Kurzinhalt:
Tolbiac erwacht ohne jegliche Erinnerungen an sein früheres Leben irgendwo in der Dunkelheit. Er hat keine Ahnung, wo oder wer er ist, und wie er dort hingekommen ist. Nachdem er langsam beginnt, seine Umgebung zu erkunden, stößt er zuerst auf einen Menschen, der in einer Art Wurzelwerk gefangen zu sein scheint, und ihm rät zu fliehen. Schon bald erkennt Tolbiac, dass er sich in einer Art unterirdischen Komplex befindet, der von einer seltsamen Vegetation überwuchert wird. Zudem streifen finstere, wilde Mutanten durch die Gänge und greifen alles an, was ihnen in die Quere kommt. Doch nicht nur von diesen degenerierten Menschen geht Gefahr aus: auch geheimnisvolle Männer in Sicherheitsanzügen, die offenbar irgendwie mit den seltsamen Ereignissen in Verbindung zu stehen scheinen, durchsuchen die verschiedenen Ebenen. Tolbiac wandert derweil völlig desorientiert und ahnungslos durch den Komplex, und versucht sich unbemerkt einen Weg an die Oberfläche zu bahnen, in der Hoffnung, dort Antworten auf seine Fragen zu finden…
Review:
Bereits zu Beginn des Films stellt "Eden Log" die Geduld des Zuschauers auf eine harte Probe, die wohl nur die wenigsten überstehen werden: Minutenlang irrt der soeben erwachte und aus dem Schlamm gekrochene Tolbiac praktisch in Zeitlupentempo und ohne einen Ton von sich zu geben durch dunkle Gänge, in denen kaum etwas zu erkennen ist. Lediglich ein Stroboskop-Licht, dass die Augen sehr anstrengt und mit der Zeit wirklich beginnt zu nerven, erhellt immer wieder kurz das Bild. Nun bin ich wirklich niemand, dem man eine Adrenalinsucht vorwerfen kann; es gibt zahlreiche langsam erzählte Filme, die mir wahnsinnig gut gefallen; einen davon, "2001 – Odyssee im Weltraum" – halte ich immer noch für den besten Film aller Zeiten. Wenn ich also schon einmal sage, dass mir ein Einstieg dermaßen zu langsam war, dass ich kurz davor war, den Schnellvorlauf einzuschalten wenn nicht gar die Blu Ray entfernt wieder aus dem Player zu legen, dann heißt das etwas. Ihr seid hiermit gewarnt!
Was am Anfang ebenfalls frustriert ist, dass man wie Tolbiac völlig rat- und ahnungslos ist, was hier eigentlich vor sich geht, und die Filmemacher es fast 20 Minuten lang nicht als nötig erachten, uns zumindest eine erste Idee von der Handlung zu geben. Dieser Einstieg, der sicherlich den Geduldsfaden einiger überstrapazieren wird, soll wohl dazu dienen uns in die richtige Stimmung zu bringen. Wir sollen so wie Tolbiac völlig ahnungslos und desorientiert sein, um uns in ihn hineinversetzen zu können, und quasi an seiner Stelle durch die düsteren Gänge zu wandeln. In meinem Fall hat dieser nervenzehrend-langsame Beginn jedoch genau das Gegenteil erreicht, und eher Distanz zum Geschehen bzw. zur Hauptfigur aufgebaut. Wenn man gelangweilt bis richtiggehend genervt auf die Uhr sieht, ist dies halt selten dafür zuträglich, in die Handlung eines Films einzutauchen. Wenn man diese ersten paar Minuten aber erst mal überstanden hat, nimmt "Eden Log" langsam Fahrt auf, und schafft es zunehmend, mit dem originellen Setting und der mysteriösen Handlung zu faszinieren. In einer Aufzeichnung, die – optisch durchaus originell und gelungen – auf eine Art Vorhang projiziert wird, gewinnen wir einen ersten Eindruck davon, was hier vorgefallen ist. Nichtsdestotrotz ist auch die weitere Inszenierung des Films eher gemächlich, und verzichtet fast gänzlich auf Spannung. Weder die Mutierten noch die Sicherheitsleute wirken je sonderlich bedrohlich, weshalb sich trotz einiger Szenen, in denen Tolbiac vor ihnen flüchtet nie ein richtiges Gefühl der Gefahr einstellt.
Stattdessen steht in erster Linie die Handlung rund um Tolbiac und seine Suche nach Erkenntis, aber auch nach Erlösung, im Mittelpunkt der Handlung. Ohne auf die genaueren Hintergründe des Mysteriums eingehen zu wollen sei dabei festgehalten, dass "Eden Log" auch am Ende keine 100%ige Auflösung der Ereignisse bietet, sondern den Zuschauer dazu zwingt, seine eigene Interpretation für das Geschehen zu finden. Wer sich also für solch ein Mysterium, dass noch dazu recht langsam erzählt wird, quasi als Entschädigung eine umfassende Auflösung der Ereignisse erwartet, sollte von "Eden Log" eventuell besser die Finger lassen. "Eden Log" geht es zudem weniger darum, eine spannende, interessante und kohärente Geschichte zu erzählen, denn eine Metaphorische, die sich zudem stark an biblischen Motiven orientiert. Er ähnelt damit sehr dem ebenfalls aus Frankreich stammenden "Dante 01", und sollte vor allem jenem kleinen Kreis von Leuten ansprechen, die eine stimmungsvolle, mysteriöse und metaphorische Handlung zu schätzen wissen, die viel Raum für eigene Interpretationen bietet.
