X-Men
Review zum ersten Einsatz der Mutanten Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 07 Juni 2011
 
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X-Men
(X-Men, USA 2000)
 
X-Men
Bewertung:
Studio/Verleih: Marvel/20th Century Fox
Regie: Bryan Singer
Produzenten: U.a. Avi Arad, Richard Donner, Kevin Feige, Stan Lee & Lauren Shuler Donner
Drehbuch: David Hayter
Filmmusik: Michael Kamen
Kamera: Newton Thomas Sigel
Schnitt: Steven Rosenblum, Kevin Stitt & John Wright
Genre: Comic-Verfilmung/Action
Kinostart (Deutschland): 31. August 2000
Kinostart (USA): 14. Juli 2000
Laufzeit: 104 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: klick
Kaufen: Blu Ray, DVD, Soundtrack
Mit: Patrick Stewart, Ian McKellen, Hugh Jackman, Anna Paquin, Famke Janssen, James Marsden, Halle Berry, Rebecca Romijn-Stamos, Tyler Mane, Ray Park, Shawn Roberts, Bruce Davison u.a.


Kurzinhalt: Seit einigen Jahrzehnten erscheint eine zunehmende Anzahl von Mutanten unter der menschlichen Bevölkerung, mit dem seltsamsten und faszinierendsten Fähigkeiten. Doch der überwiegende Teil der Bevölkerung fürchtet sich vor ihnen, weshalb ein US-Senator für ein Gesetz kämpft, nach dem sich alle Mutanten registrieren lassen müssen. Dies wiederum ruft Erik Lehnsherr aka Magneto – den Anführer der Bruderschaft, einer Gruppe von Mutanten – auf den Plan, der in seiner Kindheit die Schrecken des Holocaust erlebt hat, und daher weiß, zu welchen Grausamkeiten die Menschheit fähig ist. Er hält einen Krieg zwischen Menschen und Mutanten für unvermeidlich. Sein alter Freund und jetziger Rivale, Professor Charles X. Xavier, ist jedoch noch nicht bereit, seinen Glauben an die Menschheit aufzugeben. Er betreibt bereits seit einigen Jahrzehnten eine Schule für "besonders begabte" – also Mutanten. Als zwei davon – Wolverine und Rogue – von der Bruderschaft angegriffen werden, beginnt sich Magneto’s finsterer Plan zu offenbaren. Um diesen zu vereiteln, schickt Professor X die Elite seiner "Schule" aus – die X-Men…

Review: Image1997 hat ein einziger veritabler – finanzieller und künstlerischer – Flop das Genre der Comic-Verfilmungen in die Krise gestürzt: "Batman & Robin". Zwar folgte im Jahr darauf mit "Blade" ein kleiner Achtungserfolg, als "R-rated"-Film war dieser jedoch für die Filmstudios kaum ein Gratmesser, ob die Kinobesucher "Batman & Robin" wieder ausreichend verdaut (und vergessen) hatten, um an der Kinokassa Geld für eine Comicverfilmung auszugeben. Ende der 90er beschloss dann schließlich 20th Century Fox, den Versuch zu wagen, und mit den "X-Men" eine der bekanntesten und beliebtesten Comichelden auf die Leinwand zu bringen. Der bis dahin eher für kleinere Produktionen ("Die üblichen Verdächtigen", "Der Musterschüler") bekannte Bryan Singer wurde für die Regie ausgewählt – was innerhalb des Fandoms nicht unbedingt zur Beruhigung beitrug. Im Endeffekt sollte sich dieses Risiko jedoch – sowohl finanziell als auch künstlerisch – auszahlen, läutete "X-Men" doch im Jahr 2000 die Renaissance des Comicfilms ein.

Mit seiner Machart war er dabei durchaus wegweisend für die weiteren Marvel-Verfilmungen. Nach den bunten, teils sehr ironischen letzten beiden Batman-Filmen, nahm man die Handlung, die Welt und die Figuren hier wieder ernst. Statt sich dem Look der Comics – insbesondere bei den Kostümen – zu sehr zu beugen, arbeitete man stattdessen daran, die bekannten Designs ins neue Jahrtausend zu bringen; Coolness statt retro war die Devise. Und, wohl die größte Errungenschaft: Auch wenn man eine sehr actionreiche und spannende Geschichte erzählte, stellte man hier nicht den Kampf der Guten gegen die Bösen in den Vordergrund, wie es zuvor bei praktisch allen größeren Comic-Filmen der Fall war (mit Ausnahme vielleicht des allerersten "Superman"-Films) sondern die Figuren. Vor allem angesichts der Fülle an wichtigen Protagonisten eine ganz schöne Herausforderung. Während man bei "Spiderman" in erster Linie Peter Parker gut hinbekommen muss, galt es hier einer Fülle an unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden. Ganz mag man damit zwar nicht erfolgreich gewesen sein – vor allem Storm verkommt hier zu einer Randnotiz, und auch bei Jean Grey und Scott Summers stehen noch eher ihre Fähigkeiten und damit ihre Funktion für die Geschichte denn die Figuren selbst im Vordergrund – doch angesichts des großen Ensembles und der kurzen Laufzeit sind Abstriche unvermeidbar.

