Auf den Spuren eines uralten Vampir-MythosKategorie: Sonstige - Autor: Björn Flügel - Datum: Mittwoch, 29 Oktober 2008
Dass der Begriff "Nosferatu" grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Vampirmythos verwendet wird, geht auf die Schriftstellerin Emily Gerard zurück, die in ihrem 1888 erschienen Buch "The Land beyond the Forest. Facts and Fancies from Transilvania" den Begriff Nosferatu mit "Untoter" übersetzte. Bereits 1885 hatte sie in einem Magazin über den Volksglauben der Bewohner Siebenbürgens berichtet. Dieser Artikel inspirierte Bram Stoker für seinen Roman "Dracula". 1922 verfilmte Friedrich Wilhelm Murnau den Stoff unter dem Titel "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" mit Max Schreck in der Hauptrolle. Somit wurde der Begriff Nosferatu als Vampirtypus populär. Dabei hat er tatsächlich mit der rumänischen Volksmythologie gar nichts zu tun, nicht einmal das Wort entstammt dem Rumänischen.
Die Erschaffung eines Untoten
Emily Gerard, die vorwiegend Reiseberichte publizierte, hatte kaum rumänische Sprachkenntnisse. Als sie Land und Leute in Siebenbürgen, auch als Transsilvanien bekannt, besuchte, um einen abenteuerlichen Bestseller über das 'unzivilisierte Land hinter dem Wald" zu schreiben, wurde sie von einem Dolmetscher begleitet. Derjenige hat die Angaben der Einwohner zu ihrem Volksglauben wahrscheinlich nicht wortgetreu übersetzt. Es ist anzunehmen, dass Gerard sich bei ihren Erkundigungen an die griechisch-orthodoxen Geistlichen Rumäniens wandte, die von einem dämonischen Wesen berichteten, dessen Bezeichnung sie als "Nosferatu" missverstand. Tatsächlich aber dürfte die Rede von einem "Nesufurato" gewesen sein, der wiederum auf den Dämon "Nosophoros", den Pestbringer aus der griechichen Volksmythologie zurückgeht. Also gelangte der Glaube an diesen Unheilstifter über die Religion nach Rumänien.
Die Autorin brachte diese Figur fälschlicherweise mit dem Vampirmythos in Verbindung und verstand ihn als einen speziellen Typus. Sie nahm an, das der Wortbestandteil "no-" lateinischen Ursprungs sein müsse, weshalb sie Nosferatu mit "Un-Toter" übersetzte. Die Fragmente, die sie gesammelt hatte, verschmolz sie zu einem Vampirbild, das den rumänischen Glaubensvorstellungen kaum noch entsprach. Der originäre Nosferatu hat nur eine Eigenschaft mit dem Vampir gemeinsam, nämlich die Verbreitung von Seuchen. Dieser Irrtum kam Gerard nicht ungelegen, denn vom europäischen Standpunkt aus gesehen galt Rumänien als zivilisationsfern, und demnach erwartete die Leserschaft von Reiseberichten über diese entlegenen Gegenden die Schilderung skurriler und bizarrer Sitten und Glaubensvorstellungen.
Die kahlköpfig-bucklige Symphonie des Grauens
Wie eingangs erwähnt, geht die Popularität des Nosferatu auf den 1922 von Friedrich Wilhelm Murnau gedrehten Film "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" zurück. 1979 folgte eine Neuverfilmung mit Klaus Kinski und im Jahr 2000 mit "Shadow of the Vampire" eine Hommage an Murnau´s Stummfilm. Außerdem wird die Figur des Nosferatu immer wieder in verschiedenen Kunstformen aufgegriffen, beispielsweise als Titel eines Romans der "Shadow Run"-Reihe.
Die Eigenschaften, die dem Nosferatu bekanntermaßen zugeschrieben werden, basieren größtenteils auf der Phantasie europäischer und amerikanischer Autoren, die die Figur später immer wieder aufgriffen. Mittlerweile ist der Nosferatu aus der Rollenspielszene, die ihm zum Teil aberwitzige Eigenschaften zuschreibt, kaum noch wegzudenken, wobei ein Zusammenhang mit volkskundlichen Vorbildern kaum bzw. nicht erkennbar ist. So heißt es zum Beispiel bei Vampyrbibliothek.de: "Der Nosferatu unterscheidet sich auch äußerlich in vielen Dingen vom 'normalen' Vampir. Im Gegensatz zum Vampir, der elegant gekleidet und sprachlich eloquent ist, geht der Nosferatu in Lumpen gekleidet, ist kahlköpfig, bucklig, hässlich und kann kaum sprechen. Auffällig ist auch, dass er als 'Beißzähne' nicht vergrößerte Eckzähne besitzt, sondern angespitzte Schneidezähne oben und unten (nagetierartig). Dementsprechend ist sein Symboltier nicht der Wolf, sondern die Ratte, was sich mit seiner Eigenschaft als Bringer der Pest verbindet."