1963 startet bei der BBC eine
Serie, die zu Recht als die langlebigste SF-Serie der Welt bezeichnet
wird. Trotz einer längeren Pause in den 80-gern gelingt es ihr
seit 2005 in der Regel 9 Millionen Briten jeden Samstag an den
Fernseher zu fesseln. Dazu genügen eine große blaue Box
und jemand, der sich „der Doctor“ nennt. Box? Doctor? Nie gehört?
Dabei kann es durchaus sein
dass der ein oder andere SF-Fan noch recht vage Erinnerungen an diese
britische Serie hat. Schließlich liefen Ende der 80-ern Jahre
des vergangenen Jahrhunderts die Abenteuer mit dem Protagonisten auch
im Privatfernsehen bei RTLplus und VOX. Doch da die Serie an sich nie
wiederholt wurde entschlüpfte sie rasch wieder dem Gedächtnis
der SF-Fans und nur ein kleiner harter Kern weiß mit Begriffen
wie „TARDIS“, „Gallifrey“ oder „Master“ etwas anzufangen.
Da Pro7 jetzt die ersten zwei neuen Staffeln mit dem
Christmas-Special ausstrahlen wird – ab dem 26.01. jeweils
Samstags, 17:00 Uhr - ist es durchaus an der Zeit in einem
zweiteiligem Artikel einerseits etwas das Gedächtnis
aufzufrischen, andererseits ein wenig in die Welt des Doctors
einzuführen.
Obwohl Zeit für den
Protagonisten der Serie wahrlich keine Rolle spielt saßen die
Fans hierzulande schon wie auf heißen Kohlen seit bekannt
wurde, dass Pro7 die Serie für den deutschen Markt eingekauft
hätte. Was schon einige Zeit her ist... Als Grund für die
Verzögerung gab Pro7 zuerst an, dass man die Ausstrahlung der
zweiten Staffel abwarten wolle. Eine neue Staffel des Doctors besteht
aus 13 Folgen zu jeweils 45 Minuten. Früher hätte man das
als eine halbe Staffel gezählt und Pro7 schien genau der selben
Auffassung zu sein und auf eine „ganze Staffel“ mit Bonus zu
warten. Der Bonus ist in diesem Fall das erste Christmas-Special der
Serie. Wenngleich man sich natürlich fragen kann ob ein
Christmas-Spezial im März oder Anfang April wenn Pro7 fast
nahtlos die zweite Staffel des Doctors zeigen wird nun sinnvoll ist.
Ebenso ob eine Doppelfolgen-Ausstrahlung wirklich der Serie guttut.
Ursprünglich wollte Pro7 zuerst nur die erste Folge „Rose“
zeigen um dann mit Doppelfolgen am Samstag um 17:00 Uhr
weiterzumachen – diese Strategie änderte sich aber vor kurzem
und man startet direkt mit „Rose“ und „Das Ende der Welt“.
Vor kurzem hat man auch mit der Werbung für die Serie begonnen.
Wobei man hierzulande wohl kaum die Vorfreude und das Herzklopfen der
Fans nachvollziehen kann, die 2005 in England den Teaser „A Trip of
a Lifetime“ ansahen.
Diese Vorfreude hing damit
zusammen, dass „Doctor Who“ eine Institution auf der Insel ist.
