Das tragische Ende eines ClownsKategorie: Sonstige - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 21 August 2008
Es war der 22. Januar 2008. Nach einem kurzen Besuch im Forum war ich gerade dabei, den Computer abzudrehen, als ich meinen gewohnten letzten Blick auf die Newsseite www.orf.at warf - und nicht glauben konnte, was dort zu lesen war: "Schauspieler Heath Ledger tot aufgefunden". Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich die Meldung registriert hatte - und noch ein paar um zu erkennen, dass es sich dabei nicht um einen Scherz oder gar einen makaberen Marketing-Gag zu "The Dark Knight" handelt, sondern um die schlichte Wahrheit: Einer der vielversprechendsten Nachwuchsschauspieler Hollywoods war viel zu früh aus dem Leben gerissen worden.
Filmfan zu sein ist manchmal schon eine komische Sache. Natürlich kannte ich Heath Ledger nicht persönlich - trotzdem war diese Nachricht ein großer Schock für mich, der mich härter getroffen hat, als ich das erwartet hätte - und als er das eigentlich sollte. Einer der Hauptgründe dafür war wohl, wie unvorhergesehen sie mich traf. Bei älteren Schauspielern muss man ja leider wohl oder übel damit rechnen, dass sie aus dem Leben scheiden und wir uns für immer von ihnen verabschieden müssen, aber Heath Ledger war gerade mal 28 Jahre alt - genau so alt wie ich jetzt bin.
Was seinen Tod besonders tragisch macht, ist dass er erst in den letzten Jahren begann, sein Potential als Schauspieler zu entdecken und ansatzweise auch auszuschöpfen. Er stand am Beginn einer glänzenden Karriere, und war für mich von den aufstrebenden Hollywoodstars mit Abstand einer der Vielversprechendsten. Doch all die Rollen, die für ihn noch in der Zukunft lagen und mit denen er sich als Schauspieler kontinuierlich weiterentwickelt hätte, müssen nun von einer anderen Person übernommen werden. Mit seinem plötzlichen und überraschenden Tod wurden uns jedenfalls noch viele großartige schauspielerische Leistungen von ihm genommen. Angesichts seines jungen Alters ist erstaunlich, wie viele denkwürdige Figuren er trotzdem schon gespielt hat. Grund genug, seine Karriere kurz Revue passieren zu lassen.
Nachdem der am 4. April 1979 in Perth geborene Australier sich durch Auftritte in Fernsehshows und Filmen in seinem Heimatland einen Namen machte, wagte er 1999 den Sprung nach Hollywood. Seine erste amerikanische Filmrolle war der junge, charmante Rebell Patrick Verona aus "10 Dinge die ich an dir hasse". Der Film war einer der erfolgreicheren romantischen Komödien, und machte weitere Produzenten auf sich aufmerksam. Nach einer Nebenrolle in "Der Patriot" an der Seite von Mel Gibson slandete er 2001 seine erste Hauptrolle: Im originellen Blockbuster "Ritter aus Leidenschaft" verzauberte er als junger Knappe, der nach dem Tod seines Ritters einfach dessen Rolle übernimmt, nicht nur die weiblichen Zuschauer mit seiner Spielfreude, seiner Energie und seinem Charme.
Nach einer Nebenrolle im gefeierten Drama "Monster's Ball" übernahm er im Historienepos "Die vier Federn" erneut eine Hauptrolle - und erntete das erste Mal auch von Kritikern und Presse Lob für seine schauspielerische Leistung. Trotz seiner Erfolge in Hollywood nahm er sich auch immer wieder die Zeit, um in seine Heimat zurückzukehren und auch in kleineren, weniger kommerziellen Filmproduktionen mitzuspielen. So übernahm er in der Biographie "Ned Kelly" - einer britisch-französisch-australischen Koproduktion - die Titelrolle und portraitierte diesen in Australien berühmten Banditen gleichen Namens. Danach tat er sich erneut mit "Ritter aus Leidenschaft"-Regisseur Brian Helgeland zusammen und übernahm die Hauptrolle im Horrorthriller "Sin Eater" - eine Rolle, die ihn erneut mit seinen "Ritter"-Co-Stars Shannyn Sossamon und Mark Addy zusammenführte.
