Ist die Wiederbelebung geglückt?Kategorie: Kolumnen - Autor: Alexander Lutz - Datum: Sonntag, 04 Juli 2010
Am 08. Mai 2009 kam der lang erwartete "Star Trek"-Reboot von J.J. Abrams in die Kinos. Die Meinungen der Fans waren damals gespalten: Für die einen war es die Wiederbelebung eines totgeglaubten Franchise - und für die anderen hatte der neue Film mit dem klassischen "Star Trek", das sie im Laufe der letzten Jahrzehnte in ihr Herz schlossen, nichts mehr zu tun. Inzwischen ist seit dem Kinostart über ein Jahr vergangen. Wir blicken zurück und wollen ergründen, wie dieses risikoreiche Projekt zustande kam und ob es dem Film geglückt ist, das Franchise aus der Krise zu holen.
1. Der Weg zum Reboot
"Der Weltraum, unendliche Weiten..." ...mit diesen Worten begann in Deutschland die wohl größte ScienceFiction-Serie aller Zeiten, als das ZDF im Jahre 1972 die ersten Folgen von
"Raumschiff Enterprise" ausstrahlte. Doch zu diesem Zeitpunkt war in den
USA die Reise von Gene Roddenberrys bunt zusammengewürfelter Weltraum-Crew schon wieder zu Ende: Der amerikanische
TV-Sender NBC produzierte lediglich 3 Staffeln der Serie, mit insgesamt
79 Folgen, zwischen 1966 und 1969. Das ZDF kaufte aber insgesamt nur 39 Folgen ein und versah sie mit einer für die
damalige Zeit typischen flapsigen Synchro, die Captain Kirk, Mr. Spock und Dr. "Pille" McCoy eher wie Figuren aus dem Kinderprogramm wirken ließ.
Außerdem führte das ZDF in den folgenden Jahrzehnten starke Kürzungen
der einzelnen Folgen durch, um diese ihrem Programm-Schema anzupassen.
Die Episode "Amok Time" traf dies besonders hart. Die Geschichte, die sich im
Original um die vulkanische Prunftzeit "Pon Farr" dreht, hat der Sender so
umgearbeitet, dass jeglicher sexueller Aspekt entfernt wurde und Spock
das ganze Geschehen nur träumt als er am "Weltraumfieber" erkrankt ist und von Dr.
McCoy ruhiggestellt werden muss. Und die Episode "Patterns of Force", in
der Kirk und Spock auf einem Nazi-Planeten landen, wurde aus
naheliegenden Gründen (Nazi-Symbolik) überhaupt nicht gezeigt.
Trotzdem entwickelte sich die Serie zu einem weltweiten Erfolg und durch die internationalen ständigen Wiederholungen zum Kult. Deshalb entstand vier Jahre nach der Absetzung sogar eine (recht
kurzlebige und eher anspruchslose) "Star Trek"-Zeichentrickserie (TAS: The Animated Series).
In den Folgejahren plante Paramount eine direkte Nachfolgeserie mit dem
Titel "Star Trek Phase II", die TOS direkt und mit den
Original-Schauspielern fortsetzen sollte. Die einzige Original-Figur
die nicht mehr eingeplant wurde, war Mr. Spock, da Leonard Nimoy damals kein
Interesse an dem Projekt hatte. Letztendlich wurde die Serie dann aber gar nicht produziert. Stattdessen entschied sich Paramount, durch den von "Star Wars" (1977)
ausgelösten ScienceFiction-Kinohype, neue Abenteuer des Raumschiffs Enterprise künftig auf die große Leinwand zu bringen.
Zwischen 1979 und 2002 entstanden so insgesamt 10 Filme, von denen sich
die ersten 6 mit der Original-Manschaft um Kirk & Co. befassten.
Die Filme 7 bis 10 basierten auf den Charakteren der 2. Star Trek-Serie "The Next Generation" (TNG / Raumschiff Enterprise: Das nächste
Jahrhundert).
