Eine kleine Einführung...Kategorie: Kolumnen - Autor: Christina Hansen - Datum: Dienstag, 01 Januar 2008
Aus dem Urlaub oder einer zumindest stark urlaubsähnlichen Situation
zurückzukommen ist nie wirklich angenehm. Dort war man frei,
unbeschwert, losgelöst vom Streß des Alltags. Hier hat einen der
Alltag, mir nichts, dir nichts, wieder; hier wartet der E-mail-Berg
(vier Wochen herrlicher Losgelöstheit auch von den Segnungen moderner
Kommunikationstechnik rächen sich gar fürchterlich), hier warten zwei
Hausarbeiten, die eigentlich schon vorgestern (lies: vor drei Monaten)
hätten geschrieben worden sein sollen, hier warten der Job, die
Kollegen, die Pflichten der WG-Verwaltung... und das Zimmer und die
Treppe müßten auch dringend mal wieder geputzt werden. Kurz gesagt:
eigentlich bräuchte man direkt wieder Urlaub.
Den bekommt man natürlich so schnell nicht wieder. Angesichts dieser
Tatsache ist man dann dankbar für jeden Lichtblick - und dieser hier
zumindest ist fast so gut wie Urlaub: In meinem piperka-Account (sehr zu empfehlen!) stapeln sich
sämtliche Schätze der Webcomic-Welt und warten nur darauf, verschlungen
zu werden.
Zwischen zwei und dreißig neue Seiten haben die von mir gelesenen
Comics während meiner Abwesenheit hinzugewonnen. Die meisten Webcomics,
die ich mit großer Begeisterung und Regelmäßigkeit lese, gehören jener
Art an, die man, wenn sie als Buch vorlägen, "graphic novels", also
etwa: "graphischen Roman/graphische Erzählung" nennen würde, d.h. sie
lesen sich genaugenommen in größeren Stücken besser als in den bei
Webcomics üblichen kleinen Häppchen von einem Strip bzw. einer Seite
pro Tag oder Woche. Groß war daher meine Freude, so viele überwiegend
größere Portionen in meinem Account vorzufinden, und meine ohnehin
schon nicht gerade kleine Liebe zu den unabhängigsten Mitgliedern der
Indie-Comicwelt wurde prompt neu entfacht.
Kein Wunder: wo sonst kann man innerhalb weniger Minuten die neuesten
Abenteuer einer Wombatversion von Alice im Wunderland, den Kampf
finnischer Naturgeister gegen größenwahnsinnige Weihnachtswichtel, den
Alltag eines verheirateten Paares von Weltraum-Wanderarbeiterinnen in
einer fernen Zukunft, und die éducation sentimentale eines
treuherzig-naiv-melancholischen Golems nach dem Ende eines
apokalyptischen Krieges miterleben?
Wo sonst liegt eine Stadt wie das von anthropomorphen Tieren und
interdimensional gestrandeten Menschen bevölkerte Kaspall nur einen
Mausklick weit weg, oder das mit abstrusen Subkulturen wie den niemals
lügenden "Sincerists" aufwartende Templar - welches in *einem* Arizona
liegt, aber nicht "dem" Arizona, sondern einem Arizona, das "irgendwo
von einem Lastwagen gefallen ist, und jetzt haben alle Steckdosen eine
etwas seltsame Form und ein paar Kriege sind nie passiert"? Auch
Gunnerkrigg Court, ein englisches Internat, das sich wie eine Kreuzung
aus der Zauberschule Hogwarts und den endlosen, verlassenen
Industriekomplexen aus dem Architekturalbtraum-Manga "BLAME!" ausnimmt,
ist einen Besuch wert – ganz zu schweigen von der LSD-rauschhaft
schönen Welt Overside, wo Monster wie das schaurige Bleach Beast und
wundersame Wesen wie die Machine Men leben.
Und dann sind da noch die hinreißenden, fantastischen Seifenopern mit
ihren endlosen Archiven, Klassiker von teilweise vieltausendseitigem
Umfang: Hier begegnen uns tragisch in zebragestreiften Dämonenkörpern
gefangene junge Frauen und ihre mehr und minder magischen
WG-Mitbewohner; geheime Regierungsorganisationen, die kleine lila
Außerirdische bekämpfen, wenn sie sich nicht gerade mit explosiver
Verdauung, problematischen Liebesverhältnissen oder der Frage nach Gott
herumplagen; verrückte Wissenschaftlerinnen und ihre geklonten,
hyperintelligenten Nagetiere; und natürlich die exzentrischen Bewohner
des englischen Örtchens Tackleford, die im Kampf gegen die Tücken des
Alltags sowie allerlei übernatürliche Bedrohungen vor allem ihren
Wortwitz einsetzen.
Webcomics haben vielleicht noch nie soviel Spaß gemacht wie heute, über
ein Jahrzehnt, nachdem die ersten Cartoonisten begannen, kurze Strips
online zu veröffentlichen. Lange schon sind Computer- und Gamerhumor
nicht mehr die einzigen Themen; längst auch haben viele neue,
passionierte und begabte Geschichtenerzähler und Zeichner (und, in
beiden Fällen, natürlich auch -innen) zum Medium gefunden. Es ist kein
Zufall, daß in den letzten Jahren verstärkt Webcomics auf den
Printmarkt drängten – viele der Comics, die heute im Netz veröffentlich
werden, sind 1.) gut genug, um mit den meisten Printcomics im
Indiebereich mitzuhalten und 2.) stark an der Form der "graphic novel",
also des erzählenden Comics langer Form orientiert, so daß sie sich
ausgemacht gut für eine Buchveröffentlichung eignen.
Bis zu dieser Stelle des Artikels kam ich Anfang Oktober. In den
folgenden Wochen- und Monaten brach die Magisterarbeitsvorbereitung
samt dazugehörigen Selbstzweifeln usw. über mich herein wie eine
Naturkatastrophe und raubte mir Muse und Muße zum Verfassen von
Webcomic-Artikeln. Heute endlich habe ich mich nun zusammengerissen, um
diesem Artikel hier ein provisorisches Ende zu verpassen.
Trotzdem möchte ich in den nächsten Wochen die Gelegenheit ergreifen,
an dieser Stelle eine so unvollständige wie subjektive kleine Auswahl
meiner Webcomic-Favoriten kurz vorzustellen... Also bis bald, in der Welt der Webcomics!
...Fortsetzung folgt!
Viele Infos über WebComics sowie die Möglichkeit, selbst Tipps abzugeben und mitzudiskutieren, gibt es in unserem "Anime, Mangas, Comics & Cartoons"-Forum: >> Klick!
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