FollowTheBox #11: Dexter
Ist Deutschland bereit für Dexter? Kategorie: Kolumnen - Autor: Florenz Villegas - Datum: Donnerstag, 15 November 2007
 
ImageDexter Morgan ist anders als jeder Protagonist einer TV-Serie, die man bisher sehen konnte. Im Grunde geht es schon mit der Frage los, ob man ihn überhaupt "Protagonist" nennen darf, denn eigentlich ist das ja den Guten vorbehalten, den Sympathieträgern. Wobei, sympathisch ist er schon. Und als Mitarbeiter des forensischen Labors der Polizei von Miami ist er eigentlich auch einer von den Guten. In seinem Job ist er jedenfalls gut, denn sobald der Blutspritzer-Experte einen Tatort betritt, kann er anhand der im Raum verteilten roten Körperflüssigkeit ein recht genaues Bild vom Tathergang liefern.

Hoppla, vermutlich habe ich eben das große Augenrollen ausgelöst, doch seid nicht zu voreilig, denn Dexter ist kein weiterer CSI-Aufguss oder -Abklatsch! Tatsächlich nimmt dieser Teil von Dexters Leben einen vergleichsweise geringen Teil der Serienzeit in Anspruch. Viel interessanter ist nämlich die außerberufliche Hauptbeschäftung des Mannes: Dexter ist ein Serienmörder!

ImageSein Opferprofil ist dabei sehr eingeschränkt, er tötet ausschließlich Serienmörder. Oh, nicht aus einem Altruismus heraus. Nein, das Töten ist seine Obsession, seine Krankheit. Die Symptome sind klassisch, Dexter ist ein emotionaler Krüppel, nicht in der Lage eine gefühlsbasierte Bindung einzugehen. Sich selbst betrachtet er als ein Monster, aber als ein ordentliches Monster. Das hat er von seinem Adoptivvater gelernt, einem Polizisten. Harry Morgan hat den kleinen Dexter bei sich aufgenommen, nachdem er ihn einem Frachtcontainer gefunden hat. Dort hockte der Junge zwei Tage lang im Blut seiner Mutter, die vor seinen Augen mit einer Kettensäge zerlegt worden ist.

Harry hatte Dexters Neigung, andere Lebewesen zu Wesen zu degradieren früh erkannt. Er wusste, dass Dexter davon nicht geheilt werden konnte, er wusste aber auch, dass er ihn niemals wieder hergeben würde. Also tat er, was ein Vater tut. Er brachte Dexter alles bei, was er als Polizist lehren konnte, vor allem wie man der Polizei entgeht. Und wenn er schon nicht in der Lage war, diesen Drang bei seinem Sohn abzuschalten, so wollte er ihn doch wenigstens kanalisieren, denn es gibt immerhin wirklich böse Menschen da draußen.

Der Aufstieg der Figur Dexter Morgan begann als Roman. Jeff Lindsays Debüt "Darkly Dreaming Dexter" ("Des Todes dunkler Bruder", Knaur)  avancierte 2004 schnell zum Bestseller, ebenso erging es dem Nachfolger "Dearly Devoted Dexter" ("Dunkler Dämon", Knaur). Die erste Staffel der Serie hielt sich erstaunlich nahe am ersten Buch bescherte so dem produzierenden Pay-TV-Sender Showtime einen riesigen Erfolg. Das lag sicher nicht zuletzt an der außergewöhnlichen Leistung des Darstellers. Michael C. Hall scheint in der Rolle regelrecht aufzugehen, problemlos meistert er jeden Aspekt des Charakters und der ist so vielfältig und dabei so widersprüchlich wie kaum ein anderer in der TV-Landschaft. Und so ertappt sich der Zuschauer tatsächlich dabei, einem Serienmörder die Daumen zu drücken.

