Mit: Aaron Johnson, Chloe Moretz, Nicolas Cage, Christopher Mintz-Plasse, Mark Strong, Lyndsy Fonseca u.a.
Kurzinhalt:
„Warum hat sich eigentlich noch nie jemand ein Kostüm angezogen, um als Superheld für Recht und Ordnung zu Sorgen?“ Eben diese Frage stellt sich der junge, unscheinbare Teenager und Comic-Freak Dave Lizewski. Als er es leid ist, ständig von Kleinganoven und Rowdy’s ausgeraubt und gedemütigt zu werden, schreitet er kurzerhand zur Tat: Er bestellt sich im Internet einen grünen Anzug und Kampfstäbe, und beschließt, von nun an als „Kick-Ass“ durch die Straßen New Yorks zu ziehen. Als er vor einem Tankstellenshop einen jungen Mann vor Räubern rettet, und die zahlreichen Schaulustigen dies mit ihren Handy’s filmen und ins Netz stellen, wird "Kick-Ass" schon bald zu einem Medienphänomen. Dadurch werden auch zwei weitere Superhelden, die ihre Taten jedoch im Gegensatz zu ihm nicht so an die große Glocke hängen, sondern eher verdeckt operieren, aufmerksam: "Big Daddy" und seine kleine 11-jährige Tochter "Hit Girl". Außerdem sorgt schon bald ein Nachahmer namens "Red Mist" für Aufsehen. Doch Superheld zu sein ist im wahren Leben deutlich schwerer, als es uns die Comics und Filme glauben machen: Denn als sie einem gnadenlosen Gangsterboss in die Quere kommen, beschließt dieser, ein Exempel zu statuieren, und den Möchtegern-Helden ein für allemal das Handwerk zu legen…
Review:
Grundsätzlich war ich mit dem Kinojahr 2009 ja sehr zufrieden, aber wenn man mal kritisch zurückschaut, so gab es trotz aller großartiger Filme doch auch zwei Bereiche, in denen das Vorjahr etwas zu wünschen übrig gelassen hat: Humor und Action. Mit "Kick-Ass" macht sich Matthew Vaughn nun daran, dies nachzuholen - und legt dabei die Latte für jene Action-Kracher, die dieses Jahr noch auf uns warten (u.a. "The Losers", "A-Team" und "The Expendables"), auf ein beeindruckend hohes Niveau. Doch bevor ich meine Lobeshymne fortsetze, ist ein Wort der Warnung angebracht: "Kick-Ass" ist moralisch absolut fragwürdig. Wenn ihr mit Schimpfworten und/oder Gewalt in Filmen ein Problem habt – besonders, wenn für beides in erster Linie eine 11-jährige verantwortlich ist – dann ist dieser Film schlicht und ergreifend nichts für euch. Nicht umsonst wird "Kick-Ass" vielerorts als das "Kill Bill" der Comicfilme bezeichnet. Ich persönlich habe insofern kein Problem damit, als dass „Kick-Ass“ in erster Linie den Anspruch stellt, gut zu unterhalten, und man dem Film anmerkt, dass er nicht 100%ig ernst gemeint ist. Alles ist auf die Spitze getrieben und mit viel Humor umgesetzt. Mit makabrem, schwarzem Humor zwar, mit dem sich sicherlich nicht jeder anfreunden wird, aber nichtsdestotrotz Humor.
Einen guten Test, ob euch "Kick-Ass" gefallen könnte, liefert wohl schon die erste Szene des Trailers. Könnt ihr darüber lachen, wenn sich hier ein Möchtegern-Superheld in einem Raketenanzug von einem Hochhaus stürzt und in ein Taxi kracht? Wenn nein, dann a) seid ihr vermutlich bessere oder moralisch erhabenere Menschen als ich, und b) solltet ihr diesen Film lieber an euch vorbeiziehen lassen. "Kick-Ass" ist voller solcher makabrer Gags, bei denen man sich dafür schämt, sie lustig zu finden, aber man trotzdem lachen muss. Für mich war es aufgrund der Tatsache, dass der Film die meiste Zeit über sehr augenzwinkernd agiert kein Problem, aber ich kann gut verstehen, wenn er andere eben genau deshalb abstößt. In diesem Fall gibt aber der Trailer ausnahmsweise wirklich einen guten Eindruck vom Film, weshalb ich einfach dazu rate, ihn euch anzuschauen, und euch selbst ein Urteil zu bilden. Und wenn ihr den Trailer schon witzig und gelungen findet, dann wartet auf euch alle, die ihr so verdorben seid wie meine Wenigkeit, ein wahres Fest an moralisch fragwürdiger Popcorn-Unterhaltung, dass ihr euch nicht entgehen lassen dürft!
