Mit: Ed Harris, Mary Elizabeth Mastrantonio, Michael Biehn, Leo Burmester, Todd Graff, John Bedford Lloyd, J.C. Quinn, Kimberly Scott u.a.
Kurzinhalt:
Ein amerikanisches U-Boot mit atomaren Sprengköpfen an Bord geht aus unbekannten Gründen unter, und sinkt in einen tiefen Graben. Um die Ursache herauszufinden und die gefährlichen Waffen sicherzustellen, wendet sich die US Army an eine private Firma, die eine Tauchstation betreibt. Mit ihrer Hilfe soll man das U-Boot ausfindig machen und untersuchen. Der Kapitän, Bud Brigman, ist alles andere als begeistert – vor allem als er erfährt, dass seine angehende Ex-Frau Lindsey mit von der Partie ist. Doch Bud bleibt keine andere Wahl: Es zieht ein schweres Unwetter auf, und bis dahin soll das U-Boot unbedingt untersucht werden. Als sich eine erste Expedition zum havarierten Schiff aufmacht, sieht einer von Bud's Leuten, ein seltsames Wesen, dass ihm schreckliche Angst einjagt. Lt. Coffey will von so einem Geschwafel nichts hören, und ist mehr und mehr davon überzeugt, dass die Russen hinter dem Angriff stecken. Aufgrund dieses Zwischenfalls verschlechtert sich die Lage zwischen Amerika und Russland, und der dritte Weltkrieg scheint immer näher zu rücken. Unter Wasser ergeben sich für Bud, seine Crew und die Soldaten jedoch schon bald ganz andere Probleme: Das Unwetter bricht früher herein als erwartet, und kappt die Verbindung zur Station – damit ist man von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Ohne Chance, zurückgeholt zu werden oder auch nur mit der Oberfläche Verbindung aufzunehmen, nimmt die Anspannung an Bord merklich zu. Als Bud's Crew schließlich herausfindet, dass das Militär eine der Atombomben in die Station gebracht haben, droht der Konflikt zwischen den Marines und den Zivilisten endgültig zu eskalieren…
Anmerkung & leichte Spoilerwarnung!
Da ich die Kinofassung von "Abyss" noch nie gesehen habe, bezieht sich das nachfolgende Review auf die von James Cameron bevorzugte "Special Edition"-Schnittfassung des Films. Zudem finden sich im Review leichte Spoiler zur Handlung. Größere Spoiler sind zwar mit einer entsprechenden Markierung versehen, aber die eine oder andere Entwicklung nehme ich in meiner ausführlichen Besprechung der Handlung vorweg.
Review:
Nachdem James Cameron mit "Terminator" und "Aliens" das SF-Actionkino revolutionierte, zog er sich vorläufig aus der Zukunft und den Weiten des Alls zurück, um in die Tiefsee hinabzutauchen. Das Ergebnis ist ein deutlich komplexerer und vielschichtigerer Film, als es sich in solch einer kurzen Inhaltsangabe vermitteln lässt. Romanze, Drama, Thriller, Science Fiction… "Abyss" ist ein Mix aus vielen verschiedenen Genres und Elementen, der auch heute noch so frisch, originell und einzigartig wirkt wie vor 20 Jahren. Einer der Hauptgründe dafür ist wohl das Setting. Es hat nach "Abyss" keinen Film mehr gegeben, der das Gefühl der Tiefsee auch nur annähernd so gelungen und eindrucksvoll vermittelt hat – was angesichts der anstrengenden und teuren Dreharbeiten nicht weiter verwunderlich ist. Bei "Abyss" haben sich all der Aufwand und die persönlichen Anstrengungen, die Schauspieler und Crew auf sich genommen haben, wirklich ausgezahlt. Sowohl die Unterwasserszenen als auch die Szenen in der Station sind absolut glaubwürdig, und verleihen dem Film eine ganz eigene Atmosphäre.
Im Gegensatz zu den meisten modernen Filmen nimmt sich "Abyss" ausreichend Zeit, um die Figuren vorzustellen und uns in die Handlung – im wahrsten Sinne des Wortes – eintauchen zu lassen. Einigen mag der Einstieg etwas zu lang geraten sein, ich finde ihn jedoch selbst bei mehrmaliger Sichtung des Films sehr gelungen. Der gemächlich-bodenständige Einstieg verankert die späteren, phantastischen Elemente nicht nur stärker in der Realität und machen sie glaubwürdiger, sondern lullt einem zudem irgendwie in Sicherheit. Glaubt man zu Beginn noch, sich ungefähr vorstellen zu können worum es geht und wie sich die Handlung entwickeln will, erkennt man schon bald, dass diese einige unvorhergesehene Haken schlägt, die den Film sehr abwechslungsreich machen. Ohne den recht unspektakulären Einstieg hätte dies meines Erachtens nicht einmal halb so gut funktioniert. Zumal hier auch wichtige Charakterszenen enthalten sind, die uns die Figuren näher bringen und uns recht schnell eine Beziehung zu ihnen aufbauen lassen. Nur dadurch gelingt es späteren Szenen dann eine mitreißende oder gar bewegende Wirkung zu entfalten. Außerdem sind die Figuren von Cameron – wieder einmal – so herrlich geschrieben und von den Schauspielern auch so gut portraitiert, dass zumindest bei mir selbst in der ersten halben Stunde keine Langeweile aufkommt.