Image Darf man das denn, als treuer, aufrechter Bürger eines Rechtsstaates? Okay, Dexters Opfer sind Kinderschänder, brutale Mörder, der Abschaum der Gesellschaft. Man könnte also meinen, sie hätten es verdient. Doch das ist nicht Dexters Motivation. Er tötet aus dem Trieb heraus, genau so, wie seine Opfer. Dass er anders ist als sie, was die Auswahl der Subjekte angeht, ist eher ein Zufall. Und doch, da nagt ein kleiner Teufel in uns, der sagt, das ginge schon irgendwie in Ordnung. Und in Amerika könnte dieser kleine Teufel sogar ein lautere Stimme haben, denn in vielen Bundesstaaten gibt es dort die - wenn auch sehr umstrittene - Todesstrafe. Dexter erspart dem Staat so eine Menge Arbeit und Geld und ist außerdem noch viel effizienter. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahre 1976 wurden in Florida mehr als 60 Menschen hingerichtet, doch von der Verurteilung bis zur Exekution vergeht sehr viel Zeit. Oft sogar als ein zu lebeslänglicher Haft verurteiler Mensch in den meisten Ländern überhaupt im Gefängnis verbringen muss. Erst Ende letzten Jahres kam es in Florida zu einer Welle der Empörung, als ein zum Tode verurteilter Häftling mehr als 30 qualvolle Minuten im Todeskampf verbrachte, nachdem man ihm die als "human" geltende Giftspritze verabreichte.

Dexter ist da viel sauberer. Und er ist auch gründlicher, was die "Verurteilung" angeht. Erst wenn er absolut wasserdichte Beweise für die Schuld des Opfers hat, schreitet er zur Exekution. Dass er bei der Beweissammlung einen größeren Handlungsspielraum hat als die an Gesetze gebundene Polizei ist dabei natürlich hilfreich. In den USA geht man indes davon aus, dass der Anteil von zu unrecht zum Tode Verurteilter im zweistelligen Prozentbereich liegt.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da ist also ein Mensch, ein Psychopath, der Richter und Henker in einer Person spielt und wir haben Angst um ihn.

Warum?

Weil es Fernsehen ist. Natürlich ertappen wir uns auch im richtigen Leben ab und zu dabei, dass wir in extremen Fällen solche "Ausrutscher" durchgehen lassen. Doch Extremfälle sind nunmal nicht die Regel und deshalb wissen wir auch, dass Strafverfolgung nicht in Rache ausarten darf.

Doch Dexter ist Fiktion, sehr realistisch erzählt, aber Fiktion. Und so darf man eine gewisse Schadenfreude an den Tag legen, wenn die Kinderschänder und Mörder etwas von ihrer eigenen Medizin bekommen. Man darf mitfiebern, wenn Dexter in der zweiten Staffel aufzufliegen droht und man darf auch die ordentliche Portion schwarzen Humors genießen. Dieser kommt zu einem guten Teil von den - aus dem Off gesprochenen - Kommentaren, die Dexter ständig über sich selbst und seine Umwelt abgibt. Das ganze mit einer manchmal nahezu tonlosen, aber immer sehr sanften Stimme, die das deutsche Synchronstudio vor eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe stellt. Hoffen wir, dass es dieser gewachsen ist, denn sonst geht den deutschen Zuschauern ein wichtiger, wenn nicht sogar wesentlicher Aspekt dieser hervorragenden Serie verloren.

Apropos, die Lizenzrechte für Deutschland gingen an die Tele München Group (TMG), zu deren Unternehmensgruppe auch die Sender RTL II und Tele5 gehören. Im Internet gilt es daher schon fast als sicher, dass die Serie schließlich auch bei RTL II ausgestrahlt werden wird. TMG ließ in der Hinsicht allerdings noch nichts verlauten und es ist durchaus auch schon vorgekommen, dass Serien außerhalb der Familie verkauft wurden, beispielsweise "Six Feet Under - Gestorben wird immer" (ebenfalls mit Michael C. Hall in einer der Hauptrollen), die seinerzeit bei VOX ein Zuhause gefunden hat.

Da heißt es also wieder einmal abwarten und Tee trinken, die Fiction Box wird Euch natürlich auf dem Laufenden halten.

Florenz Villegas


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