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Blade Runner
(Blade Runner, USA 1982 & 2007 (Final Cut)
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Studio/Verleih: |
Warner Brothers |
Regie: |
Ridley Scott |
Produzenten: |
U.a. Hampton Fancher, Brian Kelly und Ridley Scott |
Drehbuch: |
Hampton Fancher, David Peoples und Philip K. Dick (Romanvorlage) |
Musik: |
Vangelis |
Genre: |
Science Fiction |
Kino-Start (Deutschland): |
14.10.1982 |
Kino-Start (USA): |
25.06.1982 |
Laufzeit: |
118 Minuten (Final Cut) |
Altersfreigabe: |
Ab 16 Jahren |
Trailer: |
klick |
DVD kaufen: |
Special Edition, Ultimate Collectors Edition, HD DVD, Blu Ray Disc
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Schauspieler: Harrison Ford, Sean Young, Rutger Hauer, Daryl Hannah, William Sanderson, Joe Turkel, M. Emmett Walsh, Edward James Olmos u.a. |
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Kurzinhalt:
Los Angeles 2019: Der Blade Runner Rick Deckard wird reaktiviert, um vier Replikanten - künstliche Menschen, die auf anderen Planeten für Sklavenarbeit eingesetzt werden - aufzuspüren. Diese sind trotz eines strengen Verbots zur Erde zurückgekehrt. Bei seinen Nachforschungen lernt er auch die schöne Rachel kennen, bei der es sich ebenfalls um eine Replikantin handelt - nur weiß sie das nicht. Als sie es erfährt, bricht für sie eine Welt zusammen. Langsam entsteht zwischen dem Jäger und der Beute ein romantisches Band... welches zu zerbrechen droht, als Deckard damit beauftragt wird, auch Rachel auszuschalten. In der Zwischenzeit versuchen die vier Replikanten unter ihrem Anführer Roy Batty in das Gebäude der Tyrell-Corporation zu gelangen, wo sie erschaffen wurden. Der Grund: Alle Replikanten werden mit einer Art Ablaufdatum von 4 Jahren versehen. Batty möchte nun ihren Schöpfer Eldon Tyrell dazu bewegen, dies zu ändern, ehe seine Lebensspanne abgelaufen ist...
Anmerkung:
Bevor wir mit dem Review beginnen, ist ein Wort der Warnung angebracht: Es ist praktisch unmöglich, diesen Film zu diskutieren, ohne auch näher auf den Inhalt und das Ende einzugehen. Demnach ist das nachfolgende Review voller Spoiler, weshalb ich nur allen, die diesen SF-Klassiker noch nicht gesehen haben, dringendst dazu raten kann... dies gefälligst schleunigst nachzuholen!
Am besten den Final Cut aus der Videothek krallen – und danach zurückzukommen, um sich das Review durchzulesen – und bitte keinesfalls umgekehrt!
Review:
"Blade Runner" zählt schon seit jeher zu meinen absoluten Lieblingsfilmen. Daher ist es auch nicht überraschend, dass er eine meiner ersten DVD's war, die bei mir in den Schrank kamen. Leider war die erste Veröffentlichung eines solchen Klassikers bei weitem nicht würdig. Nun, nach jahrelangen Verzögerungen aufgrund rechtlicher Probleme wird am 7. Dezember der Final Cut auf DVD, HD-DVD und Blu Ray Disc veröffentlicht – und ist damit für alle Fans und solche die es werden wollen endlich in einer würdigen Fassung käuflich zu erwerben. Zur DVD an sich kann ich euch leider noch nichts sagen – dafür konnte ich jedoch die neue (und wirklich letzte?) Schnittfassung des Films genauer unter die Lupe nehmen.