Der erste Ausflug zum U-Boot ist dann schon recht spannend und atmosphärisch sehr dicht in Szene gesetzt, bietet aber in erster Linie einen Vorgeschmack auf das, was später folgen wird. Denn so richtig los geht es erst, als der Kran bricht und die Station ihre Verbindung zur Außenwelt verliert. Schon allein die Szene, als ein Teil des Krans – begleitet vom typischen, immer schneller werdenden Ping-Geräusch – langsam heruntersinkt und genau auf die Station zu fallen droht, zeigt wieder einmal Camerons inszenatorisches Können, und seine Fähigkeit, mit vergleichsweise einfachen Mitteln eine nervenzerreißende Spannung aufzubauen. Nach diesem Ereignis schafft er zudem eine klaustrophobisch-dichte Stimmung, und gibt uns das Gefühl, gemeinsam mit den Figuren in dieser Metallbüchse in den Tiefen des Meeres eingeschlossen zu sein, umgeben von Wasser, und ohne Chance auf Flucht. Dadurch, dass er sich ab dem Absturz des Krans auf die Handlung unter Wasser beschränkt und uns nicht verrät, was da oben vor sich geht, kann man das Gefühl der Verlorenheit und Isolation, dass die auf der Station eingeschlossene Crew empfindet, sehr gut nachvollziehen.
Die dichte Atmosphäre steht dabei in starkem Kontrast zu den ruhig-beschaulichen und wunderschönen Momenten rund um die außerirdischen Wesen. Zwar gab es bereits zu Beginn sowie beim Besuch des U-Boots kurze Augenblicke, in denen sie zu sehen waren, doch erst als Lindsey aus der Station hinausgeht und eines der Wesen erblickt bekommen wir Gelegenheit, sie ausreichend zu bewundern. Und bewundern ist genau das richtige Wort, denn das originelle, wunderschöne Design sowie die tollen Effekte, die auch heute noch überzeugen können, schaffen in diesen Momenten einen "sense of wonder", wie man sie selbst im Bereich des dafür prädestinierten Science Fiction-Genres nicht oft erleben durfte. Der wahre Augenöffner sind dabei definitiv das riesengroße Raumschiff, dass sich vor Lindsey aus dem Abgrund erhebt, sowie der Wasserwirbel an Bord der Station. Letztere Szene hat damals die Tricktechnik revolutioniert, und kann gut und gerne als Beginn des digitalen Effektzeitalters angesehen werden. Der nur wenige Jahre später folgende T-1000 aus "Tag der Abrechnung" wäre ohne diesen Fortschritt nicht möglich gewesen. Vor allem ist es aber auch eine sehr erhebende Szene, wie diese außerirdischen Wesen ganz offensichtlich versuchen, mit uns in Kontakt zu treten. Um so erschreckender, als der verrückt gewordene Soldat den Wasser"wurm" entzweiteilt und dies endgültig als Beweis ansieht, dass gefährliche Dinge am Werk sind, die unbedingt zerstört werden müssen. Der zuvor nur schwelende Konflikt zwischen Militär und Zivilisten eskaliert nun endgültig, und führt schließlich zu einer packenden Actionszene mit Mini-U-Booten, die für mich immer noch zu den besten – und originellsten! – Verfolgungsjagden aller Zeiten zählt.
Danach folgt die für mich erschreckendste Szene des Films, die mir mehr Alpträume beschert hat als so mancher Horrorfilm. (Achtung, Spoiler!)Lindsey's Ertrinken(Spoiler Ende) ist einfach unheimlich realistisch in Szene gesetzt. Zudem zahlt es sich hier und in der darauffolgenden (Achtung, Spoiler!)Wiederbelebungsszene(Spoiler Ende) zum ersten Mal so richtig aus, dass sich Cameron davor ausreichend Zeit genommen hat, um uns in den Figuren anzufreunden. Nach diesem vorläufigen emotionalen Höhepunkt geht es nun zu einem der ungewöhnlichsten Showdowns der Filmgeschichte: Statt gegen einen Feind antreten zu müssen, befindet sich Bud eher im Wettlauf gegen die Zeit. Die Bedrohung entsteht nicht durch irgendwelche Bösewichte, sondern den – im wahrsten Sinne des Wortes – enormen Druck, unter dem er steht. Hier ist vor allem die grandiose Effektarbeit – die den ganzen Film hinweg überzeugen kann – hervorzuheben, die überzeugend den Eindruck vermittelt, Bud würde mehrere tausend Meter in die Tiefe sinken. Ganz ohne Action, Explosionen oder sonstige Tricks gelingt es Cameron hier erneut, mit schlichten Mitteln eine extrem spannende Szene zu kreieren.