Was den Film praktisch von der ersten Minute an einen eigenen Charakter verleiht, ist die sehr originelle, monochrome Optik. "Eden Log" kommt fast vollständig ohne Farben aus, und schwelgt stattdessen im starken Kontrast aus Schwarz und Weiß sowie den verschiedenen Graustufen. Nur der gelegentlich auffallende Blaustich des Bildes sowie sporadische Farbsprenkel wie das Grün einer Pflanze durchbrechen diese monotone Inszenierung, die "Eden Log" eine sehr bedrückende und klaustrophobische Stimmung verleiht. Alles wirkt leblos, künstlich… und mit der Zeit ist die monochrome Optik extrem beunruhigend bis richtiggehend anstrengend. Neben der sehr langsamen Erzählweise ist diese bedrückende, unnatürliche Atmosphäre ein weiterer Grund, warum man "Eden Log" guten Gewissens als filmische Grenzerfahrung einstufen kann. Mit der Zeit sehnt man sich nämlich – so wie Tolbiac – danach, dieser Einöde zu entkommen und endlich an die Oberfläche zu gelangen. Die optisch originell-stimmungsvolle Inszenierung wird durch die Filmmusik, die man sich übrigens hier gratis (und völlig legal!) herunterladen kann, perfekt unterstützt. Zwar wird diese nur äußerst sporadisch eingesetzt, was den gewollt-eintönigen Charakter von "Eden Log" unterstreicht, doch wenn sie ertönt, wissen die atmosphärischen Klänge definitiv zu gefallen. Den extrem eigenwilligen Einstieg können diese Töne zwar auch nicht mehr retten, aber spätere Szenen profitieren definitiv von dieser musikalischen Untermalung.
Dass "Eden Log" eine höhere Wertung verwert bleibt und er sich im Endeffekt auf einem Niveau mit dem bereits erwähnten, sehr ähnlichen "Dante 01" einpendelt, liegt im Wesentlichen an den bereits erwähnten Schwächen. Ich habe nun wirklich mit gemächlich erzählten Filmen kein Problem, aber "Eden Log" hat den Begriff "langsam" derart auf die Spitze getrieben, dass selbst mein Geduldsfaden einige Male fast gerissen wäre. Zudem fehlt es an ganz großen Highlights bzw. starken Einzelszenen und denkwürdigen Momenten. Als Kurzfilm hätte die Idee sicherlich auch mich stärker faszinieren können, doch die Handlung ist für die 1-1/2 stündige Laufzeit einfach zu dünn, um den Film zu tragen. Dies resultiert in sinnlosen, minutenlangen Einstellungen und viel zu lang ausgedehnten Szenen, die darob enorm an Wirkung verlieren. Die optisch zwar originelle, aber auf Dauer sehr monotone Inszenierung sowie die nicht gänzlich zufriedenstellende Auflösung taten ihr übriges, um mich eher enttäuscht zurückzulassen. Bereue ich es, "Eden Log" gesehen zu haben? Keineswegs. Werde ich ihn mir jemals in meinem Leben noch einmal anschauen? Wohl kaum…
Fazit:
Trotz aller Schwächen muss lobend festgehalten werden, dass "Eden Log" eine Originalität, Eigenständigkeit und Einzigartigkeit zur Schau stellt, die man selbst im Bereich des Science Fiction-Genres nur selten findet. Wer sich also mal nach einem gänzlich anderen SF-Film sehnt, als man sie sonst serviert bekommt, dem sei "Eden Log" grundsätzlich empfohlen. Ihr solltet jedoch wissen, worauf ihr euch einlässt: Auf einen sehr langsam erzählten Film, der sich sehr auf eine atmosphärische Inszenierung und bedrückend-klaustrophobische Stimmung verlegt, wo jedoch die eigentliche Handlung eher in den Hintergrund rückt. Zudem offenbart die Auflösung, dass "Eden Log" eher metaphorisch als wortwörtlich zu verstehen ist, und wird mit ihrem Interpretationsspielraum und den biblischen Anspielungen sicherlich nicht jeden überzeugen. "Eden Log" ist daher einer jener Filme, an dem sich die Geister scheiden werden. Die einen werden begeistert in die Handlung eintauchen, in der bedrückenden Optik schwelgen und den Film höchst faszinierend finden, den anderen wird er aufgrund der langsamen Erzählweise sowie der monotonen und monochromen Inszenierung zu langweilig und/oder anstrengend sein. Insgesamt macht das "Eden Log" zu einem sehr originellen und kunstvollen Film, der einige wenige ansprechen, die meisten – mich eingeschlossen – jedoch eher kalt lassen wird.