ImageUmso gelungener dafür die Darstellung jener Figuren, die im Zentrum der Geschichte stehen, nämlich Wolverine und Rogue, bzw. Professor X und Magneto. Die letzteren beiden überzeugen vor allem mit ihrer von gegenseitigem Respekt und einer früheren Freundschaft geprägten Fehde. Die beiden mögen unterschiedlicher Ansicht sein und konträre Ziele verfolgen, doch geht es keinem der beiden darum, den jeweils anderen auszuschalten. Generell ist die Motivation von Magneto grade auch für den handelsüblichen Blockbuster erfrischend. Es geht ihm weder um die Weltherrschaft noch darum, möglichst viele Menschen umzubringen. Tatsächlich weiß er gar nichts von der tödlichen Wirkung seines Plans. Er möchte vielmehr "seine" Mutanten beschützen, und dafür die wichtigsten Anführer und Volksvertreter der Welt selbst in solche verwandeln. Rogue ist dafür ein notwendiges Opfer, welches er jedoch ganz offensichtlich bedauert. Gerade deshalb, weil man seine Motivation nachvollziehen kann, ist Magneto ein grandioser Bösewicht ganz abseits der üblichen schnurrbartzwirbelnden Superschurken, und dadurch höchst erfrischend.

Für die nötige Portion Gefühl sorgt dann schließlich die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Wolverine und Rogue. Einerseits hat es etwas von einem großen Bruder, der seine kleine Schwester beschützen will, andererseits wird auch deutlich, wie Rogue für ihren Beschützer mit der Zeit zu schwärmen beginnt. Daraus ergibt sich eine ganz eigene Chemie, die ihrer Freundschaft das gewisse Etwas verleiht, und sie von ähnlichen Darstellungen aus anderen Filmen abhebt. Generell trägt – so cool Wolverine auch sein mag, der sich sicherlich nicht unverdient zu der herausragenden Figur aus der Riege der X-Men herauskristallisiert hat – Rogue viel zum Gelingen des Films bei, wird doch gerade bei ihr deutlich, dass es sich bei den Mutationen um mindestens ebenso viel Fluch als Segen handelt. Bei ihrem ersten Kuss schickt sie ihren Freund ins Koma, danach lebt sie in ständiger Angst davor, andere zu berühren und ihnen damit Schaden zuzufügen – und fühlt sich zunehmend vom Rest der Welt isoliert. Während all die anderen Mutationen mehr oder weniger cool und/oder praktisch wirken, ist es daher vor allem ihre Figur, welche uns das schwere Los der Mutanten näher bringt. Wolverine wiederum bringt nicht nur viel Coolness in den Film ein, sondern sorgt mit seiner geheimnisvollen Vergangenheit ebenfalls für etwas Spannung, sowie einen Hauch von Mystery. Bei seinem Flirt mit Jean Grey darf zudem die Leinwand etwas knistern, wobei sich auch diese "Romanze" angesichts der Tatsache, dass sie mit Scott liiert ist, angenehm vom Einheitsbrei abhebt.

ImageSo gelungen die Figuren und ihre jeweiligen Beziehungen zueinander auf dem Papier allein schon sein mögen, so braucht es dennoch gute Schauspieler, um diese so richtig zum Leben zu erwecken. Und beim Casting von "X-Men" hat man definitiv gekleckert, und nicht geklotzt. Patrick Stewart war und ist für Genrefans natürlich spätestens seit seinem Auftritt als Captain Picard bei "Star Trek" – sowohl im Fernsehen als auch auf der großen Leinwand – ein Idol; ihn als Professor X zu casten war ein absoluter Geniestreich, und das unabhängig von seinem Status innerhalb der Fangemeinde. Er scheint nicht nur wie die Ideal- sondern die einzig denkbare Besetzung für die Rolle. Ian McKellen steht ihm als Gegenpart jedoch in nichts nach. Damals, vor "Herr der Ringe" zwar noch nicht so bekannt, verdankte er seine Rolle wohl in erster Linie seiner grandiosen Leistung als Ex-Nazi in Bryan Singer’s "Der Musterschüler" – und macht aus Magneto einen herrlich charmanten Schurken. Er scheint es richtiggehend zu genießen, seiner boshaften Seite freien Lauf lassen zu können, verfällt jedoch trotzdem nie in Overacting.