Nach einer weiteren, emotional sehr bewegenden Szene, und genau zu dem Zeitpunkt an dem man eigentlich glaubt, dass der Film nun vorbei wäre, leistet sich "Abyss" nun noch einmal eine 180°-Wendung und entwickelt sich von einem packenden Unterwasserthriller zu einer moralisierenden Geschichte über die Menschheit und unseren Umgang miteinander. Falls jemand das Ende noch nicht kennen sollte, will ich es hier nicht verraten, aber so viel sei gesagt: Es wird sicherlich die Geister scheiden, und definitiv nicht jedem gefallen, da es irgendwie aus einem anderen Film zu stammen scheint. Es ist so anders als alles was zuvor kam, und auch wenn man rückwirkend betrachtet die bisher gut versteckten Seitenwege, die zu diesem Ziel führen, erkennt und das Ende daher wie ein perfekter, passender Abschluss für den Film wirkt, so ist es beim ersten Sehen doch ein kleiner Schock und eine Überraschung, die man erst verdauen muss. Für mich war es jedenfalls der letzte Geniestreich, der "Abyss" endgültig das Prädikat "Meisterwerk" verliehen hat. Mir gefällt die hier präsentierte Message einfach, und wie wir im Endeffekt (Achtung, Spoiler!) durch die Liebe zweier Menschen gerettet werden (Spoiler Ende), ist für mich die berührendste Szene des Films, die mir immer wieder einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Luc Besson hat sich bei "Das 5. Element" diesbezüglich wohl zumindest ein wenig von "Abyss" inspirieren lassen…
Abschließend noch ein paar allgemeine Worte zum Film. Die Effekte und James Camerons' hochwertige Inszenierung habe ich ja schon ausreichend gelobt, dafür wurden die Schauspieler von mir bisher sträflich vernachlässigt. Aus dem recht großen Ensemble, dass keine einzige Schwachstelle offenbart, stechen vor allem Ed Harris und Mary Elizabeth Mastrantonio positiv hervor. Sie spielen ihre Hassliebe sehr überzeugend und mit vielen verschiedenen Facetten, die das ganze sehr abwechslungsreich machen. Auch Michael Biehn muss hervorgehoben werden, spielt er hier doch nach "Terminator" und "Aliens" die für ihn eher untypische Rolle des Bösewichts. Und auch wenn sein Schnäuzer etwas zu sehr nach "Ich bin diesmal der böse" schreit, kann auch seine Leistung voll und ganz überzeugen. Zuletzt muss auch noch die grandiose Filmmusik von Alan Silvestri gewürdigt werden. Wie der Film so ist auch sein Soundtrack sehr abwechslungsreich, wobei vor allem der starke Kontrast zwischen der wunderschönen, lieblichen Melodie der Aliens und der kalten, monotonen, pochenden Marschklänge des Militärs zu gefallen wissen. Sein schönstes Stück, "Bud on the Ledge", war dann für mich schließlich der Hauptgrund, mir die CD gleich nach meiner ersten Sichtung der Special Edition im Fernsehen Mitte der 90er zuzulegen. Damit war die Filmmusik zu "Abyss" der erste Soundtrack, den ich mir jemals gekauft habe!
Fazit:
"Abyss" hat für mich – in der Special Edition! – auch 20 Jahre später nichts von seiner Faszination verloren. Erneut nimmt sich Cameron ausreichend Zeit, um uns die Figuren vorzustellen uns uns – im wahrsten Sinne des Wortes – in die Handlung eintauchen zu lassen. Spätestens nach dem Absturz des Krans verdichtet sich die Atmosphäre enorm, wobei es Cameron auch danach versteht, die Figuren und das Mysterium rund um die seltsamen Wesen nie zu kurz kommen zu lassen. Die weitere Handlung ist sehr wendungs- und abwechslungsreich und überzeugt mit zahlreichen gelungenen und denkwürdigen Szenen. Das Ende wird dann die Gemüter spalten; für mich war es das letzte Mosaiksteinchen zu einem weiteren SF-Meisterwerk von James Cameron. Neben dem Regisseur sind jedoch auch die Schauspieler, die tollen Spezialeffekte sowie Alan Silvestri's musikalische Untermalung positiv hervorzuheben. "Abyss" entführt den geneigten SF-Fan auf eine phantastische und faszinierende Reise in die Tiefsee, und überrascht gegen Ende mit einer moralischen Botschaft, die wohl leider nicht so schnell an Bedeutung und Aussagekraft verlieren wird.