Hänsel & Gretel - Hexenjäger: Interview mit Regisseur Tommy Wirkola
"Das Publikum soll einfach nur Spaß haben!" Kategorie: Interviews - Autor: Steven Goldman - Datum: Mittwoch, 06 März 2013
 
"Hänsel & Gretel: Hexenjäger" spielt 15 Jahre nach den Ereignissen im Pfefferkuchenhaus. Das berühmte Geschwisterpaar ist nur von einem Gedanken besessen: Rache an allen Hexen! Bekannt für ihr besonderes Geschick beim Auffinden und Vernichten ihrer Beute, ziehen Hänsel (Jeremy Renner) und Gretel (Gemma Arterton) als berüchtigte Hexenjäger durch die Welt... Der neue Film von Tommy Wirkola läuft seit dem 28. Februar 2013 im Kino. Wirkola wuchs in Alta in Norwegen auf und präsentierte 2007 mit der Comedy "Kill Buljo" seinen ersten Spielfilm. Darauf folgte der Nazizombie-Horrorspaß "Dead Snow", durch den auch US-Filmproduzenten auf ihn aufmerksam wurden. Zwei Jahre später begann die Arbeit an seinem Hollywood-Debüt "Hänsel & Gretel: Hexenjäger", den Wirkola bereits während seiner Studentenzeit an der Bond University in Australien geschrieben hat. Zu diesem Anlass präsentieren wir euch hier ein Interview von Steven Goldman, das uns Paramount Pictures zur Verfügung gestellt hat.



Tommy Wirkola vor den Babelsberg Studios bei Berlin


Steven Goldman: Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Hollywood-Film!
Tommy Wirkola: Dankeschön! Es war ein echter Spaß! Manchmal schaue ich zurück und muss erstmal einen Moment innehalten. Es ist immer wieder verrückt, daran zu denken, in Norwegen ein paar kleine Filme gemacht zu haben und dann bis zu diesem Projekt gekommen zu sein – es ist einfach nur verrückt, wirklich.

Goldman: Erzähl uns von der Entstehung des Projekts.
Wirkola: Ich liebte "Hänsel & Gretel" schon als ich aufgewachsen bin... Weißt du, die Leute vergessen oft, wie düster diese Märchen eigentlich sind – Grimms Märchen sind düster und abgedreht und schaurig. Aber ich mochte immer vor allem diese Geschichte immer besonders gerne. Das war mein Lieblingsmärchen und ich hatte es immer irgendwie im Hinterkopf behalten. Als ich dann schließlich auf die Filmschule in Australien ging, hab meine Idee dazu zum ersten Mal jemandem vorgestellt. Wir hatten ein Pitching-Seminar, in dem unser Lehrer so getan hat als wäre er ein Hollywood-Produzent. Man hatte eine Minute, um nach vorne zu gehen und seine Idee zu pitchen. Ich hatte folgendes: Hänsel und Gretel, 15 Jahre später. Die beiden sind zu Kopfgeldjägern herangewachsen, die auf Hexenjagd gehen. In diesem Moment sagte mein Lehrer: “Sprich nie wieder von dieser Idee, solange bis du vor einem echten Hollywood-Produzenten sitzt, und ich garantiere dir, du wirst das Ding verkaufen.” Also hab ich erstmal meinen Mund gehalten. Ich hab danach mit niemandem mehr darüber gesprochen. Ich ging zurück nach Norwegen. Ich machte einige Filme und bekam die Chance, nach Hollywood zu gehen. Am ersten Tag hatte ich ein Meeting mit Gary Sanchez Productions – Will Ferrell, Adam McKay, Kevin Messick und all diese Typen. Ich präsentierte ihnen meine Idee und sie wollten sie haben. Mein Lehrer hat mich also gut beraten.

Goldman: Warum sind Grimms Märchen heutzutage so interessant für Filmemacher?
Wirkola: Für Hollywood sind sie interessant, weil es sich dabei um ein reichhaltiges Kulturgut handelt und die Geschichten auf der ganzen Welt bekannt sind. Für mich waren es immer... Als ich denke, diese Geschichten sind einfach Klassiker. Sie sind klar in schwarz und weiß aufgeteilt und so simpel gestrickt - "Wenn du dieses tust, wird dir jenes passieren." Ich liebe einfach die düstere, durchgeknallte Essenz darin. Ich dachte immer, es wäre witzig, dem ganzen einen modernen Dreh zu geben und es kräftig mit Humor zu würzen.

Goldman: Du hast gerade dein erstes Treffen mit Gary Sanchez Productions beschrieben. Wie bist du überhaupt an die herangekommen, um deine Idee vorzustellen?
Wirkola: Kevin Messick hat meinen Film "Dead Snow" beim Sundance Festival gesehen. Ich hatte auch einen eigenen Agenten für's Sundance bekommen. Kevin rief ihn sofort an und sagte: "Wenn dieser Typ nach Hollywood kommt, will ich der Erste sein, den er trifft." Und als ich dann nach Los Angeles fuhr, hatte ich mein erstes Treffen mit Gary Sanchez Productions. Sie hatten inzwischen alle “Dead Snow” gesehen und wollten hören, was ich ihnen zu erzählen habe. Ich stellte ihnen letztlich drei oder vier Ideen vor, aber hob mir die für "Hänsel & Gretel" bis zuletzt auf, denn ich wusste, dass sie das meiste Potential hatte.

