Kurzinhalt:
Unermüdlich geht der Putzroboter Wall-E seiner Aufgabe nach, Schrott zu sammeln und wegzuschaffen – auch wenn die Menschheit der Erde schon längst den Rücken gekehrt hat. Mit dem Mist, den sie zurückgelassen haben, baut er Müllhochhaus nach Müllhochhaus, und sammelt mitunter ein paar Gegenstände ein, die ihm interessant erscheinen. Alles in allem eine sehr trostlose und wenig aufregende Existenz, und auch wenn Wall-E "nur" ein Roboter ist, so zeigt er doch deutliche Anzeichen von Einsamkeit – vor allem wenn er sich Abends einen alten Filmklassiker der Menschen ansieht. All dies ändert sich jedoch schlagartig, als plötzlich die schick designte Roboterlady Eve in sein Leben tritt. Nach anfänglichen Hindernissen – Eve hat die unangenehme Angewohntheit auf alles zu schießen dass sich bewegt – kommen sich die beiden langsam näher. Doch als er ihr auf einmal eine Pflanze zeigt, scheint sie sich auszuschalten. Tag für Tag harrt er aus, in der Hoffnung, seine einzige Freundin auf dem Planeten würde wieder erwachen – da kehrt auf einmal ihr Raumschiff zurück. Um Eve nicht zu verlieren und wieder ganz allein auf der Erde zurückzubleiben, schummelt er sich an Bord – und erlebt das Abenteuer seines Lebens, dass auch das Schicksal der Menschheit – und des Planeten Erde – entscheidend beeinflussen wird.
Review:
Ich möchte dieses Review mit einem Geständnis beginnen: Ich bin nicht der größte Pixar-Fan und konnte die Faszination ihrer Filme des öfteren schon nicht wirklich nachvollziehen. Vor allem die ersten Filme der Konkurrenz von Dreamworks empfand ich als jenen von Pixar deutlich überlegen (man vergleiche nur mal den subversiven "Antz" mit dem kindlich-naiven "Das große Krabbeln") – wobei diese in den letzten Jahren auch schon einige Nieten hingelegt haben ("Große Haie, kleine Fische", "Shrek 3") und daher viel vom früheren Glanz verloren gegangen ist. Pixar wiederum hat ziemlich zur gleichen Zeit aufgedreht und auch mich mit zwei großartigen Filmen ("Findet Nemo" und "Die Unglaublichen") überzeugt. "Ratatouille" empfand ich allerdings dann wieder als ziemliche Enttäuschung. Ich sage das nicht, um über Pixar herzuziehen, sondern um deutlich zu machen, dass ich trotz all der Lobeshymnen die "Wall-E" voraus gingen einfach nicht so recht wusste was ich von ihm erwarten soll. Zu oft konnte ich einfach mit einem in den Animationsolymp gehypten Pixar-Film nicht so recht etwas anfangen.
Nun, "Wall-E" konnte zwar auch mir recht gut gefallen, an den modernen Klassiker "Findet Nemo" kommt er allerdings meines Erachtens nicht ganz heran. Was man ihm auf jeden Fall zu Gute halten muss, ist der originelle und mutige Ansatz, den ganzen Film auf eine fast stumme (vom gelegentlichen "Eve"-Ausruf mal abgesehen) Figur aufzubauen – und damit den CGI-Künstlern die schwere Last auf die Schultern zu legen, einem Roboter Leben einzuhauchen und ihn Emotionen zeigen zu lassen, und dadurch auch beim Zuschauer Gefühle zu wecken. Tatsächlich ist Wall-E eine unheimlich sympathische Figur, die einem sehr schnell als Herz wächst – was möglicherweise die größte Errungenschaft und Stärke des Films darstellt, und wofür sich alle Beteiligten großes Lob verdient haben. Optisch eine Mischung aus E.T. und Nummer 5, lässt er mit seiner Mimik und Gestik so manchen Hollywood-Schauspieler alt aussehen. Ein herziges kleines Kerlchen, dessen Einsamkeit man schon bald nachfühlen kann – um so mehr freut man sich für und mit ihm über die Ankunft von Eve (warum man ihren Namen unbedingt auf Eva eindeutschen musste, ist mir übrigens ein Rätsel... aus Wall-E wurde ja auch nicht plötzlich MSLH-E; hätte sich allerdings zugegebenermaßen auch ziemlich dämlich angehört).
