Erwachsenwerden mit Star TrekKategorie: Kolumnen - Autor: Björn Flügel - Datum: Dienstag, 30 September 2008
Stellt man mir die Frage, wer oder was mich in meiner Jugend am stärksten beeinflusst hat, so fällt mir nur eines ein: "Star Trek".
Begeben wir uns zurück in die frühen 1990er Jahre. Gerade an der Schwelle zum Teenager-Alter, nach Idolen suchend, vermutlich in einer Phase der Selbstfindung, kam mir der traditionelle ZDF-Seriennachmittag gerade recht. Montag bis Donnerstag, 15.03 Uhr war es soweit: "Der Weltraum - Unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Dies sind die Abenteuer des neuen Raumschiffs Enterprise..." Während ich die ersten Folgen nur mit geringfügiger Aufmerksamkeit verfolgte, entwickelte ich nach und nach doch eine gewisse Leidenschaft für die Abenteuer dieses neuen Raumschiffs Enterprise. (Was es mit dem "neu" auf sich hatte, war mir bis dahin noch gar nicht bekannt.) Oh ja, das war wieder eine Serie, bei der ich ungeduldig der nächsten Folge entgegenfieberte, die ich rezitierte, deren Schauplätze ich mit den bescheidenen Mitteln, welche ein Kinderzimmer nun mal so bietet, nachzustellen versuchte. Ein solches Verhalten hatte ich an mir bis dato lediglich bei "Knight Rider", immerhin knapp 5 Jahre zuvor, beobachtet. Als ich mit unserer Mikrowelle eines Tages "Nahrungsreplikator" gespielt hatte, begriff ich, was ich geworden war: Ein beinharter Star-Trek-Fan.
Mittlerweile hatte sich mein einstiges Kinderzimmer längst in die Kommandobrücke eines fiktiven Sternenflottenraumschiffs verwandelt, meine Eltern sprach ich nur noch mit "Captain" und "Commander" an, und die Autogarage war sowieso ein Raumdock. Unser Pudelmischling war eine fremdartige Spezies, die es zu erforschen galt, und mein Schlafanzug war meine Uniform.
Es mag 1992 oder 1993 gewesen sein, als SAT.1 mit den Wiederholungen des originalen "Raumschiff Enterprise" begann und ich erst realisierte, dass es sich bei Captain Picard um den Nachfolger dieses tollkühnen Captain Kirks handelte. Meinem Fan-Sein tat dies keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, denn das bedeutete für mich noch mehr faszinierende Weltraumabenteuer. (Erinnert sich noch jemand an die fanfeindliche Programmpolitik des ZDF bzw. von SAT.1? Zeitweise liefen beide Serien parallel zueinander: 15.00 Uhr, Captain Kirk auf SAT.1 und 15.03 Uhr, Captain Picard im ZDF!). Schnell hatte ich Kirk, Spock und Co. liebgewonnen. Im "Star Trek"-Universum fühlte ich mich zu Hause, so müsse die Zukunft sein. Wie jeder Junge wollte auch ich Astronaut werden - Aber nicht auf so einer "altertümlichen" Rakete, auf der es nicht einmal eine künstliche Schwerkraft gab, sondern auf einem voll ausgestatten Raumschiff der Sternenflotte, am liebsten der Enterprise.
Allmählich sammelten sich immer mehr und mehr Zeitungsausschnitte zum Thema "Star Trek" an, doch mein Fanherz begehrte noch mehr. So nutzte ich die Gelegenheit, als Zeitungsbote und Rasenmähermann in der Nachbarschaft mein Taschengeld aufzubessern, um dieses wiederum in Fanartikel zu investieren. Das erste Produkt, das ich erwarb (und gleichzeitig meine erste CD überhaupt), war der CD-Sampler "The Best of Star Trek". Es folgten weitere Soundtracks, Hörspiele, Comics, Sekundärliteratur, Romane, Modelle, Abzeichen usw. Mittlerweile liefen TOS und TNG als Endlosschleife auf SAT.1 und als das 20. Jahrhundert auch endlich bei uns (in Form eines Videorekorders) Einzug hielt, zeichnete ich selbstverständlich alle Episoden auf. Pro Kassette 4 Episoden, und so umfasste meine Sammlung nach Vollendung stattliche 64 Kassetten.
