Winter's Bone
Eine junge Frau auf verzweifelter Suche nach ihrem Vater... Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 24 Februar 2011
 
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Winter's Bone
(Winter's Bone, USA 2010)
 
Winter's Bone
Bewertung:
Studio/Verleih: Anonymous Content/Ascot Elite
Regie: Debra Granik
Produzenten: U.a. Anne Rosellini, Jonathan Scheuer & Shawn Simon
Drehbuch: Debra Granik & Anne Rosellini, nach dem Roman von Daniel Woodrell
Filmmusik: Dickon Hinchliffe
Kamera: Michael McDonough
Schnitt: Affonso Gonçalves
Genre: Drama/Thriller
Kinostart (Deutschland): 31. März 2011
Kinostart (USA): 11. Juni 2010
Laufzeit: 100 Minuten
Altersfreigabe: Ab 16 Jahren
Trailer: klick
Kaufen: Blu Ray, DVD, Roman
Mit: Jennifer Lawrence, John Hawkes, Lauren Sweetser, Shelley Waggener, Valerie Richards, Garret Dillahunt u.a.


Kurzinhalt: Nachdem ihr Vater spurlos verschwunden und ihre Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, kümmert sich die 17-jährige Ree aufopferungsvoll um ihre beiden jüngeren Geschwister Sonny und Ashlee. Eines Tages bekommt sich Besuch vom Sheriff: Ihr Vater ist nicht zu einem Gerichtstermin erschienen und hat somit gegen die Bewährungsauflagen verstoßen. Wenn er nicht binnen einer Woche bei Gericht vorstellig wird, greift der Staat auf die vom ihm hinterlegten Sicherheiten zurück - nämlich ihr Haus und das Grundstück. Die Familie könnte demnach bereits in etwas mehr als eine Woche völlig mittel- und obdachlos sein. Ree schwört sich, es nicht soweit kommen zu lassen, und macht sich auf, um ihren Vater zu finden. Doch bei ihren Nachforschungen stößt sie auf eine Wand des Schweigens. Einige scheinen Angst zu haben, andere drohen ihr richtiggehend damit, ihre Suche zu ihrem eigenen Wohl einzustellen. Doch Ree lässt sich nicht beirren, und setzt ihre gefährliche Suche nach der Wahrheit fort…

Review: ImageWer mit der Erwartung in "Winter's Bone" geht, einen packenden Thriller zu sehen, wird enttäuscht werden, denn trotz leiser Thriller- und Krimitöne ist er in erster Linie ein Drama über eine Familie am Abgrund. Ree und ihre Geschwister sowie ihre Mutter leben in ärmlichen Verhältnissen; verzweifelt versucht Ree, ihre Familie über Wasser zu halten, doch ohne das Haus und das Grundstück wären sie verloren. Ree kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Geschwister, und die Liebe die sie für sie und ihre Mutter empfindet, ist jederzeit spürbar und ist der Hauptgrund dafür, dass man mit ihr mitfühlt und mitfiebert, wenn sie sich auf die Suche nach ihrem Vater begibt. Auch die Darstellung des eher schlichten, bodenständigen Lebens in dieser Kleinstadt in den amerikanischen Wäldern/Bergen ist sehr überzeugend gelungen; man bekommt wirklich ein Gefühl für die Gegend, und schwankt zwischen Abscheu (ob der Drohungen und des Drogengeschäfts) und Faszination (die wenigen Szenen menschlicher Wärme, sowie die Schönheit der Landschaft).

Besonders auffällig ist dabei das immer noch recht archaische Frauenbild, das in dieser Gegend scheinbar – so man den Filmemachern glauben kann – immer noch vorherrscht, und wohl leider typisch für die eher abgelegenen Kleinstadt-Regionen im mittleren Westen der USA ist. Die Männer in den Ozarks agieren sehr rechthaberisch und unterdrückend, und den meisten Frauen fällt es offenbar schwer, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Doch Ree will sich dem typischen Frauenbild der Gegend nicht beugen, und präsentiert sich selbstbewusst und unabhängig – was neben dem Geheimnis, dass sich hinter dem Verschwinden ihres Vaters verbirgt ein weiterer Grund dafür sein dürfte, warum sie bei ihren Nachforschungen auf so viel Zorn und Ablehnung stößt. Bezeichnend: In einer Szene des Films wird Ree gesagt, sie solle nach Hause gehen, sich um ihre Familie kümmern, und diese Art von Geschäften ihrem Mann überlassen. Doch Ree entspricht nun mal so überhaupt nicht dem traditionellen Frauenbild, und bringt dadurch und durch ihren unerschütterlichen Einsatz und Willen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, einiges an Unruhe in diesen kleinen Ort – rüttelt dabei jedoch auch die eine oder andere Person wach, auf deren Hilfe sie angewiesen sein wird, will sie ihr Ziel erreichen.

