Mit: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Ray Winstone, Alec Baldwin, Vera Farmiga u.a.
Anmerkung:
Dieses Review wurde kurz nach dem Kinorelease im Winter 2006, also ein paar Wochen vor der Oscarverleihung, verfasst.
Kurzinhalt:
Nach seinem erfolgreichen Abschluss an der Polizeiakademie und einem raschen Aufstieg innerhalb der Polizei Colin Sullivan in eine Sondereinheit der Polizei versetzt, die sich auf die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Boston konzentriert. Ihr Hauptziel ist der Mafiaboss Frank Costello, der die Unterwelt der Stadt nun schon seit Jahrzehnten kontrolliert. Zugleich wird ein anderer Polizist für eine ähnliche Aufgabe rekrutiert: Der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Billy Costigan soll sich undercover in Costello's Organisation einschleichen, um der Polizei Insiderinformationen aus erster Hand zu liefern. Ein gefährlicher Auftrag, der dadurch zusätzliche Brisanz erhält, dass Colin Sullivan wiederum ein Spitzel Costello's ist. Als die beiden vom jeweiligen Verräter in den eigenen Reihen erfahren, beginnt ein gefährliches Katz- und Mausspiel um Leben und Tod...
Review:
"Infernal Affairs" gehört wohl zu den bekanntesten und beliebtesten koreanischen Filmen, der selbst von vielen Skeptikern des asiatischen Kinos - so auch von mir - als sehr guter Thriller geschätzt wird. Dementsprechend skeptisch wurde die Nachricht aufgenommen, dass Martin Scorsese ein Remake des Stoffes drehen würde - fragten sich doch einige, was man denn an "Infernal Affairs" noch besser machen könnte. Nun, mir persönlich sind zu dieser Frage schon einige Aspekte eingefallen, in denen ich Potential sah, und zu meiner Freude wurden diese von Scorsese auch aufgegriffen und genutzt. Denn das Einzige, dass man dem großartigen koreanischen Thriller vorwerfen könnte ist die fehlende Einleitung und die mangelnde Konzentration auf die Figuren.
Genau an diesem Punkt setzt Scorsese's Remake an. Während man beim koreanischen Original relativ unvorbereitet in die Handlung geworfen wurde, stellt Scorsese die Figuren erst mal ausgiebig vor - und konzentriert sich dabei vor allem auf Gangsterboss Costello und seinen Schützling Sullivan. Wir erfahren, wie sie sich kennen gelernt haben, und lernen Costello sodann aus rücksichtslosen und brutalen Mafiaboss kennen, der bei seinen Feinden keine Gnade kennt. Eben dies macht die späteren Szenen, als sich Billy Costigan in seine Organisation einschleicht gleich deutlich spannender und interessanter. Apropos Costigan: auch auf ihn wird natürlich nicht vergessen, wenn man auch seine Vorgeschichte erst ein wenig später (beim Anwerbungsgespräch für die Undercover-Mission) näher beleuchtet. Jedenfalls ist dies ein wesentlicher Aspekt, in dem "Departed - Unter Feinden" der koreanischen Vorlage haushoch überlegen ist.
Neben diesen drei Hauptcharakteren gibt es noch eine Fülle an Nebenfiguren, die dem Film zusätzliches Leben einhauchen: Der aufrechte Leiter der Sonderkommission, dargestellt von Martin Sheen, der ewig fluchende und schimpfende Dignam, oder auch Ellerby, der die Jagd auf Costello im Polizeirevier leitet - sie alle tragen ihren Teil dazu bei um die Handlung noch spannender und interessanter zu machen, und werden von ihren jeweiligen Schauspielern perfekt verkörpert. Dies gilt natürlich auch für die Hauptfiguren. Während Matt Damon - wohl vor allem aufgrund seiner Rolle - weniger beeindrucken kann, überrascht vor allem Leonardo diCaprio in der wohl ersten Rolle seines Lebens, in der er es geschafft hat sein Milchbubi-Image erfolgreich hinter sich zu lassen und einen harten (erwachsenen!) Kerl glaubwürdig darzustellen.
Das absolute schauspielerische Highlight des Films ist jedoch Jack Nicholson in einer Paraderolle, die ihm auf dem Leib geschrieben scheint. Er spielt Castello mit genau der richtigen Mischung aus understatement und overacting und schafft mit seinem sehr abwechslungsreichen Stil einen bedrohlichen, schrägen und unverwechselbaren Charakter - und einen der interessantesten Bösewichte der Filmgeschichte. Es würde mich wirklich sehr überraschen, wenn der MTV Movie Award für den "Best Villain" (den er wohl schon in der Tasche hat) der einzige Preis wäre, den Nicholson für diese Leistung verliehen bekommt.