Zu verdanken haben wir dies wohl in erster Linie Matthew Vaughn, der bereits 2007 mit "Der Sternwanderer" einen Independent-Hit geschaffen hat, der für mich ganz klar zu den besten Filmen des vorangegangenen Jahrzehnts zählt. Zugegeben, ich kenne Mark Millar’s Vorlage noch nicht, und möchte seinen Anteil an Gelingen des Films keinesfalls schmälern. Nur: Ohne Vaughn’s Mut, den Film vorzufinanzieren, ihn außerhalb des Studiosystems genau so zu drehen wie er das für richtig hielt, und ihn erst nach Abschluss der Dreharbeiten den Verleihfirmen vorzuführen und ihnen zu sagen „Das ist der Film, so will ich dass er in die Kinos kommt. Wir werden nichts daran verändern und nichts schneiden. Nehmt ihn oder lasst es.“ hätte "Kick-Ass" wohl nie das Licht der Filmwelt erblickt. Und dazu gehört definitiv eine ordentliche Portion Mut, die sich für ihn auch hoffentlich auszahlen wird. Doch der finanzielle Aspekt war natürlich nicht das Einzige, das er zum Gelingen des Films beigetragen hat. Denn auch seine Inszenierung ist ungemein stilvoll, hochwertig und abwechslungsreich. Was das betrifft, hat mich "Kick-Ass" teilweise an Zack Snyder’s "Watchmen – Die Wächter" erinnert. Ich will euch hier nicht die Überraschungen verderben, die Matthew Vaughn für euch auf Lager hat, aber so viel sei gesagt: Die Action wird in diesem Film nie langweilig. Vaughn versteht es, durch verschiedene optische Spielereien, den kongenialen Einsatz von Musik (eine weitere Parallele zu "Watchmen"), sein Gefühl für packende Bilder und den richtigen Schnitt die Actionszenen sehr abwechslungsreich zu gestalten, und sie zugleich zu einem Genuss für die Sinne zu machen.
Zugegeben, jene die schon recht bieder-normal inszenierte Action aus Machwerken wie "Transformers 2" genial finden, werde dies möglicherweise nicht so zu schätzen wissen – möglicherweise werden ihnen im Gegenzug die Szenen sogar zu wenig spektakulär sein. Aber für jeden Cineasten, der wert auf eine etwas anspruchsvollere und ausgefeilte Inszenierung legt und der eine solche auch zu schätzen weiß, sollte "Kick-Ass" schon allein deshalb die Kinokarte wert sein. Dabei versteht es Vaughn, sich von Szene zu Szene sogar noch zu steigern, und noch genialer, spektakulärer und cooler zu werden. Und so hebt er sich auch völlig zu recht das absolute Highlight bis (fast) zum Schluss auf: Wenn Hit Girl die Zentrale des Gangsterbosses stürmt, um ihm und seinen Handlangern das Handwerk zu legen, erinnert die Szene nicht einfach nur an einen ähnlich genialen Moment aus "Matrix", es könnte auch gut und gerne die beste – oder zumindest coolste – Actionszene sein, die ich seither gesehen habe. Spätestens der Moment, als Hit Girl ihre Waffen nachlädt (der auch schon im Trailer zu sehen war), sollte jedem Fan der herrlich überzogenen Action ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Doch auch abseits der Actionszenen weiß seine Inszenierung zu gefallen. Auch hier möchte ich nichts verraten, aber es gibt einen Moment der alle Tarantino-Fans an ein ganz ähnliches Stilmittel aus "Kill Bill" erinnern dürfte. Die gelungene Musikauswahl habe ich zwar schon kurz erwähnt, muss sie jedoch hier noch einmal gesondert hervorheben. Dies bezieht sich sowohl auf die hier verwendeten Lieder – bei denen mir "Bad Reputation" von Joan Jett besonders wohlwollend in Erinnerung geblieben ist – als auch auf den Soundtrack, für den er sich gleich mit mehreren Filmkomponisten (darunter auch Ilan Eshkeri, der für "Sternwanderer" den meines Erachtens zweitbesten und –schönsten Soundtrack der 0er-Jahre nach "Der Herr der Ringe" komponiert hat) zusammengetan hat. Auch vor dem Einsatz bereits bekannter instrumentaler Stücke schreckt er nicht zurück. Matthew Vaughns wahre Meisterleistung lag aber wohl weder darin, diesen Film überhaupt auf die Leinwand zu bringen, noch in der Inszenierung – sondern vielmehr darin, dass ihm ein Kunststück gelungen ist, an dem schon so manche gescheitert sind: Nämlich einen Film zu schaffen, der sowohl als Parodie, als Hommage sowie auch als gelungener Vertreter des Genres zu funktionieren. Ja, vieles an "Kick-Ass" ist bewusst überzeichnet, und es finden sich zahlreiche parodistische Anspielungen, die das Herz des Comicfilm-Fans höher schlagen lassen werden. Von Big Daddy, der fast eine einzige Batman-Karikatur ist (dazu gleich noch mehr) über kurze einzelne Momente wie Kick-Ass, der seine Maske an den Nagel hängen will ("Spiderman 2" lässt grüßen) bis hin zu im Genre nur allzu bekannten Wendungen, die ich hier natürlich nicht vorwegnehmen will.