Seit 1963 haben Eltern zusammen mit ihren Kindern vor dem Fernseher –
oder im Falle der Kinder meistens hinterm Sofa – gesessen und sich
die Abenteuer des außeridischen Doctors angeschaut. Dank eines
genialen aber simplen Tricks gelang es der BBC, die Serie – die in
den 80-ger Jahren eine Auszeit nahm – so lange am Leben zu halten:
Es ist das Konzept der Regeneration. Denn wie „Perry Rhodan“ ist
der Held der Serie, der nur als „der Doctor“ bekannt ist, relativ
unsterblich. Wobei er nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Denn
die Rasse des Doctors, die Time Lords vom Planeten Gallifrey, haben
13 Regenerationen zur Verfügung. Werden sie tödlich
verletzt so setzt ein Prozeß ein, der sämtliche
Körperzellen durcheinanderwirbelt und neu ordnet. Am Ende steht
ein neuer Körper, aber die gleiche Persönlichkeit. Auf
diese Idee kamen die Macher der BBC-Serie als der erste Darsteller
des Doctors, William Hartnell, aus Krankheitsgründen aus der
erfolgreichen Serie aussteigen musste. Es muss damals ein richtiger
Schock für die Zuschauer gewesen sein als am Ende der Folge „The
Tenth Planet“ der Doctor ohmächtig zu Boden fällt und zum
ersten Mal in der Serie der geheimnisvolle Prozeß der
Regeneration einsetzt. Während große Teile der vierten Folge von "The Tenth Planet" verloren sind ist glücklicherweise die Regenerations-Sequenz erhalten geblieben. Das Gerücht, die Kindersendung "Blue Peter" sei am Verschwinden der Folge schuld ist allerdings ein Mythos. Es mag sein, dass die BBC-Kinderserie die vierte Folge von "Dalek Masterplan" nicht an die BBC zurückgab als sie sie auslieh, aber was die Cybermen anbelangt, die in "The Tenth Planet" zum ersten Mal zu sehen sind leckt sich die Katze namens Blue Peter unschuldig die Pfoten... Wobei – die Regenerationen des Doctors
verlaufen nie so glatt und reibungslos wie die anderer Time Lords.
Irgendeine Nebenwirkung, irgendeinen Haken gibt es immer.
Seit William Hartnell, dem
ersten Doctor, haben zehn Darsteller die Rolle des Doctors gespielt.
Die Grundpersönlichkeit des Doctors blieb dabei immer gleich,
aber die Doctoren sind natürlich so unterschiedlich im Verhalten
wie die Schauspieler, die sie darstellen. Währen der Erste
Doctor ein grantiger alter Mann war, spielte Patrick Troughton den
Zweiten Doctor eher als eine Art herumreisender Landstreicher mit
einer Vorliebe für Flötentöne – im wahrsten Sinne
des Wortes. Ihm folgte John Pertwee als Action-Doctor der 70-ger
Jahre, dessen Standardsatz lautet: „Ich habe den Neutronenfluss
umgekehrt...“ Worauf das technische Equipment des Gegners meistens
explodiert. Mit Techno-Babble a la „Star Trek“ hatte es die Serie
übrigens nie so genau – das Hilfsmittel des Doctors, der
„Sonic Screwdriver“ funktioniert. Wie er funktioniert ist im
Grunde genommen egal, die Hauptsache ist, dass er funktioniert. Für
die Amerikaner ist Tom Baker wohl immer noch DER Doctor. Schließlich
zeigte der Sender PBS damals die Abenteuer des Vierten Doctors, der
mit seinem langem Schal, Mantel und Hut ein wenig exzentrisch wirkt.
Tom Baker war derjenige, der bisher am längsten in die Rolle des
Doctors schlüpfte.
In Deutschland zeigte man
die Abenteuer des Doctors ab dem Fünften, Peter Davison. Der
charmante, junge, naiv wirkende Fünfte Doctor spielte gerne
Crickett und trug einen Sellerie-Zweig am Revers. Selten war ein
Doctor so dynamisch wie er. Abgelöst wurde Davison dann durch
Collin Baker. Ein Doctor, der bis heute wohl die wenigsten
Fansympathien auf sich vereinigen kann: Sein rüder Umgangston
und sein bissiger Humor waren nicht jedermanns Sache. Sylvester McCoy
erlebte dann teilweise sehr abstruse, teilweise auch sehr gelungene
Abenteuer als Siebter Doctor. Bei ihm deutete man immer an, dass der
Doctor mehr als nur ein normaler Time Lord wäre, ein Hauch des
Geheimnisvollen umgab ihn. Nach ihm verschwand der Doctor für
eine längere Zeit von den Bildschirmen.
Wobei – so ganz stimmt das
nicht, denn 1996 gab es den „Doctor Who Film“, der bei uns
desöfteren mal gezeigt wird. In Zusammenarbeit mit FOX hoffte
man, die Serie damit in den USA neu starten zu können. Eine
Hoffnung, die sich nicht erfüllte – trotz der riesigen
aufwändigen Sets, eines symphatischen Achten Doctors, Paul
McGann, und dem Auftritt eines der Erzfeinde des Doctors, dem Master,
konnte der Film nicht gerade als Erfolg gewertet werden. Übrigens
ist es ein Kuriosum am Rande, dass zwei Geschichten der alten
Who-Serie für zwei Spielfilme mit Peter Cushing wiederverwendet
wurden. Peter Cushing spielt dabei die Rolle eines Wissenschaftlers
namens Dr. Who, der eine Zeitmaschine erfunden hat. In seinen beiden
Abenteuern trifft er auf die Daleks, eine außerirdische Rasse
die das Universum erobern möchte. Doch die zwei Cushing-Filme
sind nicht Teil des offiziellen Serienkanons und daher wirklich nur
eine Randnotiz.