Ich erinnere mich noch gut an unseren Ostseeurlaub anno 1994. SAT.1 strahlte (bemerkenswerterweise nahezu zeitgleich wie in den USA) die letzte Staffel von TNG aus, werktäglich um 15.00 Uhr. Im Urlaubsdomizil angekommen, schnell den Fernseher angeschlossen, automatischen Sendersuchlauf aktiviert. Aha, auch in Dänemark gab es öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme. ARD, ZDF, NDR, RTL... Ein Fernsehgenuss. Auf welcher Frequenz sendete nochmal SAT.1? Nachdem der Sendersuchlauf auch nach mehrfachem Versuch kein SAT.1 aufzuspüren vermochte, war ich fest entschlossen, den Urlaub umgehend abzubrechen. Denn was wäre das für ein Urlaub, wenn die letzten Abenteuer der Enterprise-D gezeigt werden, während ich am Stand liege und stattdessen Segelbooten zuschaue? Nun, glücklicherweise gelang es meinen Eltern, in einem Krisentelefonat einen guten Bekannten zum Aufzeichnen der letzten Episoden zu veranlassen. Nach 2 Wochen Strandidylle kehrten wir in die Heimat zurück, hurtig die Videokassetten von besagtem Bekannten besorgt, und am Stück genoss ich die letzten 9 TNG-Episoden.
"Star Trek" war längst keine herkömmliche Fernsehserie mehr für mich. Es war gewissermaßen meine Philosophie, wobei ich mich nie festlegen konnte, ob ich mir nun Picard oder Spock zum Vorbild nehmen sollte. Picard beeindruckte mich durch sein diplomatisches Geschick, seinen respektvollen Umgang mit dem Unbekannten und seinem Verständnis von Kultur. Spock hingegen war mit seinem Intellekt eine Inspiration. Wissenschaft war eben doch nicht stinklangweilig, sondern eine ideale Gelegenheit, sich zu weiterzuentwickeln und seinen eigenen Horizont zu erweitern. Ich denke, ich fand irgendwann zu einem Kompromiss. Eben in jener Zeit, in der ein Teenager seinem Idol nacheifert...
"Star Trek" inspirierte mich. Ich setzte mich mit Fragestellungen auseinander, die nicht alltäglich waren. Ich wurde reifer. Ich setzte Prioritäten. Und vor allem förderte es mich. Ich brauchte "Star Trek" zum Erwachsenwerden.
Die nachfolgenden Produktionen ("Deep Space Nine", "Voyager" und "Enterprise") übten niemals eine dermaßene Faszination auf mich aus. Zwar verfolgte ich die Geschehnisse mit einem gewissen Interesse, doch die Inspiration fehlte mir. Während ich erwachsen geworden war, trat "Star Trek" auf der Stelle. Doch mit "Star Trek XI" kehrt nun ein Stück meiner Jugend zurück. Ich denke, diesem Anspruch muss das neueste Produkt aus der "Star Trek"-Schmiede unbedingt gerecht werden. Nicht nur eine Rückkehr zu den Wurzeln, sondern auch eine Weiterentwicklung, ebenso erwachsen wie die einstigen Fans.
Björn Flügel
Dieser Artikel gehört zum 4. Teil unseres "Star Trek XI"-Countdown: >> Zum Countdown
vielen Dank für Deinen Kommentar. Freut mich, dass Dich mein Artikel angesprochen hat :-) Ich schätze, Du hast den damaligen Hype ähnlich erlebt und kennst die oft amüsanten Blüten des Fan-Seins...
Oh ja... da werden Erinnerungen wach, wenn ich das hier so lese... TNG war auch die Serie aus dem Star Trek-Bereich, mit der ich "groß" geworden bin...