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Der seltsame Fall des Benjamin Button Drucken E-Mail
Magisches Gefühlskino von David Fincher Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 22 Februar 2009
 
Der seltsame Fall des Benjamin Button
(The Curious Case of Benjamin Button, USA 2008)
 
Der seltsame Fall des Benjamin Button
Bewertung:
Studio/Verleih: Warner Bros. Pictures
Regie: David Fincher
Produzenten: Ceán Chaffin, Kathleen Kennedy & Frank Marshall
Drehbuch: Eric Roth, nach der Novelle von F. Scott Fitzgerald
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Claudio Miranda
Schnitt: Kirk Baxter & Angus Wall
Genre: Drama
Kinostart (Deutschland): 29. Januar 2009
Kinostart (USA): 25. Dezember 2008
Laufzeit: 166 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Homepage: klick
Trailer: klick
Kaufen: DVD, Blu Ray, Soundtrack, Novelle
Mit: Brad Pitt, Cate Blanchett, Julia Ormond, Tilda Swinton, Taraji P. Henson, Jason Flemyng u.a.


Kurzinhalt: Genau zum Ende des 1. Weltkriegs wird in New Orleans ein außergewöhnliches Baby geboren: Benjamin Button kommt als Greis zur Welt, und bringt seiner Mutter aufgrund der Strapazen dabei leider den Tod. Sein Vater, am Boden zerstört aufgrund des Todes seiner geliebten Frau, legt das Baby, dass so aussieht als würde es ohnehin in Kürze sterben, vor einem Altersheim ab, wo sich deren Leiterin Queenie des Kleinen annimmt. Doch Benjamin Button stirbt nicht – ganz im Gegenteil. Von Woche zu Woche wird er agiler, lebendiger – und jünger. Schon bald ist klar, dass Benjamin sein Leben in die entgegengesetzte Richtung beschreitet: Statt zu altern, wird er immer jünger. Als noch relativ alter Mann – aber innerlich ein Junge – lernt er das Mädchen Daisy kennen, und zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Freundschaft. Als Benjamin das Altersheim verlässt um seinen eigenen Weg zu gehen, und auf einem Schlepper anheuert, schreibt er ihr eine Postkarte von jedem Ort den er besucht. Doch dann zieht es ihn in den zweiten Weltkrieg, und er kehrt desillusioniert in seine Heimat zurück. Daisy ist mittlerweile zu einer jungen Frau herangewachsen, doch Benjamin ziehrt sich. Zwar hatte er bereits eine Liebesaffäre mit einer älteren Frau, doch diesen Schritt mit Daisy zu gehen, erscheint ihm nicht richtig. Jahre später bereut er es, Daisy zurückgewiesen zu haben, doch diese ist nun ihrerseits mit jemand anderem liiert und geht voll und ganz in ihrer Karriere als Balletttänzerin auf. Es müssen erst noch ein paar Jahre mit einigen Schicksalsschlägen vergehen, ehe sie zueinander finden. Für kurze Zeit genießen sie ihr Glück – doch beiden ist klar, dass dieses nicht von langer Dauer sein kann...

Review: Image"Der seltsame Fall des Benjamin Button" ist episches, magisches Gefühlskino. Er erzählt keine realistische Geschichte, sondern nimmt den Zuschauer auf eine phantastische – und doch auch irgendwie glaubwürdige – Reise durch das Leben dieses immer jünger werdenden Menschen, mit all dessen Höhen und Tiefen, und macht uns damit unsere Vergänglichkeit und den Wert des Lebens aus einer neuen Perspektive bewusst. Inszeniert wurde dieses Stückchen Kinomagie von David Fincher, der bisher eher für düstere Stoffe ("Se7en", "Fight Club", "Zodiac") bekannt war, sich jedoch aufgrund seines Gefühls für eine stilvolle, atmosphärische Inszenierung schon bald als Glücksgriff erweist. Die Geschichte von Benjamin Button überzeugt mit satten Farben, den stimmungsvollen Bildern, einigen cleveren inszenatorischen Kniffen (wie dem teilweise bewusst auf alt getrimmten Filmmaterial) und ruhigen Kamerafahrten - und steht damit im starken Kontrast zur wohl bewusst vergleichsweise trist inszenierten Handlung aus der Fast-Gegenwart im Krankenhaus. Jedenfalls gibt es zahlreiche beeindruckende Bilder und Einstellungen, die mir bestimmt noch eine Weile im Gedächtnis bleiben werden.