TNG lief von 1987 bis 1994 und setzte auf
Grund ihres großen Erfolges den Standard, dass eine Star
Trek-Serie aus 7 Staffeln bestehen müsse.
Bereits 1993 startete Paramount die Nachfolgeserie "Star Trek: Deep
Space 9" (DS9) die ebenfalls 7 Jahre lang, bis 1999, lief. Das neue,
geänderte Konzept, das erstmals vom "Raumschiff Enterprise"-Prinzip weg
ging und stattdessen das Leben auf einer Raumstation zeigte,
polarisierte unter den ST-Fans zusehends.
Diese Polarisation führte dann auch dazu, dass Paramount bereits 1995
die Nachfolgeserie "Star Trek: Voyager" (VOY) startete und das
gleichnamige Raumschiff ebenfalls auf einen 7 Jahre dauernden Irrflug aus dem
Delta-Quadranten zurück zur Erde schickte. Da auch "Voyager" stark in der Kritik stand, überarbeitete Paramount das
Star Trek-Konzept erneut und schuf 2001 die Prequel-Serie "Enterprise" (ENT). Ähnlich wie George Lucas 1999
mit "Star Wars: Episode 1" die Vorgeschichte zu seiner erfolgreichen
Star Wars-Filmreihe produziert hatte, sollte ENT in der Zeit zurückgehen und die Abenteuer des allerersten Raumschiff Enterprise erzählen. Leider blieb dieser Serie der Erfolg
gänzlich verwehrt und so endete sie (per Absetzung) bereits nach 4
Jahren und 98 Folgen.
Aber auch im Kino blieb letztendlich der Erfolg aus. Bereits der 7. Film "Generations" ("Treffen der
Generationen") kam durch eine teilweise wirre Handlung und den Tod von
Captain Kirk in die Kritik. "The First Contact" ("Der erste Kontakt") zählt dagegen bis
heute zu einem der erfolgreichsten Trek-Filme. Der 9. Film, "Insurrection" ("Der Aufstand") erreichte leider
nur noch das Niveau einer guten Doppelfolge der "Next
Generation"-Serie. "Nemesis" war der 10. Film und markierte das vorläufige Ende der ScienceFiction-Saga im Kino. Nahezu zeitgleich mit der erfolglosen
TV-Serie "Enterprise" floppte der Film 2002/2003 beim Publikum.
2. Das Ende Nachdem die "Next Generation"-Crew um Captain Picard 2002 im Kino eine
grandiose Bruchlandung erlebte, "Enterprise" abgesetzt wurde und sowohl "Deep Space 9" als auch "Voyager" dank ihrer abgeschlossenen Handlung so gut wie keinen Raum für
Film-Adaptionen boten, wurde es sehr ruhig um das Franchise.
Erstmals nach 18 Jahren gab es nun weder eine aktuelle TV-Serie noch
war ein neuer Film angekündigt. "Star Trek" schien tot zu sein.
3. Der Neubeginn Bereits seit vielen Jahren geisterten Gerüchte durch's Fandom, dass ein
Film oder eine Serie mit den Jugendabenteuern der Mannschaft um Captain
Kirk & Co. geplant ist. Über viele Jahre hinweg wurde die Idee nur
belächelt und als unsinnig abgetan. Wer würde schon andere als die
Original-Schauspieler in deren Rollen sehen wollen?
Doch nun wurde es ernst: Nachdem DeForest Kelley und
James Doohan bereits verstorben waren, stand die Original-Crew
einfach nicht mehr komplett zur Verfügung. Auch das fortgeschrittenen Alter der noch lebenden Darsteller machte es fast unmöglich, weitere Abenteuer der
TOS-Mannschaft zu verfilmen. Und eine neue Raumschriff-Crew war, wie bereits
erwähnt, nicht in Sicht.