Für die Wiederbelebung
des Doctors bei der BBC zeichnet ein Mann verantwortlich, der
einerseits ein eingeschworener Who-Fan ist, andererseits mit „Queer
as Folk“ bekannt wurde: Russel T. Davis. 1963 in Swansea, Wales,
geboren ist er seit den 80ger Jahren des letzten Jahrhunderts bei der
BBC angestellt: Zuerst als Floor Manager und Production Assistant,
dann arbeitete er von 1988 bis 1992 im Childrens Department nachdem
er sich für eine Karriere hinter der Kamera entschied. 1991
schrieb Davis die sechsteilige Kinderserie „Dark Season“, ein
Abenteuerdrama mit SF-Aspekten. Da die Serie erfolgreich war folgten
rasch „Century Falls“ und „Childrens Ward“. Bei der letzteren
Serie war Davis auch als Produzent tätig.
Es dauerte nicht lange bis
Davis erste Gehversuche im Bereich der Erwachsenen-Unterhaltung
machte. Er steuerte eine Episode für „Touching Evil“ des
Senders ITV bei, ein geplantes Serienprojekt zerschlug sich jedoch
rasch wieder. Gleich danach aber schrieb Davis „Queer as Folk“.
Dass Showtime für die USA ein amerikanisches Remake produzierte,
das bei Pro7 lief, bewies dass Davis nicht nur erfolgreiche
Kinderserien schreiben konnte. „The Second Coming“ brachte Davis
dann mit dem Mann zusammen, der 2005 in eine Lederjacke schlüpfen
sollte: Christopher Eccleston.
Eigentlich war die Rückkehr
des Doctors von der Worldwide-Abteilung der BBC als Film angedacht.
Innerhalb der BBC allerdings kam man dann zu dem Entschluss, dass der
Doctor zurück auf den TV-Bildschirm kommen sollte. Da Davis in
der Vergangenheit schon öfters geäußert hatte, dass er gerne im Team der Serie
mitarbeiten würde – was allerdings bis dahin nur Wunschdenken
geblieben war – setzten ihn Loraine Heggessey, die neue Chefin bei
BBC1 und die Chefin für die Drama-Abteilung Jane Tranter als
Produzent für die neue Who-Serie ein. Davis ist zudem der Chief
Writer für die Serie, die von BBC Wales in Cardiff gedreht wird.
Davis erkannte, dass man für
eine neue Zuschauergeneration die Serie grundlegend renovieren müsse.
Natürlich konnte man schlecht am eigentlichen Grundkonzept etwas
ändern – der Doctor, sein Raumschiff, die TARDIS, und die
Companions sind geblieben. Doch Davis scheute sich nicht davor zurück
den Serienhintergrund enorm aufzuräumen. So postitulierte er,
dass es zwischen den Time Lords und einer ihrer Erzgegner-Rasse, den
Daleks, einen "Time War" gegeben habe. Dieser habe die Erde oder andere
Spezies nicht berührt, seine Auswirkungen seien aber dennoch im
Universum spürbar gewesen. Bei diesem "Time War" wurden sowohl die
Daleks und die Time Lords vernichtet – sie löschten sich
gegenseitig aus. Übrig blieb allein der Doctor, der sich seither
fragt warum ausgerechnet er überlebt hat. Für Fans der
alten Serie war es sicherlich ein Schock zu erfahren, dass Gallifrey,
die Heimat des Doctors nicht mehr existierte. Davis erlaubte
allerdings so den Zugang für eine neue Generation, die die
Abenteuer des Doctors nicht mehr auf dem Bildschirm miterlebt hatte.
Zudem hielt er sich die Option offen alte Rassen aus dem
Who-Universum wiederzubeleben und diese fit fürs neue
Jahrtausend zu machen. Allerdings setzt die neue Serie diese alten
Rassen sehr sparsam ein.