Der Breakout-Star des Films war aber ganz klar Hugh Jackman, dessen Leinwandpräsenz und Coolness den Film prägt und großen Anteil daran hat, dass sich Wolverine auch bei jenen, welche die Comics vorher noch nicht kannten, schnell zum geheimen Favoriten aus der Riege der X-Men gemausert hat. Nicht minder beeindruckend der Auftritt von Anna Paquin. Zu diesem Zeitpunkt zwar bereits mit einer Oscar geadelt, war sie damals doch eher nur Insidern ein Begriff. Hier hatte sie nun endlich die Gelegenheit, ihr großes Talent einem Mainstream-Publikum unter Beweis zu stellen. Mit ihrer wirklich tollen, engagierten Performance in "X-Men" zeigte sie, dass sie nicht einfach nur eine sehr gute Schauspielerin ist, sondern auch das Zeug zum Star hat – ein Versprechen, welches von ihr spätestens mit "True Blood" ja auch eingelöst wurde. Janssen und Marsden bekamen hier leider noch weniger zu tun, konnten jedoch ebenfalls durchaus gefallen. Unter den X-Men blieb einzig und allein Halle Berry blass, farblos und unauffällig. Bei der Bruderschaft wiederum schaffte es neben Magneto nur mehr Rebecca Romjin-Stamos, trotz heftigem Make-Up’s dank ihrer ausstrahlungsstarken Performance Eindruck zu hinterlassen – während Ray Park und Tyler Mane daran leider scheiterten.

ImageWas "X-Men" ebenfalls auszeichnet, ist die Herangehensweise an die Bösewichte. War man es zuvor – und größtenteils auch danach – von Comic-Verfilmungen gewohnt, pro Film einen oder mehrere große Gegner zu präsentieren, derer sich der Held am Ende immer entledigt – ein Trend, der wohl von "Batman" mit dem Dahinscheiden des Jokers begründet wurde, da man davon ausging, dass Kinobesucher eine gänzlich abgeschlossene Geschichte erwarten – durften mit Magneto und Mystigue gleich zwei der Schurken überleben (genau genommen waren auch die Filmtode von Toad und Sabretooth vage genug gehalten, dass man sie theoretisch für die Fortsetzungen hätte reaktivieren können). Es zumindest einigen der Bösewichten zu erlauben, zu überleben, und sich damit ihre Rückkehr in einer potentiellen Fortsetzung offen zu halten, war eine der besten und wichtigsten Entscheidungen, die man bei X-Men getroffen hat, und Gott sei Dank zumindest teilweise wegweisend für andere Filme des Genres.

In erster Linie sind es aber tolle Szenen und Einzelmomente, welche "X-Men" auszeichnen und zu so einem gelungenen Vertreter des Genres – und allgemein betrachtet einen höchst unterhaltsamen Film – werden lässt. Neben dem tollen, originellen Einstieg zur Zeit des 2. Weltkriegs stechen hier insbesondere praktisch alle Szenen von Charles und Erik bzw. Wolverine und Rogue hervor. Auch die Konfrontation im Zug hat es mir jedes Mal aufs neue angetan, als den X-Men – und dem Zuschauer – bewusst wird, dass man Magneto’s Absichten völlig falsch eingeschätzt hat. Angenehm auch, dass "X-Men" auch wenn es sich bei ihm um einen Blockbuster handelt doch zumindest mit einem Mindestmaß an Tiefgang ausgestattet ist. Das letzte wichtige Mitglied dieses erfolgreichen Teams ist dann schließlich Michael Kamen, der für "X-Men" einen seiner letzten Soundtracks komponiert hat, ehe er 2003 im Alter von gerade mal 55 Jahren verstarb. Ich weiß, dass er eigentlich nicht Bryan Singers Favorit war, da dieser viel lieber seinen Stammkomponisten John Ottman engagiert hätte – der zu dieser Zeit jedoch gerade anderweitig beschäftigt war. Mir persönlich gefällt Kamen’s Filmmusik für "X-Men" aber ungemein gut – tatsächlich halte ich ihn von allen (bisherigen; jenen zu "X-Men: Erste Entscheidung" kann ich selbstverständlich noch nicht beurteilen) Soundtracks der Reihe für den besten. Er setzt sehr stark auf figurbezogene Themen, wobei es mir neben dem Hauptthema für die X-Men vor allem noch seine Kompositionen für Rogue sowie Mystigue angetan haben.