Wall-E verhält sich unheimlich menschlich: Er ist einsam, er sehnt sich nach Liebe, er schlottert vor Angst; teilweise agiert er sogar menschlicher als die Menschen auf ihrem Luxus-Kreuzfahrtschiff. Und das Ende hat zumindest für mich angedeutet, dass Wall-E vielleicht doch aus mehr als einfach nur Schaltkreisen besteht, und eventuell sogar eine Seele besitzt. Eve (sorry, ich boykottiere die völlig überflüssige deutsche Übelsetzung jetzt einfach mal) ist neben Wall-E die zweite Hauptfigur des Films. Mit ihrem schicken modernen Apple-Design (es hätte sicherlich niemanden verwundet wenn ihre Bezeichnung I-Bot gewesen wäre) stellt sie einen deutlich Kontrast zum bulkigen, im direkten Vergleich unheimlich veraltet wirkenden Wall-E dar. Sie ist vielleicht nicht ganz so herzig wie Wall-E, aufgrund ihres Temperaments und ihrer Launen ist sie aber sogar fast die interessantere Figur – bei ihr weiß man einfach nie so recht, was als nächstes kommt. Die restlichen Figuren dienen eigentlich nur dazu, die Handlung voranzutreiben, und werden kaum näher beleuchtet – wenn ich auch den kleinen Putzroboter – nun – putzig fand und der Hauptcomputer eine herrliche Hommage an HAL aus "2001" und "2010" darstellt.
Die ersten 30 Minuten sind meines Erachtens das Herzstück des Films. Wall-E, wie er – von seinem Schabenfreund mal abgesehen – alleine über die Erde wandelt und unermüdlich Müllhochhaus nach Müllhochhaus zusammenstellt, ist wunderbar mit anzusehen. Besonders gelungen ist hier die immer wieder eingestreute Komik, seien es nun Slapstick-Einlagen oder Wall-E's Ratlosigkeit bezüglich der Überreste der menschlichen Zivilisation – seien es BH's oder ein Verlobungsring. Dann erscheint plötzlich Eve in seinem Leben, und nach anfänglichen... nun, nennen wir es mal Kommunikationsschwierigkeiten (wobei ich mich schon frage, ob es sinnvoll ist, wenn Eve, auf der Suche nach Leben auf der Erde, alles über den Haufen schießt was sich bewegt) entwickelt sich zwischen den beiden langsam eine zarte Bande. Es ist rührend zu sehen, wie sich Wall-E um Eve kümmert nachdem sie sich – um ihre wertvolle Fracht zu bewahren – in den Standby-Modus geschaltet hat. Und als sie schließlich abgeholt wird, tut er alles, um ebenfalls an Bord zu gelangen, um nicht alleine auf der Erde zurückzubleiben.
Daraufhin entbrennt nach dem eher minimalistischen Stil auf der Erde auf einmal ein optisches und handlungstechnisches Feuerwerk, dass die schöne aufs wesentliche reduzierte Genialität der ersten 30-45 Minuten leider ein wenig vermissen lässt. Zwar gibt es auch auf dem Schiff immer noch einige großartige Momente und Szenen (allen voran den wohl besten Moment des Films: Der Tanz durch die Sterne), aber vor allem die hier vorgestellte Zukunftsvision war mir in ihrer Gesellschaftskritik irgendwie zu plump. Ich bin zwar durchaus Zyniker, aber dass sich die Menschheit in so eine Richtung entwickelt, jeglichem Körperkult entsagen und auch auf körperlichen Kontakt verzichten wird – sorry, das kann ich nicht wirklich glauben. Die Message, die darin steckt, kann mir ja durchaus gefallen – wie wir immer fauler werden und die Maschinen die Arbeit für uns erledigen lassen – aber irgendwie ist mir das Ganze dann doch zu überzeichnet und flach. Zudem war mir der Showdown für diesen sonst so außergewöhnlichen und originellen Film viel zu typisch. Hier wäre es mir deutlich lieber gewesen, man hätte auf einen Bösewicht verzichtet.