Nach dem relativ gemächlichen Start nehmen Spannung und Tempo kontinuierlich zu. In jeder Sekunde des Films ist man sich der Gefahr bewusst in der Costigan schwebt - einen besonders großen Sprung macht die Spannung aber dann, als beiden Maulwürfen bewusst wird dass ein jeweiliges Gegenstück in "ihrer" Organisation arbeitet, und man versucht, sich gegenseitig auf die Schliche zu kommen. Dieses Katz- und Mausspiel ist das Herzstück des Films und sorgt für viele spannende Szenen, wie z.B. als Costigan seinen Gegenpart Sullivan nach dessen Treffen mit Costello im Kino verfolgt, oder die Szene auf dem Hochhaus als sich Costigan mit seinem Boss Queenan trifft, oder auch der geniale Coup rund um den Umschlag. Neben diesen eher actiongeladenen Szenen gibt es jedoch auch solche, in denen die Spannung deutlich subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll ist, wie z.B. als Costello offen Costigan verdächtigt, der Verräter in seinen Reihen zu sein.
Daneben sorgen vor allem viele überraschende und schockierende Wendungen dafür, die Spannung ordentlich anzukurbeln, da man sich dadurch bei jeder Figur nicht sicher sein kann, dass diese das Ende des Films auch überleben wird. Apropos Ende des Films... dieses warten mit 2 wirklich hammerharten und sehr überraschenden Wendungen auf. Besonders schockiert war ich von jener Szene, (Achtung, Spoiler!) als Costigan gleich nachdem sich die Aufzugtüren öffneten von Costello's 2. Spitzel in den Reihen der Polizei eiskalt und ohne Vorwarnung erschossen wurde (Spoiler Ende). Eine wirklich üble Wendung, die noch dazu gewohnt hart, schonungslos und brutal inszeniert wurde.
Doch auch das Ende des Films hatte es in sich: (Achtung, Spoiler!) Sullivan wird in seiner Wohnung von Dignam überrascht, und stellt sich fast apathisch seinem Schicksal. Einige waren von dieser Szene sehr irritiert - vor allem mit Sullivan's "Ok" konnten die wenigsten etwas anfangen. Für mich war sein Verhalten in diesem Moment aber nachvollziehbar und verständlich: Er hat alles verloren dass ihm etwas bedeutet hat - Costello, der wie ein Vater für ihn war, und auch seine Freundin - und wird andererseits von Schuldgefühlen geplagt. Er weiß einfach, dass er das, was jetzt gleich kommen wird, verdient hat - und schließt seinen Frieden mit sich und der Welt (Spoiler Ende). Ein sehr passendes Ende für die Figur und den Film...
Von einem Regie-Altmeister wie Scorsese erwartet man sich zwar auch nichts anderes, trotzdem ist es natürlich positiv hervorzuheben: Die ungemein stilvolle Inszenierung, bei der Scorsese zum wiederholten Mal das Kunststück gelingt, sich selbst treu zu bleiben, dabei aber dennoch nicht die Augen vor neuen inszenatorischen Möglichkeiten und den Zeichen der Zeit zu verschließen. Vor allem einige der Kamerafahrten und Einstellungen sind wieder einmal beeindruckend und wissen zu gefallen - insgesamt steht "Departed" dem koreanischen Original jedenfalls in nichts nach.
Bei allen Lobes... immerhin einen Aspekt gibt es dann doch, den ich in "Infernal Affairs" gelungener fand: Die Waffenübergabe. Während dieses Einsatzes leisten sich die beiden Spitzel einen richtiggehenden Wettkampf, um die eigene Seite zum Sieg zu führen, und tricksen sich immer wieder gegenseitig aus. Eine Szene, die im Original unheimlich spannend und packend war - sicher eine der besten des gesamten Films. Eine ähnliche Spannung wollte sich während der gleichen Szene bei "Departed" leider nicht einstellen - ganz im Gegenteil, ich würde diese Szene sogar als eine der wenigen bezeichnen die was die Spannung betraf eher dürftig waren. Dies überrascht mich insofern, als man die Figuren in "Infernal Affairs" zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wirklich kannte, da die entsprechende Szene relativ zu Beginn des Films gezeigt wurde. Insofern sollte man meinen, man würde eigentlich in "Departed" - wo man die Charaktere bis dahin ausgiebig kennen gelernt hat - mehr mitfiebern. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Der Brief von Costigan an die Psychologin entpuppte sich leider als waschechter roter Hering. In einem ansonsten derart gelungenen Thriller wie "Departed" stören mich solche Fehler gleich doppelt und dreifach - denn das ist einfach nur schlampig und muss ja nun wirklich nicht sein.
Fazit:
Martin Scorsese's Remake ist dem koreanischen Original in vielen Belangen überlegen. So räumt er den Figuren deutlich mehr Zeit ein um sich zu entfalten, was das Geschehen noch einmal deutlich interessanter macht. Generell fand ich "Departed" deutlich packender und spannender als das Original. Auch für sich allein betrachtet gelingt es "Unter Feinden" absolut zu überzeugen. Die Inszenierung ist wieder mal äußerst stilvoll und auf dem für Scorsese gewohnt hohen Niveau, und auch die schauspielerischen Leistungen sind über jeden Zweifel erhaben - wobei vor allem Jack Nicholson hervorsticht. Ein spannendes und packendes Katz- und Mausspiel, gewürzt mit vielen großartigen Szenen und schockierenden Wendungen - und für jeden Fan von knallharten, aber nichtsdestotrotz anspruchsvollen Thrillern ein absolutes Muss.
Wertung:
9 von 10 Punkten
Christian Siegel
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