ImageLeider gibt es an "X-Men" auch eine große Schwäche, die verhindert, dass er zu den ganz großen Highlights des Genres gezählt werden kann: Die geringe Laufzeit und das damit einhergehende überhastete Erzähltempo. Bryan Singer hat in diesem Film viel unterzubringen. Er muss Neulingen die Protagonisten und ihre Welt vorstellen, und zugleich eine spannende, dramatische Geschichte erzählen. Eben dafür nimmt er sich mit gerade mal rund 90 Minuten (ohne Abstand) ungewöhnlich wenig Zeit, wodurch der ganze Film ungemein gehetzt wirkt. Als Ergebnis daraus bleiben nicht nur zahlreiche Figuren – leider – auf der Strecke (was neben Cyclops und Storm in erster Linie auch für Sabretooth und Toad gilt), einigen Wendungen und Szenen fehlt es zudem etwas an Wirkung, da man kaum Zeit hat, das Gesehene zu verarbeiten.

Die geringe Laufzeit hat auch Auswirkungen auf den Aufbau des Films: nachdem Wolverine in der Schule ankommt, wird man in den darauffolgenden Minuten förmlich mit Hintergrundinformationen erschlagen. Zwar werden diese sehr kompakt vermittelt, dennoch denke ich, eine Aufteilung auf mehrere Szenen wäre hier besser gewesen. Ebenfalls zu bemerken ist die geringe Laufzeit bei Wendungen wie z.B. rund um Jean Grey’s Benutzung von Cerebro. Erst wenige Minuten zuvor durfte sie uns mitteilen, dass sie diesen noch nie benutzt hat, da es für sie noch zu gefährlich wäre, und kurz darauf sitzt sie schon auf dem heißen Stuhl. Hier war die Zeit zwischen Vorbereitung und "pay-off" doch etwas zu kurz. Generell ist die Handlung recht straff gehalten und dadurch wenig komplex; es fehlt etwas das epische Gefühl, dass sich ein "X-Men"-Film eigentlich verdient hätte. Last but not least hätte dem Film auch eine zusätzliche Konfrontation zwischen X-Men und Bruderschaft gut getan – hier hat man sich für die Fortsetzung definitiv noch Spielraum nach oben gelassen…

Fazit: ImageBei "X-Men" haben Bryan Singer und alle anderen Beteiligten fast alles richtig gemacht, und dadurch Comic-Verfilmungen nach dem Batman & Robin-Desaster nicht nur wieder salonfähig gemacht, sondern zudem die (bisherige) Blütezeit des Genres eingeläutet. Die perfekte Besetzung, eine spannende, dramatische Handlung, ein hochkarätiges Figurenensemble, unter dem vor allem Charles X. Xavier, Magneto, Wolverine und Rogue (die wie keine andere der Figuren dazu einlädt, sich mit ihr zu identifizieren, und den Großteil des emotionalen Gewichts des Films auf ihren jungen Schultern trägt), sowie ein einprägsamer Soundtrack waren dabei die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Zudem vermied man den Fehler der meisten früheren Comic-Verfilmungen, die jeweiligen Bösewichte in gerade mal einem Film zu verheizen. Zwar erzählt "X-Men" sehr wohl eine in sich abgeschlossene Geschichte, dennoch vermittelt der Film den Eindruck, gerade mal an der Oberfläche gekratzt zu haben – der erste Kampf mag gewonnen sein, doch der eigentliche Krieg steht noch bevor. Als eigenständiger, alleinstehender Beitrag zur Filmwelt fällt zwar die geringe Laufzeit und die damit einhergehende gehetzte, überhastete Erzählweise etwas unangenehm auf, als Einleitung der Filmreihe funktioniert "X-Men" jedoch nahezu perfekt!

Wertung:8 von 10 Punkten



Christian Siegel
(Bilder © 20th Century Fox)


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Weiterführende Links:
Batman & Robin
Batman


    



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