Dank den Verantwortlichen der Viennale, die "Blade Runner: The Final Cut" in ihr diesjähriges Programm aufgenommen haben, hatte ich nicht nur die Gelegenheit, mir die ultimative Fassung von Ridley Scotts SF-Klassiker vorab anzusehen, ich konnte ihn zudem endlich auf die Art und Weise sehen, wie es von Scott gedacht war: Auf der großen Leinwand. Und auch wenn die aktuelle Veröffentlichung dafür Sorge trägt, dass man den Film auch endlich zu Hause in annehmbarer Art und Weise genießen kann, so ist "Blade Runner" nichtsdestotrotz ein Film, den man einfach auf der Kinoleinwand gesehen haben muss. "Kino – dafür werden Filme gemacht", tönt es in letzter Zeit vermehrt von der Kinoleinwand, und auch wenn man sich nach dem einen oder anderen Film nicht so sicher sein mag, ob man dieser Aussage auch wirklich zustimmen kann – auf Blade Runner trifft sie uneingeschränkt zu. Die großartigen, visionären Bilder erreichen auf der großen Leinwand eine Wirkung, die sich wohl leider selbst im besten Heimkino kaum duplizieren lässt. Für mich war es jedenfalls – obwohl ich den Film bereits kannte – das atemberaubendste und beeindruckendste Kinoerlebnis des Jahres, und auch wenn wir noch ein Monat vor uns haben so bezweifle ich stark, dass es gelingen wird, dies 2007 noch zu übertreffen...
Schon allein der Einstieg in den Film ist absolut großartig. Nach einer kurzen Einleitung, die uns die Hintergründe des Films erklärt, werfen wir unseren ersten Blick auf das Los Angeles des Jahres 2019. Die Effekte bzw. die hier gezeigten Bilder finde ich selbst heute noch atemberaubend. Die herumfliegenden Autos, die großen Häuserschluchten, die riesigen Plakatwände, die Fabriken, und nicht zuletzt das an ägyptische Pyramiden gemahnende Gebäude der Tyrell-Corporation – schon allein die Bilder und zahlreichen Ideen machen den Film zu einem unvergesslichen Erlebnis. Dank des neuen HD-Transfers erstrahlt der Film dabei in völlig neuem Glanz. Während die Effektszenen zwar im Großen und Ganzen (von kleineren Farbkorrekturen mal abgesehen) unverändert geblieben sind, so zeigt sich nach der neuen, hochauflösenden Bildabtastung zahlreiche Details, die man bisher auf dem TV-Schirm nicht ausmachen konnte – und lassen die Bilder noch einmal beeindruckender aussehen.
Neben Ridley Scott und seinem Effektteam ist hier aber natürlich vor allem dem Designer Syd Mead Tribut zu zollen, der für die zahlreichen visuell atemberaubenden, einprägsamen und beeindruckenden Bilder die Entwürfe geliefert und damit den visuellen Aspekt des Films stark geprägt hat. Nicht zuletzt ist die Zukunftsvision aus "Blade Runner" auch erstaunlich zeitlos: Es gibt zahlreiche SF-Filme, die später entstanden sind, und deren Blick in die Zukunft heutzutage ungemein veraltet wirkt. Dank der gelungenen Mischung vieler verschiedener Stile und Kulturen, der starken asiatischen Prägung des Stadtbildes und der Werbungen etc. blieb "Blade Runner" dieses Schicksal erspart. Auch die interessante neue Sprache, die sich aus verschiedensten Sprachen der Weltbevölkerung zusammensetzt, darunter Englisch, Spanisch, Deutsch und chinesisch, trägt zu diesem Aspekt maßgeblich bei. Alles an Blade Runner wirkt anders und einzigartig, eine großartige Mischung verschiedenster Ideen, vereint zu einer beeindruckenden Vision über die Zukunft der Menschheit. Das allein macht den Film sehenswert und zu einem Pflichttermin für Fans des Genres.
