"Watchmen": Interview mit Co-Schöpfer Dave Gibbons
Über Watchmen, Alan Moore & künftige ProjekteKategorie: Interviews - Autor: Luna Black - Datum: Donnerstag, 05 März 2009
Anlässlich der Kino-Veröffentlichung von "Watchmen"
hatte SciFi Wire die Gelegenheit, mit dem Comic-Künstler Dave Gibbons zu sprechen. Er ist der Miterschaffer
von Alan Moores Graphik-Novelle, die die Vorlage für Zack
Snyders Film liefert. Wie das Buch spielt auch der Film in
einem Alternativ-Universum in New York 1985 und erzählt die Geschichte
einer Gruppe kostümierter Verbrechensbekämpfer, die sich
zusammenschließen, als jemand ihre alten Kollegen ermordet. Das
Interview präsentieren wir euch im Folgenden in deutscher Übersetzung
(Vorsicht, mögliche Spoiler). Das Interview führte Ian Spelling für SciFiWire.
Übersetzung für fictionBOX: Luna Black
Frage: Seien Sie ehrlich. Glaubten Sie, dass es jemals jemand schaffen würde, einen Watchmen-Film zu machen?
Gibbons: Ich glaubte nicht ernsthaft daran, dass sie es jemals
fertigbringen würden. Das ging schon so lange, dass ich einfach dachte,
das wird nichts mehr, denn sie bekamen das Drehbuch nicht hin und blah,
blah, blah. Aber es ist nichts, was ich je in Aussicht gestellt hätte,
oder gesagt hätte, "Oh, ich wünschte, sie würden einen Film aus
Watchmen machen. Ich wünschte, sie würden es tun." Ich habe es immer so
betrachtet, als hätte ich ein Lotterie-Los. Es kann geschehen, aber
wahrscheinlich wird es nicht geschehen, und selbst wenn es geschieht,
dann könntest du den Jackpot gewinnen, oder auch nur einen Trostpreis.
Deshalb ist die Tatsache, dass es passiert und im ganz großen Stil
kommt, fantastisch.
Frage: Als Sie und Alan Moore das Comic-Buch schrieben, als wie verfilmbar sahen sie da das Material an?
Gibbons: Comics werden oft mit Filmen verglichen, weil sie die visuelle
Sprache in hohem Maße teilen, aber eigentlich ist eine Geschichte in
Comics zu erzählen eine etwas andere Angelegenheit. Was wir versuchen,
ist, alle Tricks von Comics zu verwenden, um unsere Geschichte zu
erzählen. Und es gibt unvermeidlich eine gewisse Vergleichsmöglichkeit
mit dem Film, aber Watchmen war in erster Linie ein Comic und nicht ein
Entwurf für einen Film.
Frage: Als Künstler müssen Sie sehr sensibel sein gegenüber dem
Visuellen eines Films, besonders eines Films, der auf Ihrer eigenen
Arbeit basiert. Schauen Sie manchmal auf die verschiedenen
fehlgeschlagenen Watchmen-Versionen zurück und sagen, „Ich frage mich,
was Terry Gilliam damit gemacht hätte?" Oder ist Snyders Version die
einzige, die zählt?
Gibbons: Nun, ich würde liebend gerne die Terry Gilliam-Version davon
sehen. Um da keine Erwartungshaltungen an Terry Gilliam zu wecken; wir
würden vielleicht immer noch darauf warten. Terry hat ein paar
wunderbare Filme gemacht und fertiggestellt, und es gibt interessante
Spekulationen, was er damit gemacht hätte. Meine Mutter war diejenige,
die mir alle Neuigkeiten aus der Filmwelt weitergab, weil niemand sich
überhaupt mit mir oder Alan in Verbindung setzte. Sie sagte zu mir,
„Oh, David, ich habe in der Zeitung gelesen, dass dieser
Monty-Python-Mann einen Film aus deinem Comic machen will. Das wird
lustig, nicht?" Also weiß ich nicht wirklich, wie es gewesen wäre. Ich
bin sicher, es wäre ganz erstaunlich geworden, aber ich glaube auch,
dass Zack ein großartiger Regisseur dafür ist. Er versteht das Material
so gut und von dem Erfolg von „300" kommend ist er auch in der
Position, den Film so zu machen, wie er will, und keine großen
Kompromisse mit dem Studio eingehen zu müssen. Und ich weiß, dass er in
der Lage war, eine Menge Elemente wieder in den Film hineinzubringen,
die man aus dem Drehbuch herausgenommen hatte. Das ist großartig. Ich
könnte nicht glücklicher sein als ich es mit dem bin, was Zack gemacht
hat.
Frage: Die Macher von „V for Vendetta" haben David Lloyds Kunst für
viele Szenen als Storyboards verwendet. Wie eng reflektiert Watchmen
Ihre Arbeit? Und sollte es das? Ist es umso besser, je mehr es wie das
Quellenmaterial aussieht? Oder ist vielleicht eine gewisse Distanz vom
graphischen Format vorzuziehen?