Goldman: Wie bist du zur Filmemacherei gekommen?
Wirkola: Wenn man aus meiner Heimatstadt kommt, ist es nicht gerade normal, zu sagen "Ich will Regisseur werden". Weißt du, ich stamme aus dem äußersten Norden Norwegens. Ich glaube, wir haben dort einen einzigen Regisseur, der vor mir kam, er heißt Nils Gaup. Er bekam 1987 eine Oscar-Nominierung in der Kategorie "Bester ausländischer Film" für einen im äußersten Norden Norwegens gedrehten Film namens "Pathfinder". Jedenfalls hab ich zuerst Informatik studiert, weil ich ganz gut mit Computern umgehen kann. Aber ich bin in den Seminaren fast eingeschlafen. Da wurde mir klar, dass ich mich der Sache widmen sollte, für die ich bereits eine wirklich große Leidenschaft entwickelt hatte. Also find ich an, Filmemacherei zu studieren. Ich ging nach Australien und bekam letztlich meinen Bachelor in Film und Fernsehen. In einem Semester machte ich einen Kurzfilm, in dem ich zusammen mit einigen Kumpels einfach nur rumalberte. Es war eine Verarsche von "Kill Bill" und wir haben es ins Internet gestellt noch bevor ich mein letztes Semester beendet hatte. Tja, und während ich noch in Australien war, ist das Video in Norwegen explosionsartig bekannt geworden. Das war noch vor Youtube. Die Leute haben es einfach per E-Mail hin und her geschickt. Wir hätten niemald gedacht, dass daraus überhaupt irgendetwas werden könnte, aber es entwickelte sich tatsächlich zu einem derartigen Phänomen in Norwegen. Und so kam ich auf den Gedanken, dass sich darauf gut aufbauen ließe und wir einen ganzen Film daraus machen könnten. Ich hab also Leute angeheuert, mit denen ich zusammen studiert hatte, fuhr wieder nach Hause, zusammen mit meinem Produzenten, und begann damit, Geld für den Film zu sammeln. Irgendwann hatten wir gerade genug, um mit einer zehnköpfigen Crew in den Norden zu fahren und dieses Ding zu drehen. Wir wussten wirklich überhaupt nicht, was wir da eigentlich machen. Aber in Norwegen, im Norden, geht die Sonne im Sommer niemals unter. Das war natürlich perfekt für so ein Low-Budget-Projekt (lacht)... Wir drehten einen Monat lang und schlussendlich kam "Kill Buljo" dabei heraus. Ich hab in in meinem Kinderzimmer bei meinen Eltern geschnitten und es wurde ein Überraschungserfolg in Norwegen – eine Parodie der “Kill Bill”-Filme im Stil von “Die nackte Kanone”.

Goldman: Also hast du mit einer Comedy angefangen?
Wirkola: Ja, es war pure Comedy! Es gab auch etwas Action und ein kleines bisschen Gore, aber größtenteils war es eine Comedy. Damit konnten wir einiges an Geld einnehmen, das wir dann direkt in meinen nächsten Film "Dead Snow" gesteckt haben. Das was meine Liebeserklärung an die frühen Filme von Peter Jackson und Sam Raimi, die ich einfach geliebt habe als ich aufgewachsen bin – wegen der Art und Weise, wie sie Gore und Horror mit ihrer speziellen Art von Humor kombiniert haben. Der Film wurde ebenfalls ein Hit in Norwegen. Dann ging er zum Sundance Festival. Und so kam ich hierher.

Goldman: Wie war deine Herangehensweise bei "Hänsel und Gretel"?
Wirkola: Vom Grundton her wollte ich alle die Genres miteinander mixen, die ich liebe. Es sollte vor allem ein Action-Film sein, aber mit Comedy und einigem Gore darin. Ich finde, wenn man das mit Comedy vermischt, fühlt es sich nicht mehr so grausam an, selbst wenn es eigentlich grausam ist. Für den Action-Stil hatte ich ganz klare Vorstellungen. Viele moderne Filme, vor allem im Action-Genre, verwenden die Handheld-Technik. Also diese "shaky cam", bei der schwer zu erkennen ist, was eigentlich gerade passiert. Ich wollte aber zurück zu dem Stil, mit dem Spielberg die Action in “Indiana Jones” inszeniert hat - wo man immer sehen kann, was los ist und wo alles sehr kompakt mit der Musik verwoben ist. Genau daraus sollte die Action entspringen... Ansonsten wollte ich einfach nur, dass es Spaß macht. Das war für mich das Schlüsselwort, über das ich und Jeremy und Gemma immer gesprochen haben. Wir wollten, dass es für alle ein großes Filmvergnügen wird.