Und trotzdem, trotz all dieser Momente, in denen sich Vaughn über das Genre und teilweise auch die Figuren lustig macht, trotz aller Gags, den teils unrealistischen Szenen und der parodistischen Überzeichnung, versteht er es dennoch, dies nicht zu einem reinen, oberflächlichen Feuerwerk an Gags und coolen Szenen verkommen zu lassen. Stattdessen werden wir von der ersten Minute an in diese Welt hineingezogen, und so sehr wir über die Ereignisse, die Witze und einige Szenen auch lachen können mögen, so gibt es doch auch den einen oder anderen dramatischen Moment, in dem "Kick-Ass" ernstere Töne anschlägt. Was schon bei vielen Filmen ordentlich in die Hose gegangen ist, hat – zumindest für mich – hier funktioniert: "Kick-Ass" brachte mich zum Lachen, wenn ich lachen sollte, zum Weinen, wenn ich weinen sollte, zum Erschaudern, wenn ich erschaudern sollte, usw. Dies liegt wohl daran, wie gekonnt uns Matthew Vaughn langsam aber sicher in diese Welt hineinzieht. Alles beginnt relativ normal, gewöhnlich und realistisch, so dass wir zum Geschehen und den Figuren eine Verbindung aufbauen können – und dann wird es zunehmend übertriebener und schräger, bis zum herrlich überzogenen Showdown, bei dem… aber halt, ich will ja nicht spoilern.
Mir ist bewusst, dass ich mit dieser seitenlangen Lobeshymne wieder mal gehörig eure Geduld strapaziere, aber lasst mich noch ein paar Worte über die Schauspieler verlieren, ehe wir zum Fazit kommen. Aaron Johnson macht seine Sache ganz gut, fällt aber auch nicht übertrieben positiv auf. Zugegeben, er hat auch nicht unbedingt die interessanteste Rolle, trotzdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Jesse Eisenberg wohl die Idealbesetzung gewesen wäre. Wirklich gut gefallen hat mir hingegen Christopher Mintz-Plasse. Auch Nicolas Cage, der zuletzt durch einige wenig überzeugende schauspielerische Leistungen etwas in Verruf geraten ist, macht hier einiges an Boden gut. Denn nicht nur, dass sein Big Daddy so aussieht wie eine billige Version von Tim Burton’s "Batman" – gelber Gürtel inklusive – seine Mimik und Gestik (und wohl auch Aussprache; dies werde ich aber erst nach der ersten O-Ton Sichtung beurteilen können) erinnert zudem ungemein an Adam West, der wie alle Fans wissen Bruce Wayne/Batman in der kultig-trashigen 60er-Jahre-Serie gespielt hat. Wer die Serie kennt, wird hier viele typische Gesten und Ausdrücke wiedererkennen (besonders beim Gespräch zwischen ihm, Hit Girl und Kick Ass in dessen Zimmer). Der wahre Star des Films ist aber ohnehin Chloe Moretz. Nachdem man den Film gesehen hat fragt man sich ernsthaft, warum dieser eigentlich "Kick-Ass" heißt, und nicht "Hit Girl" – da sie allen anderen schlicht und ergreifend die Show stiehlt. Bleibt nur zu hoffen, dass die junge Schauspielerin mit ihrem quasi über Nacht erlangten Starruhm und dem Kultstatus ihrer Figur umgehen kann – und dem Film ein derartiger Erfolg beschienen ist, dass wir ihr und den anderen schon bald wieder in einer Fortsetzung beim „Ass-kicken“ zuschauen können!
Fazit:
Matthew Vaughn zeigt hier nach "Der Sternwanderer" erneut sein großes inszenatorisches Talent. Vor allem die Actionszenen setzt er sehr gekonnt und stilvoll in Szene, und hinterlegt sie zudem immer mit der perfekten Musik – egal, ob es sich dabei um einen frisch komponierten Soundtrack, ein Lied oder auch ein bereits bekanntes instrumentales Stück handelt. Einerseits ist die Gewalt völlig überzogen und herrlich absurd, einige Figuren und Szenen sind regelrechte Kopien bekannter Momente, und manchmal macht man sich auch über andere Filme oder das Genre regelrecht lustig; und dennoch gibt es auch sehr dramatische und spannende Momente, da uns die Figuren trotz allen Humors und jedweder parodistischer Überzeichnung dennoch ans Herz wachsen. Und genau das ist das Kunststück, dass Matthew Vaughn mit diesem Film gelungen ist: Er funktioniert sowohl als Parodie, als Hommage sowie auch als eigenständiger, würdiger Vertreter des Superheldengenres. Das Ergebnis ist ein höchst unterhaltsamer Film, der Spaß macht, jedoch auch den einen oder anderen ernsten Moment zu bieten hat, und daher trotz aller Coolness nie droht in Oberflächlichkeit zu verfallen. Zugegeben, die erste Stunde mag teilweise noch etwas langsam verlaufen, doch spätestens nach dem ersten Auftritt von Hit Girl entbrennt "Kick-Ass" ein Feuerwerk der (moralisch fragwürdigen) Unterhaltung, das seinesgleichen sucht. Kurz gesagt: "Kick-Ass" macht seinem Namen wirklich alle Ehre, und ist – sofern man nach dem Trailer glaubt, dass man mit dem teils makaber-schwarzem Humor etwas anfangen kann – nicht nur für Comic-Fans ein absoluter Pflichttermin!