Daher entschied sich Paramount, aus der Not eine
Tugend zu machen und mit der Hilfe von J.J. Abrams - einem der derzeit angesagtesten Regisseure und Produzenten - das "Star Trek"-Franchise komplett zu erneuern und ein Reboot zu wagen.
4. Star Trek XI Als J. J. Abrams die Regie von "Star Trek XI"
übernahm, wollte er nicht nur die Kultfiguren der Original-Serie
zurückbringen, er wollte auch das mittlerweile zutode gerittene
Konzept erneuern. Der neue Film sollte weg von den typischen ruhigen
und moralisierenden Geschichten hin zu einem mehr action-betonten Szenario, wie es z.B. "Star Wars" erfolgreich verwendete. Abrams war sich
sicher, dass man mit hochwertigeren Effekten und
bombastischen Raumkämpfen mehr neue Fans erreichen könne als man alte "Star
Trek"-Fans verärgern würde.
Denn eines war dem Regisseur klar: Egal was er machen
würde, viele Fans würden sowieso dagegen sein. Das war schon bei allen TV-Serien so, die nach TOS kamen:
- Zunächst hielten es die Fans für Blasphemie, ein
Raumschiff Enterprise ohne Kirk & Co. auf die Reise zu schicken und dann auch noch den
alten glatzköpfigen Picard (TNG) als Captain zu präsentieren.
- Später dann richtete sich die Kritik gegen den
schwarzen Captain Sisko auf DS9 und gegen die Tatsache, dass mit Kathrine Janeway eine
Frau den Job des Captain auf der Voyager inne hatte.
- Bei "Enterprise" war dann das Raumschiff an sich der
Kritikpunkt, da das Design zu sehr von dem abwich, das die Fans aus dem im Film "Der
Erste Kontakt" kannten. Deshalb wurde auch der angeblich unpassende Name "Enterprise" kritisiert.
So begann Abrams seine Arbeit an der
Runderneuerung von "Star Trek". Hierzu castete er fast ausschließlich
junge unbekannte Schauspieler. Von der Stammbesatzung dürfte damals lediglich
Karl Urban, der Dr. "Pille" McCoy spielt, bekannt gewesen sein. Dem breiten Publikum fiel er schon durch
seine Rolle als Eomer in Peter Jacksons "Herr der Ringe"-Verfilmung auf. Wobei dies sogar eine Parallele zur Originalserie
darstellt: Auch dort war der Darsteller des Dr. McCoy, DeForest Kelley, bereits durch seine Arbeit in mehreren Western-Filmen der bekannteste Darsteller. Außerdem konnte Abrams mit einer ganz besonderen Casting-Überraschung aufwarten: Leonard Nimoy kehrte als der "echte"
Mr. Spock zurück!
Mit Hilfe des bei "Star Trek" beliebten und
erfolgreichen Konzepts der Zeitreisen gelang es Abrams, aus diesem Film nicht nur ein Sequel und Prequel des alten zu erschaffen - er
konnte dadurch auch ein Reboot starten. Denn
aufgrund einer fein aufeinander abgestimmten Grundhandlung konnte Abrams die Weichen für dieses Reboot-Universum neu stellen. Das alles geschieht als Resultat von Spocks Handlungen im
originalen "Star Trek"-Universum: Basierend auf der Theorie des Schmetterlings-Effekts
(kleinste Aktionen können große Auswirkungen auf das gesamte Universum
haben) wurde die bisher bekannte Geschichte umgeschrieben. Damit entstanden interessante Perspektiven für weitere Produktionen: Neros Angriff auf die USS Kelvin verändert letztendlich nicht nur Kirks Schicksal, sondern auch die
Föderation. Dieses Ereignis führt zum Tod von George Kirk (Captain James T. Kirks Vater) und bringt Entwicklungen in Gang, die das neue "Star
Trek"-Universum vom alten unterscheiden. Die spätere Zerstörung des
Planeten Vulkan geht noch viel weiter: Durch diese Vernichtung der
vulkanischen, hochintelligenten und emotionslosen Kultur, wird der
Föderation das moralische Rückgrat genommen und niemand weiß, wohin das
führen wird.