Goldman:
Du sprichst von Jeremy Renner und Gemma Arterton – wie lief das Casting ab?
Wirkola:
Nachdem sie das Drehbuch gelesen hatten, lud mich Paramount ein, von Norwegen aus zum Casting zu kommen. Auf der Flugreise sah ich "The Hurt Locker" (lacht)... Sofort als ich landete, sagte ich ihnen, wir müssen das Drehbuch unbedingt an Jeremy Renner schicken... Gemma sah ich in einem Film namens "The Disappearance of Alice Creed". Ein kleiner englischer Thriller, den sie gemacht hat, und ich liebte ihre Performance. Sie war einfach nur fantastisch. Sie war stark, aber gleichzeitig sehr verletzlich, was für mich genau den Kern von Gretel traf. Wenn man Bruder und Schwester castet, muss natürlich alles zusamnenpassen. Wir brachten die beiden zusammen und zum Glück hat es von Anfang an perfekt funktioniert.

Goldman: Wie liefen die Dreharbeiten?
Wirkola: Wir drehten von März bis Juni in Deutschland, außerhalb von Berlin in den Babelsberg Studios, und wir nutzten viele Locations in dieser Gegend. Für mich war es wichtig, in Europa zu drehen. Ich setzte mich sehr dafür ein, um dieses europäische Feeling zu bekommen und diese beeindruckenden Wälder dort verwenden zu können. Wir versuchten, so viel wie möglich draußen zu sein und keine Green-Screens oder Sets bauen zu müssen, wo es nicht nötig war. Das europäische Feeling war mir wirklich sehr wichtig.

Tommy Wirkola mit Jeremy Renner bei den Dreharbeiten von HAENSEL UND GRETEL - HEXENJAEGER


Goldman: Und was war die größte Herausforderung?
Wirkola: Ich verwende gern CGI, um meine Arbeit aufzupolieren, aber nicht um sie zu kreieren. Ich wollte, dass die Hexen ein richtig gutes Make-up bekommen und für unseren Troll wollte ich Animatronics verwenden. Ich dachte einfach, dass sowas eine echte Bereicherung für die Schauspieler ist. Gemma konnte in ihren Szenen mit einem "echten" Troll und nicht mit einem Typen im grünen Anzug schauspielern. All diese Dinge kosten am Set etwas mehr Arbeit. Man hat mehr Verzögerungen und ein höheres Risiko, aber ich finde, am Ende ist es das Wert. Insgesamt würde ich sagen, dass es trotzdem ziemlich gemütliche Dreharbeiten waren.

Goldman: Hast du zum ersten Mal in 3D gedreht?
Wirkola: Ja. Wir haben die Hälfte in Real 3D gedreht und den Rest konvertiert – wir konnten all diese Gerätschaften einfach nicht mit in den Wald nehmen, sie waren einfach zu groß. Also filmten wir alles, was am Set und auf dem Studiogeländ gedreht wurde, in Real 3D. Und wann immer wir im Wald waren, verwendeten wir normale Kameras und konvertierten es später. Ich war deswegen zuerst etwas skeptisch. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe – und natürlich hab ich "Avatar" gesehen – desto mehr wurde mir klar, wie nützlich 3D sein kann, wenn es darum geht, das Publikum in eine Fantasiewelt hineinzuziehen. Ich finde, 3D funktioniert dafür wirklich gut.

Goldman: Was kommt bei dir als Nächstes?
Wirkola: Ich schreibe ein neues Drehbuch für Paramount. Momentan kann ich nicht viel darüber sagen; ich hab gerade erst damit angefangen. Und dann gibt es noch einige Dinge, die ich in Norwegen machen möchte. Nächstes Jahr werde ich hoffentlich "Dead Snow 2" drehen. Wir haben schon ein Drehbuch dafür. Ich würde liebend gern zurück gehen, um es umzusetzen – ich mag das Drehbuch wirklich sehr. Ehrlich gesagt, wird aber natürlich auch “Hänsel und Gretel” einen erheblichen Einfluss auf meine Karriere hier in Hollywood haben. Es wird sehr aufregend sein, zu sehen, wie der Film ankommt.

Goldman: Wird es eine Fortsetzung zu "Hänsel & Gretel" geben?
Wirkola: Wer weiß? Wie gesagt, hängt das davon ab, wie der Film bei den Leuten ankommt und ob sie ihn sich anschauen. Für mich wäre es jedenfalls ein echtes Vergnügen, in diese Welt zurückzukehren. Ich denke, man könnte daraus noch einiges machen.

Goldman: Was soll das Publikum aus dem Film mitnehmen?
Wirkola: Ich hoffe einfach, sie haben eine gute Zeit im Kino. Das war mein Ziel. Filme sind heutzutage oftmals sehr ernst, düster und realistisch. Jeder will möglichst "gritty" rüberkommen. Wir wollten zurück zu diesem leichteren Feeling, das man bei Filmen hat, denen es einfach nur darum geht, Spaß zu haben. Das war mir am wichtigsten.


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Textquelle: (c) Paramount Pictures; Steven Goldman
Übersetzung: Martin Wenzel, fictionBOX.de
Bildquelle: (c) Paramount Pictures
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