Um Scott Fitzgeralds Geschichte, die lange Zeit als unverfilmbar galt (weniger aufgrund der Handlung an sich als aufgrund der technischen Voraussetzungen), auf die Kinoleinwand zu bringen, bediente man sich modernster Tricktechnik. So wurde Brad Pitt's Gesicht in hoher Auflösung eingescannt und digital gealtert. Per Motion Capture wurden seine Gesichtszüge und Bewegungen auf sein älteres alter Ego übertragen und dieses Gesicht dann auf den Kopf eines alten Schauspielers projiziert. Das Ergebnis ist zwar einerseits durchaus beeindruckend, andererseits aber auch nicht immer 100%ig überzeugend. So lange Benjamin Button still sitzt, ist die digitale Welt soweit noch in Ordnung (und selbst in diesen Szenen kann sein digital gealtertes Gesicht die Herkunft aus dem PC nicht völlig verbergen), aber kaum bewegt er sich mal kann es schnell passieren, dass das Gesicht die Bewegungen des Kopfes nicht immer ganz exakt oder/oder flüssig mitmacht und es daher für Sekundenbruchteile nicht genau dort ist wo es eigentlich sein sollte. Völlig überzeugen können hingegen die Make-Up Effekte sowie der digital verjüngte Brad Pitt, bei dem man wirklich glauben könnte, die betreffenden Szenen wären bereits vor 20 Jahren gedreht und seither gelagert worden, um sie nun in diesem Film zu verwenden.

ImageDer oftmals unterschätzte Brad Pitt liefert hier eine überdurchschnittliche Performance ab, wenn ihm allerdings auch die Rolle des Benjamin Button weniger abfordert als man das glauben könnte, insbesondere was große Gefühle betrifft. Ich will seine Leistung nicht schmälern, immerhin ist seine Wandlung vom alten Greis zum jungen Mann sehr glaubwürdig, und hat sicher mehr Talent erfordert als es im fertigen Produkt den Anschein haben mag. Aber es ist halt doch eine subtile und etwas zurückgenommene Performance, mit der er insbesondere neben der kraft- und energievollen Cate Blanchett nahezu verblasst. Letztere ist es dann auch, die den Film in allen Szenen in denen sie zu sehen ist dominiert. Weitere essentielle Leistungen kommen von der hierzulande noch weitgehend unbekannten Taraji P. Henson als Benjamins Ziehmutter (wenn ich ihre Performance auch nicht unbedingt als oscarwürdig einstufen würde), Jason Flemyng als sein reumütiger Vater, sowie Tilda Swinton als verbitterte Ehefrau, die sich in eine Affäre mit diesem geheimnisvollen "alten" Mann stürzt.