Einen weiteren großen Anteil am Erfolg des Films hat der innovative Soundtrack von Vangelis. Der Meister des Synthesizers bereichert die außergewöhnlichen Bilder um außergewöhnliche Töne, und unterstützt diese damit perfekt. Wie das Design der Zukunft so vereint auch der Soundtrack verschiedenste Stile, vom (damals) modernen Synthesizer über Blues und Jazz bis hin zur Klassik. Doch nicht nur die Bilder, auch die Stimmung bestimmter Szenen wird durch Vangelis' immer passenden und sehr abwechslungsreichen Soundtrack gekonnt verstärkt. So großartig der Einstieg in den Film oder auch der "Tears in Rain"-Monolog auch sein mag, ohne den Soundtrack würde viel von ihrer Wirkung verloren gehen. Wie die DVD so war auch der Soundtrack von Blade Runner eine der ersten CD's, die bei mir im Regal standen. Leider jedoch wird meines Erachtens auch diese der großartigen Musik nicht gerecht. Einigen mögen die eingebauten Dialogszenen gefallen, mich stören sie eher beim Genuss der Musik. Wenn ich die Musik mit den Dialogen und Soundeffekten hören will, lege ich die DVD ein, und nicht den Soundtrack. Zudem fehlen einige einprägsame Stücke bzw. Variationen, die im Lauf des Films zu hören sind, auf der CD. Insofern finde ich es ungemein schade, dass man das 25-jährige Jubiläum nicht auch dazu genutzt hat, eine neue Edition des Soundtracks auf den Markt zu bringen...
Doch zurück zum Film: "Blade Runner" überzeugt nicht nur (audio-)visuell, sondern insbesondere auch was die Handlung betrifft. Was als relativ geradlinige Kriminalgeschichte beginnt, entwickelt sich schon bald zu einer komplexen Abhandlung über Moral, Liebe und der Definition von "Leben". Einige Kritiker bemängeln, dass der Film mit der Romanvorlage" Do androids dream of electric sheep" nicht mehr viel zu tun hat. Ich sage: Und das ist auch gut so! Bei allem nötigen Respekt vor Philip K. Dick, der zahlreiche visionäre SF-Romane und Kurzgeschichten geschrieben hat, aber im Vergleich zum Film fehlt es der Vorlage an moralischer Komplexität und an Charaktertiefe. Zudem hätte man Dinge wie den Mercerismus wohl kaum erfolgreich auf die große Leinwand übertragen können. Das Drehbuch nimmt stattdessen Dick's Roman als Inspirationsquelle, und erschafft daraus praktisch eine völlig eigenständige und deutlich komplexere Geschichte, bei der man sich am Ende gar nicht mehr so sicher ist, wer denn nun eigentlich die "Guten" und die "Bösen" sind – und ob solche Definitionen nicht zu verallgemeinernd gefasst sind.
Ganz besonders deutlich wird dies am Ende des Films, als Roy just jenem Menschen (??? – aber auf das Thema komme ich etwas später zu sprechen), der zuvor seine Freunde und auch seine Geliebte getötet hat, das Leben rettet. Auch Rachel verleiht den Replikanten ein äußerst menschliches Bild. Eigentlich wollen sie ja nichts anderes, als Leben... was könnte denn menschlicher sein? Trotzdem werden sie skrupellos gejagt und zur "Pensionierung" vorgesehen, sobald sie es wagen, sich aus ihrem Sklavendasein zu befreien. Dennoch sind auch die Replikanten keine Engel... denn Roy und seiner Truppe sind alle Mittel recht, um dieses Ziel zu erreichen, und schrecken weder vor Betrug noch vor Mord zurück. Dadurch lässt sich keine der Figuren in ein deutliches schwarz-weiß-Schema pressen (am ehesten noch Rachel, aber selbst die begeht ja im Laufe des Films einen Mord und kann sich danach nur mehr schwerlich das Attribut "unschuldig" um den Hals hängen), was eine der größten Stärken des Films darstellt.
