage oder der grandiosen Arbeit jener, die er um sich geschart hat – allen voran John Williams, dessen Filmmusik trotz einiger Ähnlichkeiten zu früheren Werken zu verzaubern vermag, sowie den grandiosen Darstellern, unter denen bei den Erwachsenen in erster Linie Alan Rickman und bei den Kindern vor allem Emma Watson hervorstechen. Als Kinderfilm ist "Harry Potter und der Stein der Weisen" eine beachtliche und mit der 2-1/2 stündigen Laufzeit auch durchaus mutige Leistung, und sicherlich einer der besten Einträge des letzten Jahrzehnts. Als Fantasy-Film hält er jedoch den Vergleich mit dem nur wenige Wochen später erschienenen "Der Herr der Ringe – Die Gefährten" nicht im Geringsten stand, und scheitert meines Erachtens damit, die Magie der Vorlage erfolgreich auf die große Leinwand zu zaubern…

Wertung:6 von 10 Punkten



Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros. Pictures)


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Kommentare (2)
RSS Kommentare
1. 11.07.2011 13:20
 
Es heißt im Deutschen aber:"Schnatz" und nicht schnitz. Ich denke mal das hier die Original namensgebung aus dem englischen etwas durchgesickert ist, wo es "Snitch" heißt.
 
2. 13.07.2011 20:12
 
@Runner
Vielen Dank für den Hinweis! Hab mir die Filme auf Englisch angesehen und auch die Romane in dieser Sprache gelesen, und mich schlicht und ergreifend falsch erinnert (ist schon sehr lange her, dass ich ihn auf Deutsch gesehen habe). Wird korrigiert! :)
 

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