Für mich ist der Film über weiteste Teile sehr
gut gelungen. Die Schauspieler wurden sehr gut gecastet und erfüllen
ihre Aufgabe mit Bravour. Ich sehe in diesen Darstellern würdige
Nachfolger der uns allen, seit unserer Kindheit liebgewonnen
Original-Crew.
Natürlich wurde auch Kritik laut, dass die Story
einige Logiköcher habe und die Zusammenführung der Crew auf zu vielen
Zufällen basieren würde. Aber ich denke, man darf Abrams ursprüngliche Aufgabe nicht
unbeachtet lassen: Sein Ziel war es, in diesem Film ein mittlerweile
totes Franchise wiederzubeleben und für zukunftige Produktionen die
Original-Mannschafft der Enterprise zu versammeln. Und ich denke, das ist ihm insgesamt sehr gut gelungen.
Fraglich sind hier lediglich die Liebesbeziehung
zwischen Spock und Uhura sowie die Anwesenheit von Pavel Checkov (der
ursprünglich erst in der 2. Staffel von TOS zum Cast hinzu
kam). Aber beide Ereignisse lassen sich über den genannten
Schmetterlings-Effekt erklären, da durch Neros Auftauchen eben die ganze
Galaxis durcheinander geriet. Die für mich am meisten störenden
Dinge sind optischer Natur: Ich bin kein Freund ultra-schneller Schitte
und ich fand auch die Fabrikhallen-Atmosphäre der
Sternenflotten-Raumschiffe - außerhalb der Brücke - sehr unpassend. So
ist die Szene, in der Scotty nach dem Beamen in einem
Wasserrohr der Enterprise materialisiert, zwar recht witzig, aber dieses
"Wasserwerk" ist so gar nicht "Star Trek"-Style. Ein weiterer Kritikpunkt sind für mich die Masken
der Romulaner und (der in der Kinoversion nicht verwendeten) Klingonen.
Schmetterlings-Effekt hin oder her, so starke Veränderungen sind
unlogisch.
5. Die Zukunft: Star Trek XII Wie mittlerweile bekannt ist, wird vorraussichtlich im Juni 2012 "Star Trek XII" starten (fictionBOX berichtete). Ich würde mir wünschen, dass Abrams in diesem
Film William Shatner als Captain Kirk zurückkehren lässt und auch bei
einigen Design-Details wieder etwas näher an das Original herangeht.
Insbesondere möchte ich wieder "echte" Romulaner und Klingonen sehen.
Nero wirkte zwar als Arbeiter/Sklaven-Romulaner sehr authentisch, aber
die ganze romulanische Kultur sollte dann schon stärker am Original
sein. Das Gleiche gilt für die Klingonen, die man derzeit nur in einer geschnittenen
Szene auf der Doppel-DVD von "Star Trek XI" sehen kann.
6. Fazit Trotz einiger kleiner Schwächen hat mir "Star
Trek XI" im Gesamtergebnis sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf weitere
Fortsetzungen mit dieser neuen/alten Crew. Deshalb werde ich mit Sicherheit auch 2012 im
Kino sitzen, wenn sich der Vorhang für den 12. Film öffnet. Die Wiederbelebung des Franchise ist - zumindest für mich - also geglückt! An den Kinokassen war das Reboot ebenfalls ein Volltreffer: Mit 385.670.613 Dollar weltweit (Stand: 04. Juli 2010) ist es der bisher größte Boxoffice-Erfolg unter allen "Star Trek"-Filmen (fictionBOX berichtete).
In diesem Sinne: Das Abenteuer "Menschheit" hat gerade erst
begonnen...
Hmmm....Ich finde auch nicht das es geglückt ist anstatt immer und immer wieder altes aufzuwäremen sollte man lieber endlich mal neues Wagen und nicht immer Enterprise alte/neu miteinander vermischen!!!!