ImageLangsam aber stetig erfahren wir mehr über ihren Vater und das Geheimnis, das hinter seinem Verschwinden steckt, wodurch zumindest ich die Handlung über die Laufzeit hinweg sehr interessant und mitreißend fand. Ebenfalls dafür verantwortlich ist die atmosphärisch dichte Inszenierung durch Debra Granik, die es zwar wie eingangs schon erwähnt etwas an nervenzerreißender Spannung vermissen lässt, dafür dominiert fast den ganzen Film über ein Gefühl der Gefahr und des Unbehagens das Geschehen. Darüber hinaus gibt es dann auch noch zwei wirklich packende Szenen, in denen die Spannung ordentlich anzieht – was ich nicht zuletzt dadurch, dass bei "Winter’s Bone" die Bedrohung deutlich realer wirkt als in so manchem Hollywood-Thriller, besonders wirkungsvoll fand. Das Ende bietet dann zwar auf der einen Seite eine klare Antwort und einen runden Abschluss, liefert aber zugleich als Subtext eine düstere Prophezeiung zum weiteren Schicksal einer oder mehrerer Figuren; mehr soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden!

So gelungen die Inszenierung, die Kameraarbeit und der Soundtrack auch sein mögen, die größte Stärke von "Winter’s Bone" sind ganz klar die schauspielerischen Leistungen. Das gesamte Ensemble, das überwiegend unbekannte und unverbrauchte Gesichter präsentiert, ist ungemein überzeugend, aber in erster Linie sticht natürlich Jennifer Lawrence mit einer absolut grandiosen Performance hervor. Sie wirkt ungemein natürlich und vermittelt sowohl die Stärke und den fast unerschütterlichen Durchsetzungswillen als auch ihre Angst und Verzweiflung sehr glaubhaft und mitreißend. Sicherlich eine der stärksten weiblichen Figuren der letzten Jahre. Vom Rest der Besetzung fielen mir vor allem noch Lauren Sweetser als treue Freundin Gail sowie John Hawkes als Ree’s Onkel "Teardrop" positiv auf. Vor allem bei letzterem freue ich mich seit "Deadwood" über jedes Wiedersehen; man kann nur hoffen, dass die Rolle in "Winter’s Bone" seiner Karriere einen kleinen Auftrieb gibt. Das Einzige, was man an "Winter's Bone" kritisieren könnte ist die recht gemächliche Erzählweise - wenn mich auch diese keineswegs gestört, sondern im Gegenteil noch mehr in den Film hineingezogen hat; Adrenalinjunkies dürften dies aber wohl naturgemäß anders sehen. Freunde von realistischen Thrillern mit guter Charakterzeichnung und einem möglichst realen Umfeld – angereichert mit Elementen eines Familiendramas sowie einer Gesellschaftsstudie – sollten sich jedoch davon nicht abschrecken lassen, und dem Film bei nächster Gelegenheit eine Chance geben…

Fazit: ImageAuch wenn "Winter's Bone" als solcher beworben ist, so ist er doch weniger ein Thriller als ein ruhiges, berührendes Familiendrama über die verzweifelte Suche einer 17-jährigen nach ihrem Vater – und zwar gegen alle Widerstände. Vereinzelte spannende Momente sind zwar vorhanden, und den ganzen Film umgibt eine bedrohliche Atmosphäre und ein Gefühl der Gefahr, doch das Erzähltempo ist recht verhalten, und die Erzählweise recht unspektakulär. Aspekte, die ich persönlich zu den Stärken des Films zähle, die aber wohl sicherlich nicht jedem zusagen werden. Mich hat "Winter's Bone" hingegen überwiegend überzeugt. Das zugrundeliegende Rätsel rund um das Verschwinden ihres Vaters ist durchaus spannend und interessant, und die Dramaelemente sowie die Einblicke in das Leben in dieser abgelegenen Kleinstadt der USA bereichern den Film enorm. Die größte Stärke sind jedoch ganz klar die schauspielerischen Leistungen, wobei vor allem Jennifer Lawrence mit einer ungemein natürlichen und intensiven Performance beeindruckt. Für Fans der anspruchsvolleren Unterhaltung absolut empfehlenswert!

Wertung:8 von 10 Punkten



Christian Siegel
(Bilder © Ascot Elite)


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