Trotz aller spannender Szenen, der Jagd nach den Replikanten und der sich langsam entwickelnden Liebe zwischen Deckard und Rachel steht bei "Blade Runner" vor allem eine zentrale Frage im Mittelpunkt: Wie definiert sich Leben eigentlich? Ja, die Replikanten werden nicht geboren, sie werden erschaffen, und doch empfinden sie Freud, Leid, Angst, Zorn und auch Liebe. Sind sie bloß weil sie gewissermaßen erbaut wurden wirklich weniger menschlich als ihre Schöpfer? Die Beantwortung dieser Frage fällt insbesondere dank des äußerst menschlichen Verhaltens der Replikanten schwer. Sie Lieben, sie Trauern um ihre Freunde, und ja, sie sind eben leider auch zu weniger lobenswerten menschlichen Gefühlen wie Zorn und Rachedurst fähig. Einen weiteren interessanten Aspekt dahingehend erhält "Blade Runner" dadurch, dass Roy vergleichsweise intensive Gefühle zeigt, während der eigentliche "Held" Deckard im direkten Vergleich äußerst kühl und distanziert wirkt. Er geht seinem Beruf sehr selbstsicher und ohne große Reue nach, und zeigt selbst in der Liebesgeschichte mit Rachel nur selten große Gefühle. Spätestens am Ende, als Roy seinem Feind das Leben rettet und damit die Fähigkeit zu Mitleid und Vergebung zeigt, muss man sich die Frage stellen: Agiert Roy nicht eigentlich menschlicher als sein Gegenpart? Es sind Fragen wie diese, welche die Komplexität des Films ausmachen und dafür hauptverantwortlich sind, dass mich der Film selbst Tage nachdem ich ihn gesehen habe noch beschäftigt hat.
Doch die beste Handlung der Welt wäre nichts wert, wenn sie nicht von Schauspielern erzählt werden würde die es verstehen, ihre Figur überzeugend und mitreißend zu portraitieren. Auch hier kann "Blade Runner" voll und ganz überzeugen. Harrison Ford bekommt zwar aufgrund der eher zurückhaltenden Darstellung von Deckard nicht viel Gelegenheit, schauspielerisch zu glänzen, überzeugt jedoch mit seiner Präsenz und Ausstrahlung. Auch Sean Young agiert eher kühl und distanziert, offenbart jedoch in ihrem Spiel auch jene Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke, welche die Rolle erfordert. Zusammen sind die beiden ein zwar etwas seltsames, aber nichtsdestotrotz überzeugendes Liebespaar. Edward James Olmos, Brion James, Joanna Cassidy, William Sanderson und Joel Turkel ist zwar nur verhältnismäßig wenig Bildschirmpräsenz gegönnt, dennoch tragen auch sie dank einer gelungenen Performance wesentlich zum Gelingen des Films bei. Auch Daryl Hannah meistert die sehr vielschichtige Rolle, eine Mischung aus Hinterlist, Lebensfreude und Naivität, mit Bravour. Trotz allem bleibt einem Rutger Hauers intensive Performance als Roy Batty am deutlichsten in Erinnerung. Einerseits wirkt er sehr bedrohlich, andererseits stellt er auch immer wieder eine zarte, liebevolle und zuletzt sogar verletzliche Seite zur Schau.
Auch die Inszenierung von "Blade Runner" ist über jeden Zweifel erhaben. Die wunderschönen, stilistisch beeindruckenden Bilder, mit denen die Geschichte erzählt wird, habe ich ja zu Beginn meines Reviews schon lobend erwähnt. Doch auch was das Erzähltempo und die Dramaturgie betrifft kann der Film überzeugen. Dank der Bedrohung der Replikanten gibt es den ganzen Film über ein ausreichendes Maß an Spannung, doch die treibende Kraft hinter "Blade Runner" ist eindeutig die Entwicklung der Figuren, bzw. ihrer Beziehung zueinander. Im Vergleich zu Filmen der heutigen Zeit, die oftmals bis zum Rand mit Adrenalin vollgepumpt sind, bedient sich Scott eines deutlich gemächlicheren – aber auch stilvolleren – Erzählstils. Es gibt viele ruhige und manchmal auch langsame Momente, und trotzdem keine Sekunde Ballast, weil jede davon bedeutungsvoll ist und/oder die Wirkung verstärkt. Und zwischendurch gibt es dann eben auch immer wieder mal kleinere Actioneinlagen, wobei auch diese deutlich anspruchsvoller wirken als bei reinen Actionfilmen. Denn selbst die Ermordung einer der Replikanten – für Deckard ja eigentlich ein Erfolg – wird vergleichsweise traurig und nicht im geringsten triumphal inszeniert. Insgesamt ist "Blade Runner" einfach großartig ausbalanciert und bietet eine perfekte Mischung aus Spannung, Action und Anspruch – und das in einer Klasse, wie sie heutzutage leider nur mehr wenige Filme erreichen...