Gibbons: Zacks Storyboards für diesen Film bestanden aus
Skizzenbüchern, in die ganze Seiten der Graphik-Novelle hineingeklebt
waren und die durchsetzt und durchbrochen von seinen eigenen
Storyboards waren. Somit wird meine Vision sehr stark als Storyboard
verwendet. Und selbst im Trailer gab es zwei oder drei Einstellungen,
die direkte Übertragungen dessen waren, was ich gezeichnet hatte. Ich
denke, das Wichtigste ist, dass Watchmen als Film funktioniert, und
dass es ein guter Film wird. Ich glaube, das ist der Fall, auch wenn
man dazu bestimmte Kompositionen oder Bildfolgen herausnehmen musste.
Das war bei der Art, wie er gemacht wurde, unvermeidlich. Ich nehme es
als Kompliment an mein visuelles Können, dass soviel davon seinen Weg
in den Film gefunden hat. Und es sind nicht nur meine Zeichnungen,
sondern auch John Higgins Farbgebung, die das Aussehen des Comics so
stark definiert hat. Auch das ist in den Film eingegangen, und es ist
sehr schmeichelhaft für uns beide, dass unsere Vision überlebt hat.
Frage: Watchmen zeigt eine große, reichhaltige Gruppe von Charakteren,
deren Hintergrundgeschichte in den meisten Fällen nur angedeutet ist.
Haben Sie und Moore je an ein Watchmen-Prequel gedacht, dass einige
dieser Geschichten weiter ausarbeiten könnte?
Gibbons: Nun, wir haben damals darüber nachgedacht. Wir dachten, wir
könnten eine Serie machen über die Minutemen, im Stil eines 40er Jahre
Comics. Es wäre recht unschuldig und mit aufgerissenen Augen gewesen.
Natürlich wäre die Wendung gewesen, dass wir alle wissen, wie übel es
enden würde.
Aber ich denke eigentlich, dass viele Dinge in Watchmen besser als
Andeutungen denn als voll entfaltete Exposition funktionieren. Es gibt
einen Hinweis, dass Rorschach diesen Typ einen Aufzugschacht
hinunterfallen lassen hat, oder eine Andeutung, dass Dollar Bill starb,
weil sich sein Mantel in einer Drehtür einklemmte. Ich glaube, das kann
wirkungsvoller sein, als jedes Detail davon zu sehen.
Interessanterweise hat Zack in der Eröffnungssequenz etwas ähnliches
gemacht, wo, um die Dollar Bill-Sequenz als Beispiel zu nehmen, er
nicht die ganze Szene zeigt, wie Dollar Bill versucht, die Bankräuber
zu stoppen, in der Tür gefangen wird, und erschossen wird. Wir sehen
vielleicht Dollar Bill, auf dem Boden zusammengesunken, angeschossen,
und der Mantel klemmt in der Tür. Es ist eine Einstellung, die
vielleicht fünf Sekunden lang ist, und das ist alles, was man sehen
muss, um zu wissen, was abläuft. Ich denke, diese Herangehensweise
funktioniert auch im Film sehr gut.
Frage: Typischerweise arbeitet Moore nur einmal mit einem bestimmten
Künstler zusammen. Sie haben mit ihm an mehreren Projekten gearbeitet.
Glauben Sie, dass Sie jemals wieder mit ihm arbeiten werden?
Gibbons: Alan und ich haben an einer ganzen Menge von Kurzgeschichten
gearbeitet, und dann haben wir Watchmen gemacht, und dann eine Ausgabe
von „The Spirit", was eine wunderbare Chance war, als erste Will
Eisners klassische „Spirit"-Geschichten zu interpretieren. Es ist nicht
auf irgendein Zerwürfnis zurückzuführen, dass wir so selten zusammen
gearbeitet haben. Bei einem Autor wie Alan, der recht produktiv ist,
ist es für einen Künstler schwer, Schritt zu halten.
Ich glaube, es macht das, was Alan tut, auch interessanter, wenn er mit
verschiedenen Künstlern arbeitet. Und er ist sehr gut, Geschichten auf
einen bestimmten Künstler maßzuschneidern. Hätte ich „V for Vendetta"
gezeichnet, dann wäre das etwas ganz anderes gewesen als das, was David
Lloyd gezeichnet hat, und umgekehrt, wenn David Watchmen gezeichnet
hätte - nicht nur wegen der Geschichte, sondern wegen der ganzen Art,
wie Alan es verändert hätte.
Ich denke, das ist eine von Alans größten Stärken, dass er mit
verschiedenen Künstlern arbeitet und genau weiß, was sie gut können und
was er damit anfangen kann. Was die Frage, wieder mit ihm zu arbeiten,
betrifft, ich wäre dafür immer offen, ich glaube, auch Alan wäre immer
dafür offen. Er hat sich von den Mainstream-Comics distanziert, aber er
hat ein Buchprojekt, das in ein paar Jahren herauskommen soll, und ich
habe schon zugesagt, dafür ein paar Illustrationen zu machen. Alles
kann passieren. Es ist Comics.