Davis befürchtete auch,
dass man die neue Serie nicht ernstnehmen würde. Schließlich
waren die „wackeligen Kulissen“ der alten Serie sprichwörtlich.
Das Budget allerdings reichte aus um die Drehbücher so umsetzen
zu können wie sich die Schreiber es vorgestellt hatten. Für
die Rolle des Neunten Doctors hatte Davis Christopher Eccleston
ausersehen – eine Entscheidung, die er vehement gegen die Kritiker
verteidigte. Ebenso überraschend: Billie Piper wurde als
Companion des Doctors besetzt. Der Doctor reist nie alleine durch den
Zeit und den Raum sondern hat stets menschliche oder außerirdische
Begleiter an Bord der TARDIS, seines Raumschiffes: Die Companions.
Für die Rolle der Rose Tyler ausgerechnet eine Popsängerin
zu besetzen, die als jüngste Sängerin der UK einen
Number-One-Hit landete – und von der man vorher allenfalls etwas in
der modernisierten Fassung der „Canterbury Tales“ gesehen hatte –
die Fans waren alles andere als begeistert. Das wäre in etwa so
als würde man Britney Spears die Rolle der Ophelia in „Hamlet“
anbieten. Nein, man war „not amused“. Wirklich nicht.
So wartete man gespannt den
26.03.2005 ab, dem Start der neuen Serie. Und stellte nach einigen
Folgen überrascht fest, dass sowohl Eccleston als auch Billie
Piper nicht nur sehr passabel spielten – die Chemie zwischen den
Beiden schien zu stimmen. Christopher Eccleston, der in Nebenrollen
in Filmen wie „The Others“, „eXistenZ“ oder „28 Days later“
zu sehen war und nach seiner Who-Rolle „Clyde“ bei „Heroes“
und den „Black Rider“ in „The Seeker“ spielte, Eccleston nun
erwies sich als Glücksgriff für die Rolle des „Dark
Doctors“. Mit stoppelkurzen Haaren, einer etwas abgewetzten
Lederjacke und einem Grinsen im Gesicht ist der Neunte Doctor jemand,
der sich ohne zu zögern ins Abenteuer stürzt. Allerdings
treibt ihn innerlich immer noch die Frage um, warum ausgerechnet er
den Time War als Einziger überlebt hat. Einen traumatisierten
Doctor hatte man noch nie zuvor gesehen. Er ist jemand, der durchaus
harsch sein kann. Doch dies ist nur ein Aspekt des Neunten Doctors,
den man in der ersten Staffel erleben kann. Er kann auch durchaus
sympathisch, nett und optimistisch sein - „Der Doctor tanzt“
zeigt dies sehr eindrucksvoll am Ende der Folge.
Rose Tyler, das Londoner
Shopgirl, dessen Leben nicht gerade an Abenteuern reich ist,
realisiert erst allmählich auf was sie sich da eingelassen hat.
Sicherlich ist es ein Abenteuer und sicherlich ist es aufregend –
aber es ist auch immer gefährlich. Sie genießt ihre neues
Leben jedoch. Vielleicht ist es doch mehr als Freundschaft, was Rose
an den Doctor bindet – als der Doctor regeneriert weicht sie nicht
von seiner Seite. Wäre es möglich, dass der Doctor
tatsächlich – wie es im nicht ernstgemeinten „Red Nose
Day“-Sketch „The Curse of Fatal Death“ der Fall ist – eines
Tages erkennt, dass Rose vielleicht die Frau ist, die er sein ganzes
Leben lang gesucht hat? Rose scheint es jedenfalls zu hoffen.
Allerdings ist „Hand Porn“ - das Händehalten während
man gemeinsam wegrennt – bisher die einzige Erfüllung ihrer
Hoffnung.
Im zweiten Teil des Artikels
werden wir einen Time-Agent kennenlernen, die Abenteuer des Doctors,
die Pro7 zeigt etwas näher beleuchten und zudem schauen wir, was
die Zukunft für den Doctor bereithält. Wer bis dahin nicht
warten möchte: Das SF-Radio bietet einen TARDIS-Report in fünf Folgen. Die erste ist bereits zum Download verfügbar.
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