Das Tüpfelchen auf dem "i" sind dann schließlich die teils großartigen Dialoge und die zahlreichen einprägsamen, wundervollen Momente. Die entsprechende Palette reicht von kurzen Einstellungen, wie die Szene mit Deckard auf dem Balkon, bis hin zur großartigen Konfrontation zwischen "Vater und Sohn" – mit tragischem Ausgang. Auch die Szene, als Deckard Rachel quasi dazu zwingt, ihm ihre Liebe zu gestehen, werde ich nie vergessen. Dies ist ehrlich gesagt auch der einzige Moment, von dem ich selbst heute noch nicht weiß was ich davon halten soll – es irritiert mich jedes Mal aufs neue. Aber ich denke, genau so war es von Scott beabsichtigt und genau das verleiht der entsprechenden Szene ihren unvergesslichen Charakter. All diese Momente werden aber natürlich vom Ende auf dem Dach übertroffen. Ich habe in diesem Review schon so viele Superlative gebraucht, dass mir langsam aber sicher ohnehin die passenden Worte ausgehen, aber Fakt ist... ich KANN gar nicht in Worte fassen wie großartig ich die Szene finde. Zuerst rettet Roy Deckard das Leben, dann hockt er sich hin, hält den wundervollen "Tears in Rain"-Monolog (eines der schönsten Textstücke der Filmgeschichte), um schließlich friedlich einzuschlafen. Im Gegensatz zu vielen anderen Szenen verliert diese nicht an Wirkung, ganz egal, wie oft ich sie sehe. Mir läuft selbst beim 10. Mal noch ein kalter Schauer über den Rücken. Für mich ganz klar einer der intensivsten, berührendsten und besten Momente der Filmgeschichte.
Danach wird es noch einmal richtig spannend: Gaff macht Deckard gegenüber eine Andeutung bezüglich Rachel, woraufhin dieser in sein Appartment eilt – um sie noch lebend vorzufinden. Doch auf dem Weg hinaus tritt er auf ein Origami, welches von Gaff hinterlassen wurde. Auf dem ersten Blick ist die Bedeutung klar: Gaff hatte die Gelegenheit, Rachel zu töten, hat sich aber dazu entschlossen, sie ziehen zu lassen. Doch die in der Special Edition eingeführte Traumsequenz mit dem Einhorn (die in veränderter Form auch im Final Cut enthalten ist) deutet einen noch tieferen Sinn dieser Szene an, und führt zu einer der meistdiskutierten Fragen der Filmgeschichte: Ist Deckard ein Replikant? Ursprünglich geht dieser Gedanke auf einen Filmfehler zurück: Als Bryant Deckard den Fall übergibt, spricht er von insgesamt sechs Replikanten, die von der Kolonie entkommen sind. Einer davon ist bei einem Raub ums Leben gekommen, vier weitere stellt er Deckard vor: Doch wo ist der sechste? Obwohl Scott klargestellt hat, dass es sich hierbei um einen reinen Fehler handelt (wobei ich sogar meine, dieser wäre im Final Cut korrigiert worden – aber 100%ig sicher bin ich mir leider nicht mehr), führte dies zu ersten Überlegungen, dass Deckard der besagte sechste Replikant sein könnte – was für mich ehrlich gesagt nicht viel Sinn ergibt, scheinen sich Deckard und Bryant doch schon länger zu kennen.