Über jeden Zweifel erhaben ist allerdings die grandiose Optik von "Wall-E". Ich nenne seit kurzem einen Blu-Ray-Player mein eigen, und auch wenn ich aufgrund der recht hohen Preise der Discs noch etwas zögerlich mit den Filmkauf bin, freue ich mich schon sehr auf den Release von "Wall-E" – denn das ist wirklich ein Film, wo sich die hohe Auflösung bezahlt machen wird. Die Bilder auf der Erde überzeugen mit ihrer Trostlosigkeit, die herrlich Wall-E's "Gefühlswelt" wiederspiegelt. Demgegenüber wirkt das Weltall fast farbenfroh und wie eine Erleichterung. Der bereits angesprochene Tanz durchs All ist – nicht nur optisch – eine der schönsten Szenen die ich dieses Jahr gesehen habe. Die Animationen sind absolut perfekt, die Farbgebung großartig und die hier von Pixar gezauberten Bilder mitunter wirklich atemberaubend. Auch der Soundtrack von David Newman ist wieder einmal sehr gelungen, was gerade bei einem Film wie "Wall-E", der kaum Dialoge bietet und daher um so mehr auf die Bilder und die Musik angewiesen ist, ungemein wichtig war. Der wahre Star des Films ist aber Andrew Stantons stilvolle Inszenierung, die vor Klasse und Größe nur so strotzt, und "Wall-E" trotz der Schwächen zu einem "instant classic" (wie man auf englisch so schön sagt) des Animationsfilms macht.
Abschließend sei mir noch folgender Hinweis gestattet: Das man sich in der Werbekampagne für diesen Film auf Kinder konzentriert hat, bloß weil es sich um einen Animationsfilm handelt, halte ich für völlig falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Kids den Film langweilig finden werden – zumal sie vieles daran auch nicht verstehen werden können und sich der Humor trotz einiger witziger Szenen doch sehr in Grenzen hält. "Wall-E" ist in erster Linie ein Science Fiction-Film – und auch wenn er animiert ist nicht in erster Linie für Kinder gedacht. Sicherlich ist "Wall-E" süß und putzig, und wird so einige Kinderherzen zum Strahlen bringen, und ich hege auch die Hoffnung, dass angesichts der phantasielosen Nachmittagsunterhaltung, die heutzutage die TV-Schirme dominiert, "Wall-E" den Platz einnehmen kann, den früher "Star Trek" und andere SF-Serien inne hatten, und für einige Kinder die erste Auseinandersetzung mit dem Science Fiction-Genre darstellen und sie hoffentlich darauf neugierig machen wird. Mein Kinobesuch mit einigen gelangweilten Kindern hat mir aber auch gezeigt, dass es einige geben wird, bei denen Wall-E genau das Gegenteil erreichen wird. Insgesamt ist Wall-E wohl jedenfalls der erste Pixar-Film, der sich NICHT in erster Linie an Kinder richtet – auch wenn der Verleih das partout nicht wahrhaben wollte...
Fazit:
Zuallererst muss man Pixar für den Mut applaudieren, den sie mit "Wall-E" bewiesen haben. Er ist sicherlich ein sehr ungewöhnlicher Animationsfilm, der sich fast ausschließlich auf die Kraft seiner Bilder und der Musik verlässt, sich nicht unbedingt in erster Linie an Kinder richtet, mit einigen Genrekonventionen bricht und zu allem Überfluss einen waschechter SF-Film in bester Tradition dieses noch nie sonderlich massentauglichen Genres darstellt. Dass es trotz zahlreicher grandioser Szenen, dem wohl liebenswertesten (und menschlichsten) Roboter aller Zeiten und der grandiosen Optik nicht für mehr Wertungspunkte reicht, liegt an der etwas plumpen Gesellschaftskritik und dem unnötigen Bösewicht-Plot an Bord der Axiom. Davon abgesehen ist "Wall-E" eine grandiose cinematographische Leistung mit unheimlich viel Herz, beeindruckenden Bildern und einer der süßesten und zugleich ungewöhnlichsten Liebesgeschichte seit es Filme gibt...