"Der seltsame Fall des Benjamin Button" ist voller großartiger und denkwürdiger Momente, und hat deutlich mehr Humor als man das aufgrund der durchaus ernsten Thematik vielleicht erwarten würde. Doch trotz aller positiver Aspekte und toller Szenen verhindern zwei Schwächen für mich, dass ich ihn zu den ganz großen Dramen dieses Jahrzehnts zählen kann. Einerseits sind das die ständigen Schwenks zur Handlung in der "Gegenwart" im Krankenhaus. Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, grundsätzlich gefällt mir die Idee, dass wir diese Geschichte aus Benjamins Tagebuch und damit quasi seinen eigenen Worten erzählt bekommen, sehr gut, und die trostlosen Szenen im Krankenhaus bilden einen großartigen Kontrast zur lebhaften Geschichte über das Leben des Benjamin Button, die uns hier erzählt wird. Nicht zuletzt auch dank eines interessanten Twists, der hier nicht verraten werden soll, wertet diese Handlung den Film ohne jeden Zweifel auf. Nur... meines Erachtens unterbricht man die faszinierende Geschichte von Benjamin Button einfach viel zu oft und teilweise vor allem auch zu abrupt. Da ist man gerade dabei in diese faszinierende, magische Handlung einzutauchen, und schon wird man in die harte Realität zurückgeholt. Zugegeben, dies mag von David Fincher sehr wohl so beabsichtigt gewesen sein, aber meiner Meinung nach hat es den Erzählfluss erheblich gestört, und ich hätte es besser gefunden wenn man diese Szenenwechsel deutlich spärlicher eingesetzt hätte.

ImageDie zweite große Schwäche: Trotz aller großartiger Momente und einiger tragischer Entwicklungen ist es dem "seltsamen Fall des Benjamin Button" nie so recht gelungen, mich zu berühren. Irgendwie fühlte ich mich die ganze Zeit über vom Geschehen seltsam distanziert, wobei es mir schwer fällt zu sagen, ob dies an mir lag oder von Fincher so beabsichtigt war. Auch will ich nicht behaupten, dass mich sämtliche Wendungen gänzlich kalt gelassen hätten, aber... viele diese Momente haben mich nicht einmal ansatzweise so berührt, wie sie das in meinen Augen eigentlich hätten tun sollen. Woran das genau lag, darüber kann ich nur spekulieren. Vielleicht liegt es an der phantastischen Geschichte an sich, die man trotz aller moderner Tricktechnik halt doch nie so recht als real und echt ansehen kann. Oder auch daran, dass man in Brad Pitt halt einfach irgendwie doch immer einen Schauspieler sieht und es ihm nicht wirklich gelingt, hinter der Rolle zu verschwinden. Auch die oben erwähnte Schwäche der ständigen Schauplatzwechsel zum Krankenhaus mögen dafür verantwortlich sein. Und vielleicht ist es auch einfach eine Kombination aus all diesen und noch einigen anderen Dingen. Wie auch immer, es gelang mir leider nicht, in "Der seltsame Fall des Benjamin Button" so richtig einzutauchen, mich in die Figuren hineinzuversetzen und mit ihnen mitzufühlen – was ich insbesondere angesichts der interessanten und durchaus auch tiefgründigen Handlung schon sehr schade finde.

Fazit: Es ist bedauerlich, dass einen die Rahmenhandlung im Krankenhaus viel zu oft aus dieser phantastischen Geschichte reißt, und es keinem der Ereignisse des Films gelungen ist, mich so richtig zu berühren. Davon abgesehen macht David Fincher hier allerdings alles richtig und zeigt, dass sein hochwertiger inszenatorischer Stil nicht nur bei düsteren Thrillern gut aufgehoben ist. Seine kraftvollen Bilder und seine clevere Inszenierung sind eine der größten Stärken des Films; Cate Blanchett's großartige schauspielerische Leistung ist eine weitere, während Brad Pitt eine gute aber sicherlich nicht überragende Performance abliefert. "Der seltsame Fall des Benjamin Button" mag nicht perfekt sein, aber er ist ein magischer Film, ein großes Kinomärchen, dass zum Nachdenken anregt, über die Vergänglichkeit des Lebens und was wir mit der Zeit anfangen wollen die uns gegeben ist. Er besticht mit vielen großartigen, denkwürdigen Momenten und ist insgesamt ein großartiger Film, den man sich als Fan des anspruchsvolleren Kinos nicht entgehen lassen sollte.

Wertung:9 von 10 Punkten


Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros. Pictures)

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