Doch dass er nicht der sechste Replikant ist, bedeutet natürlich noch lange nicht, dass es sich bei ihm um einen Menschen handelt, denn abgesehen von Bryants Kommentar gibt es da ja noch die Traumsequenz und das Origami. Zudem sind in den Augen der Replikanten immer wieder seltsame Reflexionen und ein gewisses Leuchten zu erkennen – welches man in bestimmten Szenen auch an Deckard bemerken kann. Vor allem im Final Cut ist dieser Effekt deutlich zu erkennen. Dies unterstützt natürlich jene, die Deckard für einen Replikanten halten, nichtsdestotrotz muss man klarstellen, dass auch der Final Cut diese Frage – Gott sei Dank! – nicht eindeutig beantwortet. Zwar hat Ridley Scott in Interviews klargestellt, dass Deckard für ihn ein Replikant ist, doch im Film finden sich sowohl Aspekte die darauf hindeuten, dass es sich bei ihm um einen Replikanten handeln wie auch, dass er ein Mensch ist. Damit bleibt die Antwort auf diese Frage auch weiterhin dem Zuschauer überlassen...
...wofür ich vor allem auch deshalb so dankbar bin, als dass ich mit der Idee, Deckard sei ein Replikant, noch nie viel anfangen konnte. Ich hielte das für eine recht typische Wendung am Ende der Geschichte, jener die Philip K. Dick vor allem in seinen Kurzgeschichten gern einbaute nicht unähnlich. Doch der Effekt eines solchen Twists ist immer sehr kurzfristig, und würde für mich vieles von dem was mir an Blade Runner so gefällt zerstören. Die zuvor angesprochenen moralischen Themen z.B., dass sich die Replikanten menschlicher verhalten als Deckard der Mensch – all das fällt in sich zusammen oder verliert zumindest deutlich an Aussagekraft, wenn Deckard auch "nur" ein Replikant ist. Dies gilt auch ganz besonders für das großartige Ende, als Roy Batty ihn schließlich vor dem sicheren Tod rettet. Denn gerade dass er einen Menschen rettet, der ihn gejagt hat und töten wollte und der über ein deutlich längeres Leben verfügt als er selbst, auf den er in gewisser Weise (zu recht) neidisch ist, macht für mich das Ende so bedeutungsschwer. Schon allein deshalb wird Deckard für mich immer ein Mensch bleiben, Träume von Einhörnern und zurückgelassene Origami hin und her...
Abschließend möchte ich noch etwas näher auf den "Final Cut" eingehen: Dieser ist weitestgehend mit dem Director's Cut identisch, das heißt, keine Kommentare von Rick Deckard während des Films. Zugegeben, diese haben das Noir-Gefühl bei "Blade Runner" zusätzlich verstärkt, dennoch funktioniert der Film auch ohne diese Kommentare, in denen allzu oft allzu offensichtliche Dinge ausgesprochen werden, sehr gut. Und auch wenn der Kommentar am Ende ("Ich konnte ihm nur beim Sterben zusehen" – Frei aus dem Gedächtnis zitiert) noch der beste war, so stört mich doch gerade dieser bei besagter Szene am meisten – einfach, da die Szene unkommentiert deutlich größere Wirkung entfalten kann. Wenig überraschend ist auch das Fehlen des Happy Ends, dass Scott damals auf Drängen von Warner Brothers hinten dranpappen musste. Mal ganz abgesehen davon, dass ein solches zu diesem Film überhaupt nicht passt und die Idee mit dem "kein Ablaufdatum" die entsprechende Szene vor Kitsch nur so triefen ließ, passt die Szene einfach überhaupt nicht zum Rest des Films. Deckard und Rachel fahren in einem normalen Auto durch eine grüne Landschaft – was sich dadurch erklärt, dass man hier überschüssiges Drehmaterial von "Shining" herangezogen hat. Dass dies überhaupt nicht zur zuvor gezeigten Zukunftsvision passt, war Warner scheinbar egal...