Nach einer weiteren Nebenrolle in einem eher kleinen Film ("Dogtown Boys") kehrte er für Terry Gilliam ins Blockbusterfach zurück, und spielte an der Seite von Matt Damon im eigenwilligen Fantasy-Film "Die Gebrüder Grimm". Nach dieser schauspielerisch wohl wenig anspruchsvollen Rolle suchte er wieder nach etwas künstlerisch wertvollerem - und landete mit dem schwulen, verschlossenen Cowboy Ennis Del Mar in Ang Lee's "Brokeback Mountain" einen Glückstreffer. Nicht nur, dass dies einer der ersten Rollen war, in der es ihm gelang, sein schauspielerisches Talent so richtig unter Beweis zu stellen, wurde er auch von der Academy mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Mit dieser Rolle gelant es ihm endgültig, aus der Masse der Nachwuchsschauspieler hervorzustechen und sowohl bei den Kritikern, innerhalb der Branche als auch bei den Filmfans einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Insofern könnte man seine nächste Rolle, nämlich die des Herzensbrechers Casanova in der gleichnamigen romantischen Komödie, wieder als Rückschritt betrachten. Zugleich ist sie aber auch Zeugnis, dass sich Heath Ledger Zeit seines Lebens bei seiner Rollenwahl um Ausgewogenheit und Abwechslung bemüht hat. Nur wenigen ist es in den letzten Jahren wohl so gut gelungen, konsequent zwischen eher seichten Stoffen und dramatischeren Rollen zu wechseln. Getreu diesem Motto folgten auf "Casanova" auch dementsprechend wieder anspruchsvollere Rollen in künstlerisch wertvolleren Produktionen. In "Candy" spielte er einen verkorksten drogensüchtigen Poeten, in "I'm not there" schlüpfte er schließlich so wie zahlreiche andere Hollywood-Stars in die Haut von Bob Dylan. Danach übernahm er schließlich jene Rolle, für die er wohl ewig in Erinnerung bleiben wird: Die des Jokers in "The Dark Knight". Bereits im Trailer ist seine eindringliche Performance unheimlich beeindruckend - mir läuft jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken.
"The Dark Knight" wird der letzte Film sein, in dem Ledger in einer größeren Rolle zu sehen sein wird. Er verstarb während der Dreharbeiten an Terry Gilliams neuestem Film "The Imaginarium of Doctor Parnassus", dank eines originellen Tricks des Regisseurs wird es jedoch möglich sein, zumindest einen Teil seiner Performance dort zu bewahren. Im Film gibt es nämlich Zauberspiegel, mit deren Hilfe Ledgers Figur durch verschiedene Welten reist. Nach Ledgers Tod wird seine Figur nun in einigen dieser Welten von einem anderen Schauspieler übernommen. Dabei schlüpfen so bekannte Schauspieler wie Colin Farrell, Jude Law und Johnny Depp in seine Rolle, und zollen auf diese Art und Weise einem großen Talent Tribut.
Angesichts seiner zahlreichen großartigen Leistungen bleibt zu hoffen, dass Ledger nicht nur als Joker aus "The Dark Knight" in Erinnerung bleiben wird - denn damit würde man ihm nicht gerecht werden. Heath Ledger hat sich nie vor einer Herausforderung gescheut, und wenn man sich seine Rollenwahl ansieht, wird deutlich, dass es ihm vor allem wichtig war, viele verschiedene Figuren spielen zu können. Im Gegensatz zu anderen Schauspielern, die egal wie ihre Rolle heißt immer den selben Charakter spielen, war er stets auf der Suche nach etwas Neuem. Dabei beeindruckte er vor allem mit seiner Energie, seiner Spielfreude und seinem Einsatz. In seiner Filmographie findet sich keine einzige Rolle, keine darstellerische Leistung, die auch nur annähernd halbherzig wirken würde. Selbst in jenen Filmen, die er ganz offensichtlich wegen des Geldes - und nicht des künstlerischen Anspruchs - übernommen hat, gab er immer 100%. Es gibt nicht viele Schauspieler, über die man das behaupten kann.
Niemand von uns kannte Heath Ledger persönlich - aber wir kannten seine Figuren. Dass vielen sein Tod so nahe ging ist ein beeindruckendes Zeugnis darüber, wie sehr er mit seinem schauspielerischen Können diesen Figuren Leben eingehaucht und für sie Sympathie geweckt hat. In der Trauer über seinen Tod und den damit einhergenden großen Verlust für die Filmwelt ist zumindest die Tatsache ein kleiner Trost, dass es ihm bereits mit jungen Jahren vergönnt war, einige bemerkenswerte Rollen zu spielen, die ihn für Filmfans unvergesslich machen werden. Und dass uns niemand mehr sein bisheriges Schaffen nehmen kann und wir uns immer wieder daran erfreuen können. Wir können Patrick dabei beobachten, wie er das Herz einer jungen, widerspenstigen Dame erobert. Wir können William Thatcher dabei begleiten, wenn er auszieht, um seine Sterne neu zu ordnen. Wir können gemeinsam mit Harry Feversham den Kriegsdienst verweigern und mit ihm die Konsequenzen erdulden. Wir können uns mit Jacob Grimm in ein Märchen für Erwachsene begeben. Wir können mit Ennis Del Mar mitfühlen, wenn er verzweifelt versucht, mit seiner Liebe zu einem anderen Mann fertig zu werden. Wir können Casanova auf seiner Jagd von einer Schürze zur nächsten begleiten, den tiefen Fall eines drogenabhängigen Dichters mitverfolgen, oder uns an einer originellen Interpretation von Bob Dylan erfreuen. Und wir können dem Joker dabei zusehen, wie er Gotham terrorisiert, und uns dabei einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
Heath Ledger mag am 22. Januar 2008 auf tragische Art und Weise verstorben sein, doch die von ihm geschaffenen Figuren werden weiterleben. Denn eines haben diese auf Zelluloid gebannten Phantasiegebilde jenen Schauspielern die sie verkörpern voraus: Sie sind unsterblich...