Wie vorhin schon erwähnt ist auch die Traumsequenz mit dem Einhorn wieder enthalten – oder besser gesagt, es IST eine Traumsequenz mit einem Einhorn enthalten. Diese ist aber völlig neu (und deutlich stilvoller) und spiegelt nun zum ersten Mal Scotts Vorstellungen zu der Szene wieder. Auch wenn ich gut und gerne ohne diese Traumszene leben könnte (da Deckard ja wie gesagt für mich ganz klar ein Mensch aus Fleisch und Blut ist) ist jene Version aus dem Final Cut der aus dem Director’s Cut definitiv vorzuziehen. Eine weitere große Änderung ist die Sterbeszene von Zhora. Im ursprünglichen Film und auch in allen bisherigen Fassungen war dort eine Stuntfrau zu sehen, die sehr eindeutig auch als solche zu erkennen ist. Für den Final Cut hat Ridley Scott diese Szene nun neu gedreht – wofür Joanna Cassidy extra nochmal in ihr altes Kostüm geschlüpft ist. Zwar hat man sie nicht durch Fensterscheiben gejagt, sondern das ganze vor einem Bluescreen aufgenommen, trotzdem sieht die neue Szene ungemein flüssig aus – wenn man nicht wüsste, dass hier etwas geändert wurde, würde man es gar nicht bemerken. Auch dies ist also eine weitere deutliche Verbesserung zum Director’s Cut.
Die restlichen Änderungen sind eher marginaler Natur. So gibt es im neuen Cut etwas mehr Brutalität zu bestaunen. Jene Szene, als sich Roy Batty selbst einen Nagel in die Hand rammt, ist nun etwas länger. Besonders deutlich fällt die höhere Brutalität aber beim Tod von Eldon Tyrell aus, dem nun auch die Augen eingedrückt werden, woraufhin Blut aus den Augenhöhlen fließt. Für absolute Filmfreaks ist eventuell auch interessant, dass Ridley Scott im Final Cut die kurze Szene mit den Tänzerinnen mit der Jason-Maske (aus „Freitag der 13.“) wieder eingebaut hat. Andere bekannte Cutscenes aus dem Workprint wie der Besuch von Deckard bei Holden im Krankenhaus sind auch im Final Cut nicht enthalten. Von diesen Änderungen abgesehen gab es noch ein paar kleinere Korrekturen bei den Effekten und der Farbgebung. Letzteres fällt vor allem in Batty’s Todesszene auf. In den bisherigen Filmfassungen flog die Taube daraufhin in einen strahlend blauen Himmel – dies wurde nun korrigiert. Alles in allem lässt sich festhalten, dass die Änderungen am Final Cut im Großen und Ganzen sehr subtil ausgefallen sind, nichtsdestotrotz aber den Film deutlich aufwerten. Und so kann man den „Final Cut“ mit Fug und Recht als die ultimative Filmfassung dieses SF-Klassikers bezeichnen...
Fazit:
"Blade Runner" stellt meines Erachtens in allen Bereichen eine cineastische Meisterleistung dar. Die großartigen Bilder, die gelungene Dramaturgie, die zahlreichen Andeutungen und moralischen Untertöne, die tollen schauspielerischen Leistungen, die stilvolle Inszenierung, zahlreiche einprägsame und unvergessliche Momente, der wundervolle Soundtrack, das bewegende Finale... hier stimmt wirklich alles. Mit "Blade Runner" ist Ridley Scott ein wegweisendes, innovatives Meisterwerk geglückt, dass selbst 25 Jahre nach seinem Erscheinen nicht das Geringste von seiner Faszination und seiner Qualität eingebüßt hat. Dem Final Cut gelingt es nun dank kleiner, subtiler Änderungen, den ohnehin schon grandiosen Film noch einmal eine Spur besser zu machen - weshalb wir ab dem 7. Dezember nun auch wirklich die ultimative Filmfassung dieses Klassikers in den Händen halten dürfen. Der Kauf dieser DVD ist jedenfalls für jeden wahren Fan des Science Fiction-Genres ein Muss...
Wertung:
10 von 10 Punkten
Christian Siegel
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